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OGH 20.08.2008, 9Ob60/08a

OGH 20.08.2008, 9Ob60/08a

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. Verlassenschaft nach der am verstorbenen Johanna N*****, vormals ***** (3 A ***** BG Innsbruck), vertreten durch Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwalt in Innsbruck, und 3. Monika E*****, vertreten durch Mag. Dieter Benko, Rechtsanwalt in Innsbruck, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Drittantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 53 R 70/07v-43, womit infolge Rekurses der Drittantragstellerin der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 33 Fam 2/07d-33, unter gleichzeitiger Verwerfung des Rekurses wegen Nichtigkeit bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluss vom , der am beim Erstgericht einlangte, hat das Rekursgericht die Parteienbezeichnung der Erstantragstellerin wie aus dem Kopf ersichtlich berichtigt, den Rekurs der Drittantragstellerin wegen Nichtigkeit verworfen und im Übrigen dem Rekurs der Drittantragstellerin nicht Folge gegeben. Das Rekursgericht sprach aus, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig ist. Das Erstgericht stellte die Rekursentscheidung dem Vertreter des vormaligen Zweitantragstellers und dem Vertreter der Drittantragstellerin zu. Der Zweitantragsteller Prof. Dipl.Vw. Dr. Manfred N***** ist durch Rückziehung seines Antrags auf Bewilligung der Adoption aufgrund des Adoptionsvertrags vom in erster Instanz längst aus dem gegenständlichen Mehrparteienverfahren ausgeschieden (§ 11 Abs 1 AußStrG; Fucik/Kloiber, AußStrG § 11 Rz 4 ua); die Zustellung der Rekursentscheidung an seinen früheren Vertreter war daher entbehrlich.

Nicht entbehrlich war hingegen die vom Erstgericht unterlassene Zustellung der Rekursentscheidung an die Erstantragstellerin, weil gemäß § 38 AußStrG die Beschlüsse allen aktenkundigen Parteien zuzustellen sind. Die Erstantragstellerin ist am , somit rund zweieinhalb Monate nach dem gemeinsamen Antrag auf Bewilligung der Adoption, verstorben. Da sie im vorliegenden Verfahren durch Rechtsanwalt Dr. Rudolf Kathrein anwaltlich vertreten war, trat keine Unterbrechung des Verfahrens ein (§ 25 Abs 1 Z 1 AußStrG). Die Prozessvollmacht ist gemäß § 6 Abs 4 AußStrG iVm § 35 Abs 1 ZPO auch nicht durch den Tod der Erstantragstellerin als Vollmachtgeberin erloschen (RIS-Justiz RS0019967 ua). Eine Vollmachtskündigung durch den Bevollmächtigten Dr. Kathrein ist hinsichtlich der Erstantragstellerin - ebenso wie ein Widerruf der Vollmacht durch die Vollmachtgeberin - bisher nicht erfolgt. Die Mitteilung Dris. Kathrein vom bezog sich lediglich auf die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zum Zweitantragsteller und zur Drittantragstellerin (ON 14). Die spätere Mitteilung Dris. Kathrein vom anlässlich der Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses vom , dass er am die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses „zu den Antragstellern" mitgeteilt habe (ON 18), ist - sollte damit auch die Erstantragstellerin gemeint sein - aktenwidrig.

Der Vertreter der Drittantragstellerin gab in einer namens der Drittantragstellerin verfassten Mitteilung vom bekannt, dass aus Kostengründen von einem Rekurs der Verlassenschaft nach der Erstantragstellerin abgesehen werde (ON 41); er gab allerdings weder in dieser noch in einer anderen Eingabe bekannt, in Hinkunft (auch) die Erstantragstellerin zu vertreten. Das Erstgericht ist offenbar der Auffassung, dass der Vertreter der Drittantragstellerin im Umweg über die Erbantrittserklärung der Drittantragstellerin hinsichtlich der Verlassenschaft nach der Erstantragstellerin in Hinkunft automatisch auch die Erstantragstellerin vertritt (siehe AS 193, 260). Dabei wird jedoch übersehen, dass bisher weder die aufrechte Vollmacht Dris. Kathrein widerrufen noch jemals namens der Erstantragstellerin bekanntgegeben wurde, dass sie durch den Vertreter der Drittantragstellerin vertreten wird. Dass dies offenbar vom Vertreter der Drittantragstellerin auch nicht gewollt ist, scheint mit dem seinerzeitigen Hinweis auf die Notwendigkeit und die Kosten eines Kollisionskurators (ON 41) gemeint gewesen zu sein.

