VfGH vom 10.06.1999, B1809/97
Sammlungsnummer
15507
Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal durch Entscheidungen des Vergabekontrollsenates (VKS) angesichts der Verquickung der Agenden des VKS mit Agenden der Vergabe von Aufträgen durch die Stadt Wien; Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung von Anträgen auf Widerruf einer Ausschreibung wegen Unzuständigkeit des VKS mangels Vorlage der Frage der Interpretation einer Bestimmung der allgemeinen Rechtsmittelrichtlinie zur Vorabentscheidung an den EuGH
Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bescheide in ihrem durch Art 6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal und durch die Bescheide vom , Z MD BD - 2510/97 VKS, sowie vom , Z MD BD - 2990/97 VKS, auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Das Land Wien ist verpflichtet, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Durch den als Auftraggeber auftretenden "Magistrat der Stadt Wien - Wiener Krankenanstaltenverbund" wurde die "Durchführung der Projektleitung bei der Realisierung der strategischen Gesamtkonzeption für die Speisenversorgung in den Einrichtungen des Wiener Krankenanstaltenverbundes" im Supplement des Amtsblattes der EG vom und im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom in einem offenen Verfahren ausgeschrieben. Nach Einlangen von Anboten (u.a. jenem der nunmehr beschwerdeführenden Gesellschaft) wurde innerhalb der vorgesehenen Zuschlagsfrist das Vergabeverfahren "aus zwingenden Gründen gemäß § 32 Abs 3 Z 1 WLVergG" widerrufen, was der beschwerdeführenden Gesellschaft mit Schreiben vom ohne Angabe einer näheren Begründung mitgeteilt wurde.
2. In der Folge begehrte die beschwerdeführende Gesellschaft beim Vergabekontrollsenat beim Amt der Wiener Landesregierung
(VKS)
a) mit Schriftsatz vom die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie die Nichtigerklärung näher bezeichneter, von ihr als diskriminierend und rechtswidrig angesehener Ausschreibungsunterlagen und
b) mit Schriftsatz vom aus näher dargelegten Gründen die Nichtigerklärung des Widerrufs der Ausschreibung.
c) In einer Ergänzung des unter b) genannten Antrags vom brachte die beschwerdeführende Gesellschaft weitere Gründe vor, die ihrer Auffassung nach die Rechtswidrigkeit des erfolgten Widerrufs der Ausschreibung dartun, und begehrte (neuerlich) dessen Nichtigerklärung.
3. Der VKS wies die Anträge mit Bescheiden vom (betreffend die unter 2.a) und b) genannten Eingaben) und vom (betreffend die unter 2.c) dargestellte Eingabe) zurück:
a) Dem Antrag vom sei durch den Widerruf der Ausschreibung die Grundlage entzogen. Da im Zeitpunkt der Entscheidung des VKS ein Vergabeverfahren bei der ausschreibenden Stelle nicht mehr anhängig sei, fehle es der Antragstellerin an einem zur meritorischen Behandlung ihres Antrages erforderlichen Rechtsschutzinteresse.
b) Den Antrag vom auf Nichtigerklärung des Widerrufs hielt der VKS im Hinblick auf § 101 des Wiener Landesvergabegesetzes, LGBl. 36/1995, (WLVergG) für unzulässig, da nach dieser Bestimmung nicht alle im Zuge eines Vergabeverfahrens erangenen rechtswidrigen Entscheidungen, sondern nur bestimmte, in § 101 taxativ aufgezählte Entscheidungen für nichtig erklärt werden könnten.
c) Die Ergänzung des Antrages durch die beschwerdeführende Gesellschaft vom wertete der VKS als neuen Antrag und wies ihn mit Bescheid vom aus denselben Gründen zurück, die schon für seine Entscheidung zum Antrag vom maßgeblich waren.
