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OGH vom 12.04.1988, 10ObS149/87

OGH vom 12.04.1988, 10ObS149/87

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rupert Dollinger (Arbeitgeber) und Franz Riepl (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eduard E***, Hauptplatz 13, 2563 Pottenstein, vertreten durch Dr. Viktor Wolczik, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei P*** DER

A***, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ. 33 Rs 104/87-73, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteiel des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Niederösterreich in Wien vom , GZ. 2 C 138/84-65 (nunmehr 4 Cgs 12/87 des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes), abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Invaliditätspension ab. In der dagegen erhobenen Klage begehrt der Kläger (nach Klagseinschränkung) die Zuerkennung einer Invaliditätspension ab . Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger vom bis eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen und wies das Mehrbegehren auf Gewährung einer Invaliditätspension auch für den Monat Dezember 1984 und für den Zeitraum ab dem ab. Es stellte fest, daß der am geborene Kläger den Beruf eines Maurers erlernt und in den letzten 15 Jahren vor Antragstellung auch überwiegend ausgeübt hat. Bis Ende Mai 1986 war der Kläger noch in der Lage, mittelschwere, kurzfristig auch schwere Arbeiten ohne Haltungseinschränkungen während der normalen Arbeitszeit bei Einhaltung der üblichen Pausen zu verrichten. Ausgeschlossen waren nur Arbeiten an exponierten Stellen oder rotierenden Maschinen. Er war bis zu diesem Zeitpunkt umstellbar, die Fingerfertigkeit für grob manuelle Arbeiten war erhalten. Seit ist der Kläger auf Grund verstärkten Alkoholmißbrauches, der dadurch ausgelösten Schwindelzustände und alkoholbedingten Polyneuropathie zu keiner geregelten Arbeit mehr fähig. Dieser Zustand wäre bei ihm zumutbarer und zu fordernder Alkoholabstinenz bis zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit als Maurer besserungsfähig. Auch die Einschränkung des Leistungskalküls hinsichtlich von Arbeiten an exponierten Stellen würden dann wegfallen. Eine solche Besserung wäre innerhalb eines halben Jahres bei strikter Alkoholabstinenz zu erwarten. Rechtlich leitete das Erstgericht aus diesem Sachverhalt ab, der Kläger sei bereits ab Antragstellung invalide im Sinne des § 255 Abs 1 ASVG, weil ihm schon seit diesem Zeitpunkt keine Beschäftigung in seinem erlernten Beruf mehr möglich gewesen sei. Die in der Vergangenheit vom Kläger nicht genützte Besserungsfähigkeit seiner nur durch den Alkoholmißbrauch hervorgerufenen gesundheitlichen Beeinträchtigung könne ihm in Ermangelung eines Versagungsparagraphen im ASVG nicht angelastet werden. Wegen der relativ langen Verfahrensdauer falle dem Kläger auch die ihm zumutbare Abstandnahme vom Alkoholmißbrauch und die damit verbundene Besserung seines Leistungsvermögens nicht zur Last. Die Invalidität des Klägers sei aber als vorübergehend zu beurteilen, weil sein Zustand bis zur Wiedererlangung der vollen Leistungsfähigkeit innerhalb eines halben Jahres besserungsfähig sei, sodaß ihm die begehrte Pension erst ab der 27. Woche ab Eintritt der Invalidität (das ist der ) zustehe und mit dem voraussichtlichen Eintritt der Besserung mit zu befristen sei. Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsabweisenden Teil dieses Urteiles gerichteten Berufung des Klägers keine Folge, wohl aber der gegen den klagestattgebenden Teil gerichteten Berufung der beklagten Partei und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab zu bezahlen, abwies. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte rechtlich aus, die Zuerkennung einer befristeten Invaliditätspension falle als Ermessensentscheidung des Versicherungsträgers in dessen ausschließliche Kompetenz, während die Schiedsgerichte der Sozialversicherung (und nunmehr die Arbeits- und Sozialgerichte) nach dem Gesetz auf Entscheidungen beschränkt seien, mit denen unbedingt und eindeutig umschriebene Leistungsansprüche eingeräumt werden, bei deren Zuerkennung kein Ermessensspielraum bestehe.