Das Erstgericht wird somit, bevor es dem Obersten Gerichtshof die Akten zur Entscheidung über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Drittantragstellerin neuerlich vorlegt, zuerst die Zustellung der Rekursentscheidung an den Vertreter der Erstantragstellerin vorzunehmen und den Ablauf der Revisionsrekursfrist abzuwarten haben.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. Verlassenschaft nach der am verstorbenen Johanna N*****, vormals *****, vertreten durch Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwalt in Innsbruck, und 3. Monika E*****, diese vertreten durch Mag. Dieter Benko, Rechtsanwalt in Innsbruck, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Drittantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 53 R 70/07v-43, womit infolge Rekurses der Drittantragstellerin der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 33 Fam 2/07d-33, unter gleichzeitiger Verwerfung des Rekurses wegen Nichtigkeit bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Drittantragstellerin wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Ist das Wahlkind eigenberechtigt, so ist die Annahme an Kindesstatt nach § 180a Abs 1 ABGB idF FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58, nur dann zu bewilligen, wenn die Antragsteller nachweisen, dass bereits ein enges, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechendes, Verhältnis vorliegt, insbesondere wenn Wahlkind und Annehmender während fünf Jahren entweder in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben. Diese Fassung des § 180a Abs 1 ABGB trat am in Kraft und ist anzuwenden, wenn die Sache - wie im vorliegenden Fall - nach dem anhängig wurde (Art IV § 2 Abs 1 und 2 FamErbRÄG 2004).

Der Gesetzgeber verfolgte mit dieser Novellierung das erklärte Ziel, den zunehmenden Missbrauch der Erwachsenenadoption in den Griff zu bekommen und die Erwachsenenadoption einzuschränken (RV 471 BlgNR 22. GP 1, 10 f, 27 f; AB 489 BlgNR 22. GP 2). In Hinkunft soll eine Erwachsenenadoption nur mehr ausnahmsweise und bei entsprechenden und auch bewiesenen realen engen Beziehungen zwischen Wahlkind und Annehmenden möglich sein (RV 471 BlgNR 22. GP 11, 27 f). Gleichwohl kann aber auch noch heute - im Ausnahmefall - ein gewisses Bedürfnis für die Adoption Volljähriger bestehen (RV 471 BlgNR 22. GP 27). Seit dem ist die Erwachsenenadoption aber nur mehr unter erschwerten, strenger gefassten Voraussetzungen zulässig (Hopf in KBB² § 180a ABGB Rz 2 ua). Danach muss bereits ein enges Eltern-Kind-Verhältnis vorliegen. Es genügt nicht, dieses bloß zu behaupten; es muss auch konkret bewiesen werden (RV 471 BlgNR 22. GP 28). Als - eine Orientierung - bietende Beispiele für das Vorliegen eines engen Eltern-Kind-Verhältnisses nennt § 180a Abs 1 ABGB, dass Wahlkind und Annehmender während fünf Jahren entweder in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben (Hopf in KBB² § 180a ABGB Rz 2; siehe zum zweiten Beispiel auch AB 489 BlgNR 22. GP 3). Kennzeichen der Neuregelung des § 180a Abs 1 ABGB ist eine über das Durchschnittsmaß hinausgehende Eltern-Kind-Beziehung, die eine Seite auf die andere angewiesen erscheinen lässt und die bereits eine - nicht wesentlich unterbrochene - zeitliche Dauer erreicht, für welche ein Zeitraum von fünf Jahren eine Richtschnur bildet (RV 471 BlgNR 22. GP 28; RIS-Justiz RS0119844 ua).

Zwischen dem vormaligen Zweitantragsteller Prof. Dipl.-Vw. Dr. Manfred N*****, der ab Dezember 2000 mit der Erstantragstellerin verheiratet war und durch Rückziehung seines Antrags auf Bewilligung der Adoption aufgrund des Adoptionsvertrags vom in erster Instanz aus dem gegenständlichen Mehrparteienverfahren ausgeschieden ist (§ 11 Abs 1 AußStrG; Fucik/Kloiber, AußStrG § 11 Rz 4 ua), und der Drittantragstellerin bestand nach den Verfahrensergebnissen kein enges Eltern-Kind-Verhältnis. Der Zweitantragsteller hatte zwar seinerzeit den Adoptionsvertrag ebenfalls mitunterfertigt, in der Folge tauchten aber ernste Zweifel an seiner damaligen Geschäftsfähigkeit auf. Im Verlauf des Verfahrens sprach sich der Zweitantragsteller schließlich aufgrund von persönlichen Vorbehalten gegen die Drittantragstellerin vehement gegen die Bewilligung der Adoption aus. Am ist er verstorben.