4. Gegen diese Bescheide richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der "die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, des Gleichheitsgrundsatzes, des Grundsatzes der Trennung von Justiz und Verwaltung sowie der Garantie eines fairen Verfahrens" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. VfSlg. 15014/1997) - Beschwerde erwogen:
1. a) Entscheidungen in Vergabeverfahren und dementsprechend auch Entscheidungen der Vergabekontrollinstanzen betreffen in der Regel "civil rights" im Sinne des Art 6 EMRK (vgl. Thienel, Vergabekontrollkommission und Vergabeamt nach dem BundesvergabeG, ÖZW 1993, 65 ff., insb. 66, FN 17, und aus der Judikatur etwa VfSlg. 15106/1998). Diese Bestimmung verlangt, daß in Angelegenheiten, die als "civil rights" zu qualifizieren sind, ein unabhängiges und unparteiisches Tribunal tätig wird. Der Verfassungsgerichtshof hat dazu in Kongruenz mit der Judikatur des EGMR mehrfach ausgesprochen, daß ein Tribunal derart zusammengesetzt sein muß, daß keine berechtigten Zweifel an der Unabhängigkeit seiner Mitglieder entstehen; bei dieser Beurteilung ist auch der äußere Anschein von Bedeutung (vgl. etwa VfSlg. 10701/1985, 11131/1986, 12074/1989, 14565/1996, alle auch mit entsprechenden Hinweisen auf die Judikatur des EGMR).
b) Diesen Anforderungen wurde der VKS jedenfalls zum Zeitpunkt, als er die bekämpften Bescheide zu erlassen hatte, nicht gerecht. Denn im Hinblick auf den äußeren Anschein konnten angesichts der organisatorischen Stellung des VKS Zweifel an der vollständigen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Kontrollorgans entstehen. Dafür ist insbesondere die Zuordnung des VKS zur Stadtbaudirektion, die ihrerseits in großem Ausmaß mit der Vergabe von Aufträgen durch die Stadt Wien befaßt ist, und die gemeinsame Führung der Geschäfte des VKS mit der Führung des - in allen Vergabeverfahren der Stadt heranzuziehenden - Auftragnehmerkatasters der Stadt Wien, in dem die verschiedenen für die Beurteilung der Eignung von Bietern relevanten Daten gesammelt und bestimmte Bieter betreffende Vormerkungen enthalten sind, von Bedeutung: Die Geschäfte des VKS wurden im Rahmen der Stadtbaudirektion geführt, was auch in den Aktenzahlen zum Ausdruck kommt (so tragen die bekämpften Bescheide die Zahl MD
(= Magistratsdirektion) BD (= Baudirektion) Zahl/Jahr VKS
(= Vergabekontrollsenat)). Die Geschäftsstelle des VKS war eine Gliederung der Stadtbaudirektion, und der Leiter der Geschäftsstelle des VKS, der in den Verfahren, die zur Erlassung der bekämpften Bescheide geführt haben, als Geschäftsstellenleiter an der Beratung des VKS teilgenommen hat, war auch mit der Führung des Auftragnehmerkatasters der Stadt Wien betraut (vgl. Österreichischer Amtskalender 1997/98, 787 f.) und als solcher dem Stadtbaudirektor gegenüber weisungsgebunden; in der Folge wurde die Geschäftsstelle sogar mit der Führung des Auftragnehmerkatasters vereint (vgl. Österreichischer Amtskalender 1998/99, 867).
Schon allein angesichts dieser Umstände kann nicht mehr davon die Rede sein, daß vom äußeren Anschein her Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Kontrollorgans nicht entstehen konnten. Da die Fragen, über die der VKS in den vorliegenden Fällen entschieden hat, "civil rights" jener Bieter betreffen, die am Vergabeverfahren teilgenommen haben, ist dieser Mangel verfassungsrechtlich relevant. Dieser Verfassungsverstoß ist nicht dem Gesetz zur Last zu legen, da die gesetzlichen Bestimmungen die Verquickung der Führung der Agenden des VKS mit Agenden der Vergabe von Aufträgen durch die Stadt keineswegs verlangt, ja nicht einmal nahelegt. Der festgestellte Verfassungsverstoß ist daher der Vollzugssphäre anzulasten.
c) Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde daher durch die angefochtenen Bescheide in ihrem aus Art 6 EMRK abzuleitenden Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal verletzt.
2. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 14390/1995, 14889/1997) verletzt der Bescheid einer Verwaltungsbehörde unter anderem dann das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, wenn die bescheiderlassende Behörde als Gericht im Sinne des Art 234 Abs 3 (früher: 177 Abs 3) EGV eingerichtet ist und es verabsäumt, eine entscheidungsrelevante Frage der Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Ein solcher Fehler ist dem VKS bei Erlassung der oben unter Pkt. I.3.b) und c) geschilderten Bescheide unterlaufen.
Angesichts der Entscheidungen des EuGH Slg. 1997, I-4961 (Dorsch-Consult) und vom , Rs C-103/97 (Köllensperger) geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß der VKS als vorlagepflichtiges Gericht im Sinne des Art 234 Abs 3 (früher: 177 Abs 3) EGV zu qualifizieren ist, und zwar ungeachtet des Umstandes, daß er - wie unter Pkt. II.1. näher begründet wurde - den strengen Anforderungen, die nach Art 6 EMRK an ein Tribunal im Sinne dieser Vorschrift zu stellen sind, bei Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht entsprochen hat.
b) In den vorliegenden Verfahren hatte der VKS die Frage zu prüfen, ob die Entscheidung des Auftraggebers, eine Ausschreibung zu widerrufen, eine bei ihm bekämpfbare Entscheidung ist oder ob er zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Widerrufsentscheidung unzuständig ist. Er entschied sich für die zweite Alternative und begründete dies im wesentlichen wie folgt:
Gemäß § 99 WLVergG sei der VKS auf Antrag in einem Nachprüfungsverfahren bis zum Zeitpunkt des erfolgten Zuschlags zur Beseitigung von Rechtsverstößen iSd § 101 leg.cit. sowohl zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen wie zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der vergebenden Stelle des Auftraggebers zuständig. In § 101 leg.cit. sei aber die Möglichkeit der Nichtigerklärung des Widerrufs nicht ausdrücklich vorgesehen. Angesichts dieser Rechtslage fehle dem VKS für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Aufhebung einer Ausschreibung die Zuständigkeit. Bedenken ob der Gemeinschaftsrechtskonformität dieser Interpretation wurden bei der Beratung im Verfahren MD BD - 1614/97 VKS zwar erwogen, doch im Hinblick darauf verworfen, daß jene Bestimmung der allgemeinen Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG idF 92/50/EWG (RMRL), die die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen im Vergabeverfahren postuliert, nicht unmittelbar anwendbar sei.
c) § 99 WLVergG lautet:
"Zuständigkeit des Vergabekontrollsenates
§99. (1) Der Vergabekontrollsenat ist auf Antrag in einem Nachprüfungsverfahren nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zuständig:
1. bis zum Zeitpunkt des erfolgten Zuschlages zur Beseitigung von Rechtsverstößen im Sinne des § 101 zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der vergebenden Stelle des Auftraggebers;
2. nach erfolgtem Zuschlag zur Feststellung, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Landesgesetz im Sinne der §§47 und 48 Abs 2 der Zuschlag nicht dem Antragsteller als Bestbieter erteilt wurde. In einem solchen Verfahren ist der Vergabekontrollsenat ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers festzustellen, ob einem übergangenen Bewerber oder Bieter auch ohne die festgestellte Rechtsverletzung der Zuschlag nicht erteilt worden wäre.
(2) Der Vergabekontrollsenat hat ein Nachprüfungsverfahren nur insoweit durchzuführen, als die Entscheidung, deren Rechtswidrigkeit behauptet wird, für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluß ist."