Nach § 255 Abs 1 ASVG gelte ein Versicherter als invalide, wenn seine Arbeitsfähigkeit infolge eines (richtig seines) körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte desjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten......ähnlicher Ausbildung herabgesunken sei. "Infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes" bedeute eine zeitlich über die Dauer des Krankenstandes hinausgehende Minderung der Leistungsfähigkeit infolge Erkrankung, eines Gebrechens oder infolge gewisser Abnützungserscheinungen, vor allem infolge Alters. Alkoholismus müsse bei der Beurteilung der Invalidität erst dann berücksichtigt werden, wenn er den Grad einer unbeherrschbaren Süchtigkeit erreicht habe. So lange das Verlangen nach Alkohol psychisch noch beherrschbar sei, somit noch nicht den Grad einer Krankheit erreicht habe, sei ein dadurch hervorgerufener Zustand von untergeordneter Bedeutung. Es müsse von einem Versicherten gefordert werden, seine ganze Willenskraft aufzubieten, um den Wunsch nach Alkoholkonsum zu unterbinden. Da der Kläger diese freie Willensentscheidung noch aufzubringen in der Lage sei, beruhe seine Leistungsminderung nicht auf einem Zustand im Sinne des § 255 ASVG. Der Kläger sei daher nicht invalide.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Soweit der Revisionswerber davon ausgeht, er leide an einer vollkommen unbeherrschbaren Alkoholsucht, weicht er von den Feststellungen ab. Die Beweiswürdigung kann auch in Sozialrechtssachen in der Revision nicht bekämpft werden. Nach den Feststellungen wäre ihm die erforderliche Willenskraft zur Alkoholabstinenz psychisch noch zumutbar und möglich, selbst noch nachdem sich sein Zustand im Zuge des langen Verfahrens, weil der Kläger diese Anstrengung nicht unternommen hat, verschlechterte. Die Wiederherstellung seiner Leistungsfähigkeit ist innerhalb eines halben Jahres, also innerhalb eines Zeitraumes, der nicht einmal eine befristete Zuerkennung einer Invaliditätspension durch den Versicherungsträger rechtfertigen würde, ohne zurückbleibende gesundheitliche Schäden so weit möglich, daß er seine Tätigkeit als Maurer wieder aufnehmen könnte. Ein solcher bei Aufbieten großer Anstrengung noch beherrschbarer Fall von chronischem Alkoholismus ist von jenem zu unterscheiden, bei welchem der Alkoholabusus bereits zu einer abnormen Persönlichkeitsstruktur, zu einer unbeherrschbaren Sucht geführt hat, die eine willensmäßige Beeinflussung und eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ausschließt.

Es trifft zwar zu, daß es in den Sozialversicherungsgesetzen keine generelle, allgemeine Verwirkungsbestimmung gibt, doch läßt sich abgeleitet aus einer Vielzahl von Einzelregelungen auch auf das Sozialversicherungsrecht der im Schadenersatzrecht entwickelte Grundsatz der Schadenminderungspflicht - mit den durch die Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Verhältnisses gegebenen Einschränkungen - übertragen. Verschiedene Vorschriften der Sozialversicherungsgesetze normieren Mitwirkungs- und Duldungspflichten des Leistungsempfängers, die die ordnungsgemäße Abwicklung des sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnisses sicherstellen sollen. Die Mitwirkungspflichten (so Meldungen, Auskünfte, Mitwirkungen bei Rehabilitationsmaßnahmen) können nicht direkt erzwungen werden, sie stellen sich aber als Obliegenheiten dar, bei deren Verletzung bestimmte Sanktionen eingreifen, die zu einer Störung des Versicherungs- bzw. Leistungsverhältnisses führen. Duldungspflichten verlangen vom Versicherten, sich bestimmten ärztlichen Untersuchungen oder Heilbehandlungen zu unterziehen. Diese haben den Zweck, das durch die Sozialversicherung zu tragende Risiko möglichst gering zu halten. Sie können damit als Ausdruck des auch im Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben angesehen werden, die es dem Leistungsempfänger gebieten, die Interessen der Sozialversicherung - und damit die Interessen der anderen Versicherten - in zumutbarer Weise zu wahren. Den Mitwirkungs- und Duldungspflichten sind aber gewisse Schranken gesetzt. Duldung kann vor allem nur verlangt werden, wenn dadurch die Chance besteht, ein von der Versicherungsgemeinschaft zu tragendes Risiko zu verringern und ein Heilverfahren oder ein ärztlicher Eingriff dem Versicherten zumutbar ist (Schrammel in Tomandl-System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes 155 f; vgl auch Schrammel, Die Pflicht zur Duldung von Heilverfahren in der Sozialversicherung, ZAS 1972, 48 f).

