OGH vom 22.05.2013, 15Os40/13s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin in der Straf und Medienrechtssache der Privatanklägerin und Antragstellerin Edeltraud O***** gegen Michael R***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie des Antrags nach § 6 Abs 1 MedienG, AZ 37 Hv 59/10y des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , AZ 17 Bs 192/11a (ON 15 der Hv Akten) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Mag. Wachberger zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , AZ 17 Bs 192/11a verletzt durch die darin zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, wonach die Verjährungsfrist durch die Einbringung der Privatanklage beim örtlich unzuständigen Gericht nicht gewahrt wurde, § 58 Abs 3 Z 2 StGB.
Text
Gründe:
In der Straf und Medienrechtssache der Privatanklägerin und Antragstellerin Edeltraud O***** gegen Michael R***** wegen § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie § 6 Abs 1 MedienG wurde der Angeklagte mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 37 Hv 59/10y 11, des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt sowie als Medieninhaber nach § 6 Abs 1 MedienG zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet.
Dem Verfahren liegt ein vom Angeklagten verfasstes Flugblatt zu Grunde, dessen Verbreitung per Post er am in der Marktgemeinde M***** E***** veranlasst hat.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit gab das Oberlandesgericht Wien aus dem Grund des § 468 Abs 1 Z 1 StPO (iVm § 489 Abs 1 StPO und § 41 Abs 1 MedienG) Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache „zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das örtlich zuständige Landesgericht Korneuburg“. Begründend stützte sich das Berufungsgericht auf § 40 Abs 1 MedienG, wonach für das Strafverfahren wegen eines Medieninhaltsdelikts primär das Gericht örtlich zuständig sei, in dessen Sprengel der Medieninhaber seinen Wohnsitz, seinen Aufenthalt oder seinen Sitz habe. Der Angeklagte sei Medieninhaber des inkriminierten Flugblatts; im Hinblick auf seinen Wohnsitz in ***** sei das Landesgericht Korneuburg örtlich zuständig.
Im Übrigen wies das Berufungsgericht darauf hin, dass nach § 32 MedienG die Frist für die Verjährung der Strafbarkeit eines Medieninhaltsdelikts zu der Zeit beginnt, da mit der Verbreitung im Inland begonnen wird, wobei § 58 Abs 1 StGB nicht anzuwenden ist. Die Verjährungsfrist betrage ein Jahr und wäre „nach ständiger Judikatur“ gewahrt, wenn die Privatanklage fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Gericht eingebracht werde. Durch die Einbringung der Anklage beim unzuständigen Gericht wäre die Frist nicht gewahrt.
„Infolge der mittlerweile offenkundigen Verjährung des strafrechtlichen Verfolgungsanspruchs durch die ausschließliche Anrufung des örtlich unzuständigen Gerichts“ werde „das Landesgericht Korneuburg gemäß § 485 Abs 1 Z 3 iVm § 212 Z 1 StPO und § 41 Abs 1 MedienG den Strafantrag zurückzuweisen und mit einer a limine Verfahrenseinstellung vorzugehen haben“.
Mit Beschluss vom , GZ (nunmehr) 540 Hv 1/11s 16, wies das Landesgericht Korneuburg den gegen Michael R***** gerichteten Strafantrag „infolge Verspätung“ zurück und stellte das Verfahren ein.
Die im Urteil des Berufungsgerichts zum Ausdruck kommende Rechtsmeinung, wonach durch die Einbringung der Privatanklage beim örtlich unzuständigen Gericht die Verjährungsfrist nicht gewahrt wurde, steht wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach § 32 MedienG beginnt die Frist für die Verjährung der Strafbarkeit eines Medieninhaltsdelikts zu der Zeit, da mit der Verbreitung im Inland begonnen wird; § 58 Abs 1 StGB der eine Verlängerung der Verjährungsfrist bei späterem Erfolgseintritt vorsieht ist nicht anzuwenden.
