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VfGH vom 20.06.1994, B1815/93

VfGH vom 20.06.1994, B1815/93

Sammlungsnummer

13789

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Ausländergrunderwerbs; Bestehen eines Zweitwohnsitzes kein Hindernis für Begründung eines weiteren Zweitwohnsitzes nach dem Sbg GVG 1986

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters die mit 15.000,- S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin, eine deutsche Staatsangehörige, erwarb mit Kaufvertrag von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Sitz in (der Stadt) Salzburg eine Eigentumswohnung in einer Wohnanlage in Seeham.

Die Grundverkehrslandeskommission Salzburg wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu diesem Kaufvertrag unter Berufung auf § 9 Abs 1 (Z3) des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1986, LGBl. 73 (im folgenden: SGVG 1986), ab.

2. Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf "freie Wohnsitzwahl" iS des Art 2 des 4. ZPEMRK geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

3. Die Grundverkehrslandeskommission hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Da der Verfassungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid nach der im Zeitpunkt seiner Erlassung geltenden Rechtslage zu beurteilen hat (s. etwa VfSlg. 7161/1973, 8804/1980, 9171/1981), ist im vorliegenden Fall das SGVG 1986 maßgebend, wenngleich an seine Stelle mit Wirkung vom das (Sbg.) Grundverkehrsgesetz 1993, LGBl. 152, getreten ist.

Die im vorliegenden Fall in erster Linie bedeutsamen Vorschriften des SGVG 1986 haben folgenden Wortlaut:

"Beschränkung des Grundverkehrs für Ausländer

§8. (1) Unbeschadet des Erfordernisses einer Zustimmung der Grundverkehrsbehörde gemäß § 2 Abs 1 bedürfen folgende Rechtsgeschäfte unter Lebenden einer Zustimmung der Grundverkehrsbehörde, wenn der Rechtserwerber ein Ausländer ist und staatsvertragliche Verpflichtungen nicht anderes bestimmen:

a) die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, Gebäude oder an Teilen hievon;

...

Voraussetzungen für die Zustimmung

§9. (1) Die Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn kein Versagungsgrund gemäß § 10 vorliegt und

1. ...

3. der Gegenstand des Rechtsgeschäftes dem Ausländer zur Begründung eines Zweitwohnsitzes dienen soll, sofern dieser in einem Zweitwohnungsgebiet (§12 Abs 1 Z 6 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977, LGBl. Nr. 26) gelegen ist und in diesem Gebiet oder in dem betreffenden Wohnobjekt noch keine Überfremdung (Abs3) besteht oder durch das Rechtsgeschäft eintritt;

..."

2. Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages auf Erteilung der Zustimmung im wesentlichen mit folgenden Ausführungen begründet:

"Im Antrag wurde ausgeführt, daß Frau W einen Zweitwohnsitz errichten will.

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens konnte festgestellt werden, daß Herr G J W, der Ehemann der Erwerberin, mit welchem die Antragstellerin in Seeham an der gemeinsamen Adresse wohnt, bereits mit grundverkehrsbehördlicher Genehmigung

Zl. GVLK-4/197-1987 eine Eigentumswohnung im Ausmaß von 92,49 m2 bewohnt. Dies geht auch aus dem, der Grundverkehrslandeskommission vorgelegten Meldezettel, ausgestellt von der Gemeinde Seeham vom , hervor.

Die Grundverkehrslandeskommission hat folgendes erwogen:

Gemäß § 9 Abs 1 Salzburger Grundverkehrsgesetz 1986 darf die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft nur erteilt werden, wenn kein Versagungsgrund gemäß § 10 vorliegt und eine gesetzliche Voraussetzung für die Zustimmung nach dem § 9 Abs 1 Ziff 1 - 5 Grundverkehrsgesetz gegeben ist. Nach den Behauptungen der Erwerberin kommt der § 9 Abs 1 Ziff 3 in Betracht.

Wie nun das Ermittlungsverfahren ergeben hat, lebt die Antragstellerin mit dem Ehegatten G J in aufrechter Ehe und sind diese am gemeinsamen Zweitwohnsitz in Seeham gemeldet. Es wurde nie behauptet, daß die Ehegatten getrennt leben. Das Salzburger Grundverkehrsgesetz stellt in seinen Voraussetzungstatbeständen auf Wohnsitznahme und nicht Erweiterung der Eigentumsverhältnisse ab. Es liegt daher rechtlich kein tauglicher Erwerbsgrund vor; sohin war spruchgemäß zu entscheiden."

3. Auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz vermag sich die Beschwerdeführerin nicht zu berufen, weil dieses nur österreichischen Staatsbürgern gewährleistet ist (s. etwa VfSlg. 10288/1984, 10993/1986).