So steht gemäß § 88 Abs 1 ASVG dem Versicherten ein Anspruch auf Geldleistungen dann nicht zu, wenn der Versicherungsfall durch Selbstbeschädigung vorsätzlich herbeigeführt wurde oder der Versicherungsfall durch die Verübung eines Verbrechens vom Versicherten veranlaßt und der Versicherte mit rechtskräftigem Strafurteil schuldig erkannt wurde. Trotz Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale, die für das Entstehen des Leistungsanspruches gemäß § 85 ASVG erforderlich sind, entsteht ein solcher Anspruch auf alle im ASVG vorgesehenen Geldleistungen nicht. § 142 ASVG versagt das Krankengeld für eine Krankheit, die sich der Versicherte durch schuldhafte Beteiligung an einem Raufhandel zugezogen hat oder die sich als unmittelbare Folge der Trunkenheit oder des Mißbrauches von Suchtgiften erweist. Sehr deutlich wird auf die Mitwirkungs- und Duldungspflichten des Versicherten in § 144 Abs 2 ASVG Bezug genommen. Danach ist der Erkrankte verpflichtet, sich unter anderem einer Anstaltspflege zu unterziehen, wenn die Art der Krankheit eine Behandlung oder Pflege erfordert, die bei häuslicher Pflege nicht gewährleistet ist, oder wenn das Verhalten oder der Zustand des Erkrankten seine fortgesetzte Beobachtung erfordert. Die Verletzung dieser Verpflichtung berechtigt den Versicherungsträger gemäß § 143 Abs 6 ASVG, das Krankengeld auf Dauer oder für eine bestimmte Zeit zur Gänze oder teilweise ebenso ruhend zu stellen, wie wenn der Versicherte einer Ladung zum Kontrollarzt ohne wichtigen Grund nicht Folge leistet. In der Unfallversicherung können nach § 197 ASVG einem Versicherten die Versehrtenrente und allfällige Zuschüsse auf Zeit ganz oder teilweise versagt werden, wenn er eine die Unfallheilbehandlung oder die Krankenbehandlung betreffende Anordnung ohne triftigen Grund nicht befolgt.

An dem aus diesen Bestimmungen ableitbaren allgemeinen Grundsatz, daß der Versicherte die Interessen der Sozialversicherungsanstalt und damit auch der anderen Versicherten in zumutbarer Weise zu wahren hat, will er seine Ansprüche nicht verlieren, änderte auch die 32.ASVG-Novelle BGBl 1976/704 nichts. Hiedurch wurden anläßlich der umfassenden Neuregelung des gesamten Rehabilitationswesens die bis dahin möglichen Zwangsmaßnahmen bei der Gewährung eines Heilverfahrens und damit von Maßnahmen der Rehabilitation beseitigt, weil ein Zwang zur Rehabilitation in der Regel eine Aussichtslosigkeit bedeutet. Nur die Einsicht des Behinderten, die Rehabilitation sei für ihn die vorteilhaftere Maßnahme, gewährleiste den Erfolg der Rehabilitation. Die Gewährung der Maßnahmen der Rehabilitation seien nur dann berechtigt, wenn der Behinderte durch seine Behinderung aus seiner Lebensbahn geworfen wurde oder nicht mehr in der Lage sei, einen ihm angemessenen Platz in der Gemeinschaft einzunehmen. Eine aufgabengerechte Rehabilitation müsse daher vor der Zuerkennung einer Pension beginnen. Dies bedeute, daß eine Pension aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit in den in Frage kommenden Fällen nur gewährt werden solle, wenn der Behinderte von der Rehabilitation keinen Gebrauch machen wolle oder die Rehabilitation keinen Erfolg habe. Daraus ergebe sich die Konsequenz, die meist mit großen Kosten verbundene Rehabilitation der Pensionsversicherungsträger nicht auch in bezug auf künftige Pensionsbezieher aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit auszuweiten (181 BlgNR 14.GP, 43 und 47). Selbst bei weiter Auslegung der in § 300 Abs 2 ASVG enthaltenen Definition eines Behinderten ("Versicherte gelten als behindert, wenn sie infolge eines Leidens oder Gebrechens ohne Gewährung von Maßnahmen der Rehabilitation die besonderen Voraussetzungen für eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit wahrscheinlich erfüllen oder in absehbarer Zeit erfüllen werden, vorwiegend altersbedingte Leiden und Gebrechen gelten nicht als Leiden und Gebrechen im Sinne dieses Absatzes") ergibt sich aus dem oben Gesagten, der Verwendung des Wortes "Behinderter" - in der Regierungsvorlage wird mehrfach auch von "Versehrten" gesprochen - und dem Zweck der Rehabilitation, daß der Gesetzgeber mit den einer Rehabilitation zu unterziehenden "Leiden und Gebrechen" nur solche gemeint hat, die durch über eine normale Heilbehandlung hinausgehende spezielle Maßnahmen oder Behandlungen voraussichtlich zu einer beruflichen und sozialen Eingliederung des Versehrten führen sollen und nicht schon allein durch Willenskraft, sei es auch unterstützt durch ärztliche Behandlung, behoben werden können. Schließlich mag es sicher richtig sein, daß für den Erfolg der Rehabilitation die positive Einstellung des Versicherten notwendig ist; dies wird insbesondere bei Maßnahmen der beruflichen oder sozialen Rehabilitation gelten, für den Erfolg einer medizinischen Rehabilitation ist sie wohl nicht notwendige Voraussetzung. Die einzelnen Rehabilitationsmaßnahmen sind so unterschiedlich strukturiert, daß auch die Zustimmung zur Einleitung dieser Maßnahmen unterschiedlich gewichtet werden muß. Wo das Ziel der Rehabilitation, die Leistungsfähigkeit des Behinderten so weit herzustellen, daß er im beruflichen Leben einen ihm angemessenen Platz einnehmen kann, mit einfachen Mitteln erreichbar ist, muß die Vereitelung des Erfolges durch den Behinderten Konsequenzen haben (Schrammel in Tomandl, Die Minderung der Leistungsfähigkeit im Recht der Sozialversicherung, S 70). Sind die Rehabilitationsmaßnahmen einmal eingeleitet, dann können jedenfalls gemäß § 307 b ASVG dem Behinderten eine ihm gebührende Pension und allfällige Zuschläge, Zuschüsse und Zulagen ganz oder bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände teilweise versagt werden, wenn sich der Behinderte den zumutbaren medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation entzieht oder deren Zweck vereitelt oder gefährdet. Auch die deutsche Judikatur und Lehre (Brackmann Handbuch der Sozialversicherung I/1 80 c, 80 c I mwN) führen aus, daß das Sozialstaatsprinzip insbesondere durch die Ermächtigung und den Auftrag des Staates zur Gestaltung der sozialen Ordnung mit den Zielen der Herstellung und Wahrung sozialer Gerechtigkeit sowie der Verwirklichung des Schutzes durch soziale Sicherung gekennzeichnet ist, dieses Sozialstaatsprinzip aber nicht nur als leistungsbegründend verstanden werden darf, sondern auch soziales Verhalten des Einzelnen gegenüber der Gesamtheit erfordert. Mit dem Recht auf öffentliche Sozialleistungen ist grundsätzlich im Rahmen des Zumutbaren die Pflicht zur Abwendung oder Minderung des die Leistungen begründenden "Schadens" verbunden. Daraus ergeben sich auch Mitwirkungspflichten, Nebenpflichten des Leistungsberechtigten. Der Versicherte ist grundsätzlich verpflichtet, nach Kräften dazu beizutragen, den Versicherungsträger vor vermeidbarem, versicherungsrechtlichem Schaden zu bewahren.