Der in dieser Bestimmung verwiesene § 101 hat folgenden Wortlaut:
"Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des
Auftraggebers
§ 101. Der Vergabekontrollsenat hat im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene Entscheidungen eines Auftraggebers für nichtig zu erklären, wenn
1. in der öffentlichen Bekanntmachung, in der Unternehmer aufgefordert werden, sich an einem nicht offenen Verfahren oder an einem Verhandlungsverfahren zu bewerben, oder in den Ausschreibungsunterlagen diskriminierende Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale oder hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit enthalten waren,
2. ein Bewerber entgegen den Kriterien in der öffentlichen Bekanntmachung, in der Unternehmer aufgefordert wurden, an einem nicht offenen Verfahren oder an einem Verhandlungsverfahren teilzunehmen, abgelehnt wurde und der Auftraggeber bei Einhaltung der außer Acht gelassenen Vorschriften zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis kommen könnte."
d) Es besteht nun Grund zur Annahme, daß die Begrenzung der der Überprüfung durch den VKS zugänglichen Entscheidungen durch § 101 WLVergG in Widerspruch zur gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe der allgemeinen Rechtsmittelrichtlinie steht. Nach deren Art 2 Abs 1 haben die Mitgliedstaaten unter anderem sicherzustellen, daß für die Nachprüfungsverfahren
"die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden,
a) damit so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören Maßnahmen, um das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen oder Maßnahmen der Durchführung jeder sonstigen Entscheidung der öffentlichen Auftraggeber;
b) damit die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in den Ausschreibungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlaßt werden kann;
c) damit denjenigen, die durch den Rechtsverstoß geschädigt worden sind, Schadenersatz zuerkannt werden kann."
Die Frage, ob die Entscheidung über die Aufhebung einer Ausschreibung, also der Widerruf der Ausschreibung, eine Entscheidung ist, von der Art 2 Abs 1 litb RMRL verlangt, daß sie im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufgehoben werden kann, ist für die Anwendung der Vorschriften über die Zuständigkeit des VKS von Bedeutung. Denn wäre die gestellte Frage zu bejahen, könnte eine den Anwendungsvorrang der maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Regelung wahrende oder eine gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation (vgl. dazu VfSlg. 14391/1995) der Zuständigkeitsregelungen des WLVergG, insbesondere der Z 1 des § 99 Abs 1 dieses Gesetzes, die Annahme der Zuständigkeit des VKS auch zur Überprüfung der Entscheidung über den Widerruf der Ausschreibung tragen. Dies im Lichte der bereits zitierten Entscheidung des EuGH in der Rs Dorsch-Consult, in der der Gerichtshof zum Ausdruck brachte, daß die Erfordernisse einer der Richtlinie entsprechenden Auslegung des nationalen Rechts und eines effektiven Schutzes der Rechte des einzelnen, dem nationalen Gericht gebieten, zu prüfen, ob dem einzelnen aufgrund der einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts eine entsprechende Rechtsschutzmöglichkeit gewährt werden kann. In diesem Zusammenhang verweist der Verfassungsgerichtshof auf eine - zur früheren Rechtslage auf Bundesebene ergangene - Entscheidung des Bundesvergabeamtes (Bescheid vom , Z N-7/96), in dem dieses zur Auffassung gelangte, daß einer Interpretation der einschlägigen Vorschriften des BVergG, die den Widerruf der Ausschreibung nicht als Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wertet, "schon Art 2 Abs 1 litb der Rechtsmittelrichtlinie entgegen(steht), der in Verbindung mit Art 2 Abs 6 voraussetzt, daß bis Vertragsschluß jede rechtswidrige Entscheidung öffentlicher Auftraggeber aufgehoben werden kann".
Die Frage, ob der Widerruf einer Ausschreibung eine Entscheidung iSd Art 2 Abs 1 litb RMRL ist, wäre daher für den VKS bei Erlassung der unter Punkt I.3.b) und c) geschilderten Bescheide entscheidungsrelevant gewesen. Sie zu klären, ist im Rahmen des dualen Rechtsschutzsystems des Gemeinschaftsrechts Sache des EuGH. Da die Frage bisher vom EuGH auch noch nicht entschieden ist, wäre der VKS verpflichtet gewesen, sie dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Da somit der VKS entgegen der Anordnung des Art 234 Abs 3 EGV eine vorlagepflichtige Frage der Interpretation des Gemeinschaftsrechts dem EuGH nicht zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, hat er die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
3. Die Bescheide waren daher aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,-- enthalten.
5. Die Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.