OGH vom 11.04.2001, 9Ob60/01s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud H*****, Haushalt, *****, vertreten durch Fischer, Walla & Matt, Rechtsanwälte OEG in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Karin K*****, Industriekaufmann, *****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 307.529 sA und Feststellung (S 30.000; Gesamtstreitwert S 337.529), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 310/00w-44, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind die von den verschiedenen Institutionen und Autoren ausgearbeiteten Verhaltensvorschriften für Schifahrer wie die Bestimmungen des vom österreichischen Kuratorium für Sicherung vor Berggefahren erarbeiteten Pistenordnungsentwurfes (sogenannten POE-Regeln) oder die FIS-Regeln keine gültigen Rechtsnormen - insbesondere auch nicht Gewohnheitsrecht. Ihnen kommt aber als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Schisportes im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind und bei der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, dass sich jeder so verhalten muss, dass er keinen anderen gefährdet, erhebliche Bedeutung zu (ZVR 1983/9, ZVR 1991/55; RIS-Justiz RS0023793, RS0023410; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 1297; Schwimann/Harrer, ABGB2 VII, § 1295 Rz 79). Bevor Überlegungen der Revisionswerberin zur Anwendung einzelner Pistenregeln und Fragen der Beweislast die Qualität erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommen kann, müssen - wie die Vorinstanzen richtig erkannten - zunächst der Unfallhergang und die kausalen Verhaltensweisen der Beteiligten feststehen; erst dann ist eine Beurteilung der Rechtswidrigkeit, des Verschuldens und der Schadenstragung möglich. Der mit der Sportausübung verbundenen Gefährdung fehlt die Rechtswidrigkeit, wenn die der betreffenden Sportart eigenen Regeln eingehalten werden. Diese Beurteilung ist Tat- und nicht Rechtsfrage (SZ 26/255; Mahler-Hutter, WR 1993 H 30, 15).
Nach ständiger Rechtsprechung trifft die Behauptungs- und Beweislast für Tatumstände, aus denen ein die Haftung begründendes Verschulden des Schädigers an der Zufügung eines Schadens abgeleitet wird, denjenigen, der seinen Anspruch darauf stützt, sodass sämtliche in diesem Punkt verbleibende Unklarheiten zu seinen Lasten gehen, wobei dies auch für den Beweis des Kausalzusammenhangs und der Rechtswidrigkeit des Verhaltens gilt (ZVR 1985/153; ZVR 1990/83; 4 Ob 299/98v ua; RIS-Justiz RS0037797).
Nach den bindenden (positiven und negativen) Feststellungen der Vorinstanzen ist der Hergang des gegenständlichen Schiunfalles in wesentlichen Punkten nicht mehr rekonstruierbar. Soweit die Revisionswerberin meint, alle drei vom Erstgericht als möglich angesehenen Unfallvarianten würden ein Fehlverhalten der Beklagten - nämlich einen Verstoß gegen FIS-Regel Nr 3 (bzw § 8 POE) als hangobere Schifahrerin - begründen, so ist dem entgegenzuhalten, dass dies auf die dritte, ebenfalls mögliche Unfallsvariante gerade nicht zutrifft. Hiezu hat das Erstgericht nämlich festgestellt, es sei ebenso möglich, dass die Klägerin der Beklagten, ohne sich über den Nachfolgeverkehr auf der Piste zu vergewissern, in die Quere gekommen sei, wobei dies in einer Phase erfolgt sei, wo die Beklagte schon so knapp heran gewesen sei, dass sie keinen erfolgversprechenden Ausweichschwung mehr habe machen können. Diese dritte Variante indiziert aber - was die Revisionswerberin stillschweigend übergeht - einen Verstoß der Klägerin, gegen FIS-Regel Nr 5, wonach jeder Schifahrer, der in eine Schiabfahrt einfahren oder nach einem Halt wieder anfahren will, sich nach oben und unten vergewissern muss, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann, während der Beklagten nach dieser Unfallvariante kein Fehlverhalten vorzuwerfen wäre, da bei einem kontrollierten Überholen oder Vorbeifahren, welches grundsätzlich von allen Seiten erlaubt ist (vgl FIS-Regel Nr 4, § 9 POE), in der Regel die Einhaltung eines Abstandes von 2-3 m ausreicht (ZVR 1999/4).
Lassen aber die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen wie im vorliegenden Fall die Möglichkeit offen, dass die Klägerin ihrerseits den Unfall durch Verletzung von Pistenregeln verursacht hat, so ist das Klagebegehren schon wegen der die Klägerin treffenden Beweislast für alle für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen abzuweisen, ohne dass es einer weiteren Auseinandersetzung mit anderen, für die Klägerin günstigeren Unfallvarianten bedürfte, die jedoch nicht ausschließlich feststehen (3 Ob 545/94, 4 Ob 299/98v). Eine erhebliche, für die Lösung des Falles notwendige Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO wird daher von der Revisionswerberin nicht aufgezeigt.