Da dadurch nur die Anwendbarkeit der in § 58 Abs 1 StGB geregelten Ablaufhemmung ausgeschlossen ist, verlängert sich in den Fällen des Abs 2 und Abs 3 des § 58 StGB auch die Verjährungsfrist von Medieninhaltsdelikten ( Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Noll , Praxiskommentar MedienG 3 § 32 Rz 10). Demnach ist nach § 58 Abs 3 Z 2 StGB (ua) die Zeit zwischen der Einbringung der Anklage und der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens nicht in die Verjährungsfrist einzurechnen, mit anderen Worten: durch die Einbringung der (Privat )Anklage tritt eine Fortlaufhemmung der Verjährungsfrist ein (vgl Marek in WK 2 § 58 Rz 2). Eine Einschränkung dergestalt, dass dies nur für den Fall der Einbringung der Anklage beim (örtlich) zuständigen Gericht gelten solle, lässt sich dieser Bestimmung nicht entnehmen; dies würde auch der generell weiten Konzeption der Norm, die zB bereits eine erste staatsanwaltschaftliche Anordnung von im 8. Hauptstück der StPO geregelten Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahmen ohne jede Bedingung als verjährungshemmend genügen lässt, zuwiderlaufen.
Gemäß § 71 Abs 3 StPO ist zwar die Privatanklage ebenso wie gemäß § 210 Abs 1 StPO die Anklage wegen eines Offizialdelikts grundsätzlich beim zuständigen Gericht einzubringen. Das Gesetz verknüpft die Verletzung dieser prozessualen Vorschrift aber weder mit der Konsequenz einer Zurückweisung der Anklage mit verfahrensbeendender Wirkung (vgl vielmehr §§ 38, 215 Abs 4, 485 StPO) noch kann dies das materiell rechtliche Erlöschen der Strafbarkeit zur Folge haben.
Die vom Oberlandesgericht zur Begründung seiner Rechtsansicht herangezogene Judikatur bezieht sich denn auch auf die Rechtslage vor dem Strafprozessreformgesetz BGBl I 2004/19. Nach dem damals geltenden § 46 Abs 1 StPO hatte eine zur Privatanklage berechtigte Person, bei sonstigem Verlust ihres Anklagerechts, binnen sechs Wochen ab einem bestimmten Zeitpunkt einen Verfolgungsantrag gegen einen hinlänglich Tatverdächtigen zu stellen („subjektive Verjährung“). Da es sich dabei um eine verfahrensrechtliche Frist handelte, für die die Bestimmung des § 6 StPO aF galt, wonach die Tage des „Postenlaufes“ nicht in die Rechtsmittelfrist einzurechnen waren (Abs 3 leg cit), war die Einbringung beim zuständigen Gericht Voraussetzung für die Einhaltung der prozessualen Frist (RIS Justiz RS0096222; RS0096229; MR 1995, 13; EvBl 1994, 100; so auch Korn/Zöchbauer , WK StPO § 71 Rz 23).
Der nunmehr geltende § 71 StPO enthält keine derartige Befristung des Privatanklagerechts, er verweist vielmehr in seinem Abs 2 auf §§ 57 und 58 StGB. Das Recht auf Privatanklage erlischt also (erst) mit der Verjährung der Strafbarkeit der Tat, die sich aus dem materiellen Recht ergibt ( Korn/Zöchbauer , WK StPO § 71 Rz 22).
Daher ändert die Anrufung eines örtlich unzuständigen Gerichts durch den (Privat )Ankläger nichts an der Einbringung der Anklage iSd § 58 Abs 3 Z 2 StGB. Vielmehr unterbricht auch die Einbringung der Anklage beim örtlich unzuständigen Gericht die Verjährungsfrist.
Der im gegenständlichen Urteil des Berufungsgerichts enthaltene Ausspruch, wonach durch die Einbringung der Privatanklage beim örtlich unzuständigen Gericht die Verjährungsfrist nicht gewahrt wurde, verletzt daher § 58 Abs 3 Z 2 StGB.
Diese Gesetzesverletzung gereicht dem Angeklagten nicht zum Nachteil, weshalb es mit ihrer Feststellung sein Bewenden hat.
Bleibt anzumerken, dass das Berufungsgericht, wenn es nach den Urteilsfeststellungen, nämlich dem konstatierten Zeitpunkt des Beginns der Verbreitung des gegenständlichen Flugblatts im Inland sowie der Einbringung der Anklage bei einem örtlich unzuständigen Gericht einschließlich der seither verstrichenen Zeit, wenngleich rechtsirrig, den Eintritt der Verjährung annimmt, gemäß §§ 474, 489 Abs 1 StPO zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre: Es hätte konsequenterweise aufgrund materieller Nichtigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 9 lit b iVm § 489 Abs 1 StPO mit einem Freispruch vorzugehen gehabt (vgl RIS Justiz RS0101741).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2013:0150OS00040.13S.0522.000