Nach § 63 SGB I soll sich derjenige, welcher wegen Krankheit oder Behandlung Sozialleistungen beantragt oder erhält, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers einer Heilbehandlung unterziehen, wenn zu erwarten ist, daß sie eine Besserung seines Gesundheitszustandes herbeiführen oder eine Verschlechterung vermindern wird. Die Pflicht, sich einer erfolgversprechenden zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen, ist (anders als bei bestimmten Rehabilitationsmaßnahmen) auch im deutschen Recht wie auch andere Mitwirkungspflichten nicht ausdrücklich umschrieben. Die Pflicht zur Duldung entsprechender Maßnahmen und die Mitwirkung bei deren Durchführung nach besten Kräften wird jedoch bejaht (Brackmann aaO 80 e II, 80 f).

Zusammenfassend ist daher von jedem Versicherten im Interesse der Gemeinschaft zu fordern und ihm auch zuzumuten, eine notwendige Krankenbehandlung, die zu einer Heilung und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit führen würde, auch durchzuführen, sofern dies nicht mit unzumutbaren Gefahren für den Patienten verbunden ist, also sich unter ärztlicher Leitung beispielsweise einer Alkoholentziehungskur zu unterziehen. Bei einer solchen Vorgangsweise ist auch ein lückenloser Versicherungsschutz gewährleistet, weil zumindest bis zur Dauer von 26 Wochen ein Anspruch auf Krankengeld besteht (§ 139 ASVG) und bei voraussichtlich längerer Heilungsdauer, aber nur dann, die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer vorübergehenden Invaliditätspension gegeben wären. Da nach den Feststellungen die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Klägers in einem Umfang, daß er seine Tätigkeit als Maurer wieder aufnehmen könnte, innerhalb eines halben Jahres möglich wäre, also innerhalb jenes Zeitraumes, der noch in den Rahmen eines Krankenstandes fällt und daher auch die Zuerkennung einer vorübergehenden Invaliditätspension noch nicht zuläßt, war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.