Mit der Erstantragstellerin, die bereits am , somit rund zweieinhalb Monate nach dem gemeinsamen Antrag auf Bewilligung der Adoption verstorben ist, bestand ein besseres Verhältnis der Drittantragstellerin. Der Umstand, dass sie in ihrer Kindheit bzw Jugend vor mehr als 25-30 Jahren an den Wochenenden und in den Ferien bei der Erstantragstellerin gewohnt hat, wurde jedoch von den Vorinstanzen nicht als ausreichend angesehen, um vom Vorliegen des von § 180a Abs 1 ABGB geforderten engen, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechenden Verhältnisses sprechen zu können. An dieser rechtlichen Beurteilung vermochten nach vertretbarer Beurteilung des Rekursgerichts auch die von der Drittantragstellerin vermissten Feststellungen über spätere Kontakte zwischen den Genannten nichts zu ändern. Nach den Gesetzesmaterialien zum FamErbRÄG 2004 reicht ein sich bloß in einigermaßen regelmäßigen persönlichen Kontakten manifestierendes Verhältnis, mag es auch sonst dem zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern üblichen Verhältnis entsprechen, nicht aus. Es muss vielmehr, wie bereits ausgeführt, eine über das Durchschnittsmaß hinausgehende persönliche Eltern-Kind-Beziehung bestehen, die eine Seite auf die andere angewiesen sein lässt (RV 471 BlgNR 22. GP 28).

Die Beurteilung, ob eine enge, dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht, ist nach ständiger Rechtsprechung eine von den singulären Besonderheiten der beteiligten Personen geprägte Einzelfallentscheidung, deren Beurteilung letztlich in einem gewissen Ermessensspielraum des Gerichts gelegen ist und in der Regel keine erhebliche Rechtslage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG begründet (9 Ob 92/04a; 10 Ob 45/06z; RIS-Justiz RS0087008 ua). Die von der Revisionsrekurswerberin angestrebte allgemein gültige Definition der Intensität der Beziehung zwischen den an der Adoption Beteiligten ist nicht möglich (3 Ob 92/04g ua). Das Rekursgericht erachtete es in Bestätigung der abweisenden Entscheidung des Erstgerichts als nicht erwiesen, dass zwischen den Antragstellern eine ausreichend enge, dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bestanden habe. Es hat daher in Anwendung der eingangs dargestellten Rechtslage zur Erwachsenenadoption aufgrund des FamErbRÄG 2004 die jedenfalls nicht unvertretbare Entscheidung getroffen, dass die gegenständliche Adoption nicht zu bewilligen ist. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 62 Abs 1 AußStrG sind zufolge Einzelfallbezogenheit der Entscheidung nicht gegeben. Soweit die Revisionsrekurswerberin zwecks Begründung der Zulässigkeit behauptet, es läge in der gegenständlichen Frage keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, ohne allerdings in ihren diesbezüglichen Ausführungen konkrete Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, die „nicht einheitlich" sein sollen, zu benennen, ist der außerordentliche Revisionsrekurs nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0043650 ua).

Ob der Zweitantragsteller bei Abschluss des Adoptionsvertrags geschäftsfähig war, ist nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen äußerst fraglich, konnte aber vom Rekursgericht zufolge Verneinung eines engen Eltern-Kind-Verhältnisses im Sinn des § 180a Abs 1 ABGB dahingestellt bleiben. In Punkt 3. des Adoptionsvertrags wurde von den Beteiligten zwar vorgesehen, dass der Vertrag selbst dann, wenn ein Annehmender aus welchem Grund immer rechtlich nicht in der Lage sein sollte, diesen Vertrag abzuschließen, zwischen dem verbleibenden Annehmenden und dem Wahlkind aufrecht bleiben solle. Daraus ist jedoch für den Eventualantrag, die Adoption zumindest zwischen der Erst- und der Drittantragstellerin zu bewilligen, nichts zu gewinnen, weil eben auch insoweit, wie bereits ausgeführt, das Vorliegen eines ausreichend engen Eltern-Kind-Verhältnisses im Sinn des § 180a Abs 1 ABGB vom Rekursgericht vertretbar verneint wurde.

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Drittantragstellerin zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2008:0090OB00060.08A.0820.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAD-87530