4. In das durch Art 2 Abs 1 des 4. ZPEMRK, BGBl. 434/1969, jedermann, der sich rechtmäßig in Österreich aufhält, verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, seinen Wohnsitz frei zu wählen, wird durch den angefochtenen Bescheid offenkundig nicht eingegriffen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 7535/1975).

5. Die Beschwerdeführerin ist jedoch durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück (Gebäude, Grundstücks- oder Gebäudeteil) vom bisherigen Eigentümer an einen Ausländer wird sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber in der Ausübung privater, den Schutz des Art 5 StGG genießender Rechte beschränkt und somit ein Eingriff in das Eigentum bewirkt (s. etwa VfSlg. 6546/1971; s. auch, was den Erwerber betrifft, etwa VfSlg. 10271/1984, 10895/1986, 11689/1988). Ein Eingriff in das Eigentum ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985) verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat, ein Fall, der nur dann vorliegt, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hat, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist.

b) Der angefochtene Bescheid ist zwar weder gesetzlos ergangen noch beruht er auf einem verfassungswidrigen Gesetz (s. in diesem Zusammenhang, was die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des § 9 Abs 1 Z 3 SGVG 1986 betrifft, etwa auch ; , B856/91, , B1052/92).

Die belangte Behörde hat das Gesetz aber denkunmöglich ausgelegt. Sie vertrat der Sache nach die Auffassung, es sei im vorliegenden Fall eine der in § 9 Abs 1 Z 3 SGVG 1986 normierten - nach der Sachlage allein in Betracht kommenden -

Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung nicht gegeben, und zwar die Voraussetzung, daß die den Gegenstand des Kaufvertrages bildende Eigentumswohnung der Beschwerdeführerin zur Begründung eines Zweitwohnsitzes dienen soll. Das Vorliegen dieser Voraussetzung verneinte die belangte Behörde mit der Begründung, daß der Gegenstand des Rechtsgeschäftes nicht, wie dies durch § 9 Abs 1 Z 3 SGVG 1986 gefordert sei, der Begründung eines Zweitwohnsitzes diene, weil die Beschwerdeführerin mit der auch von ihr bewohnten, im (Allein-)Eigentum ihres Ehegatten, eines deutschen Staatsangehörigen, stehenden Eigentumswohnung bereits einen Zweitwohnsitz im Bundesland Salzburg habe.

Mit dieser Auffassung hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Zunächst ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 9 Abs 1 Z 3 SGVG 1986, daß die "Begründung eines Zweitwohnsitzes" nur im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Wohnmöglichkeit durch ein Rechtsgeschäft gesehen werden kann, das gemäß § 8 Abs 1 SGVG 1986 einer Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf. Davon kann nach den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde im Fall der Beschwerdeführerin keine Rede sein, weil sie lediglich Mitbewohnerin einer im (Allein-)Eigentum ihres Ehegatten stehenden, als Zweitwohnsitz dienenden Eigentumswohnung ist. Es ist demnach keineswegs so, daß die Beschwerdeführerin selbst den Gegenstand eines gemäß § 8 Abs 1 SGVG 1986 bewilligungspflichtigen Rechtsgeschäftes zur Begründung eines Zweitwohnsitzes verwendet hat.

Darauf kommt es aber - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - gar nicht an. Der Begriff des Zweitwohnsitzes, dem der in § 9 Abs 2 SGVG 1986 definierte Begriff des ordentlichen Wohnsitzes in § 9 Abs 1 Z 1 und 5 SGVG 1986 gegenübersteht, ist, da er im SGVG 1986 nicht definiert ist und auch den Gesetzesmaterialien (Erläuterungen zur Regierungsvorlage Nr. 237 BlgStenProtSbgLT, 1. Session der 9. GP; Bericht des Verfassungs- und Verwaltungsausschusses Nr. 318 BlgStenProtSbgLT, 2. Session der 9. GP) für seine Auslegung nichts zu entnehmen ist, iS des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 - ROG 1977, LGBl. 26, zu verstehen, auf das in § 9 Abs 1 Z 3 SGVG 1986 verwiesen wird. Wie aus § 12 Abs 1 Z 6 iVm Abs 7 ROG 1977 zu ersehen ist, dient ein Zweitwohnsitz dem nur zeitweiligen oder vorübergehenden Wohnbedürfnis. Es kommt daher bei der Prüfung des Vorliegens der in § 9 Abs 1 Z 3 SGVG 1986 umschriebenen Voraussetzungen für die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung keineswegs darauf an, ob der Antragsteller bereits einen Zweitwohnsitz im Sinne dieser Vorschrift im Gebiet des Bundeslandes Salzburg begründet hat.

Die belangte Behörde hat, indem sie dies verkannte, den angefochtenen Bescheid mit einem der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Fehler belastet und dadurch die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von 2.500,-- S enthalten.