OGH vom 23.09.2008, 10Ob59/08m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bankhaus D***** AG, *****, vertreten durch Dr. Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Gerhard K*****, vertreten durch Dr. Roland Deissenberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5.159,04 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 34 R 69/07k-39, mit dem über Rekurs der beklagten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 37 C 1800/04p-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.216,28 EUR (davon 202,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte mit ihrer am beim Erstgericht eingebrachten Klage die Zahlung von 7.684,34 EUR sA. Der Beklagte schulde ihr diesen Betrag aus gewährtem Kredit. Bei Vertragsabschluss habe der Beklagte in Österreich gewohnt. Das Erstgericht sei als örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden. In der Klage wurde nur eine deutsche Adresse des Beklagten angeführt.
Mit Beschluss vom trug das Erstgericht dem Beklagten, der sich nach der Aktenlage nicht nur vorübergehend im Ausland aufhalte, gemäß § 10 ZustG auf, binnen drei Wochen ab Zustellung des Beschlusses einen in Österreich wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist werde die Zustellung der für den Beklagten bestimmten Schriftstücke ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei Gericht vorgenommen werden.
Klage und Beschluss wurden dem Beklagten, der dem vom Erstgericht um Zustellung ersuchten Amtsgericht seine aktuelle deutsche Adresse bekanntgegeben hatte, an diese Anschrift am von der Deutschen Post AG, an die das Amtsgericht die Sendung zur Zustellung übergeben hatte, durch Aushändigung der Schriftstücke an Erika W***** zugestellt.
Mit Schreiben vom an das Erstgericht nannte der Beklagte, der darin eine neue deutsche Anschrift anführte, Gründe, weshalb er an die Klägerin nicht gezahlt habe, machte aber weder in diesem Brief noch später einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft.
Das Erstgericht beraumte für den die vorbereitende Tagsatzung an. Dem Beklagten konnte die Ladung vom ersuchten Amtsgericht an der vom Beklagten für die Zustellung der Klage genannten Anschrift nicht zugestellt werden, weil er von dieser Adresse „unbekannt verzogen" war. Am wurde die Ladung aufgrund einer Verfügung des Erstgerichts bei diesem hinterlegt.
Der Beklagte kam nicht zur Tagsatzung am . Die für ihn bestimmte Ausfertigung des in dieser Tagsatzung vom Erstgericht über Antrag der Klägerin, die das Klagebegehren auf 5.159,04 EUR sA eingeschränkt hatte, erlassene Versäumungsurteil wurde am beim Erstgericht hinterlegt. Dieses bestätigte am die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils.
Der Klägerin wurde vom Bezirksgericht Lilienfeld aufgrund des Versäumungsurteils am die Exekution gegen den Beklagten bewilligt. Der Exekutionsbewilligungsbeschluss wurde dem Beklagten nach einem Zustellversuch am an der Anschrift 1100 Wien, D*****, durch Hinterlegung beim Postamt 1104 Wien zugestellt. Der Beklagte behob die Sendung beim Postamt. Daraufhin erhob er mit Schreiben vom an das Bezirksgericht Lilienfeld Widerspruch gegen die Exekutionsbewilligung. Er führte darin aus, er sei am beim betreibenden Vertreter gewesen und zahle nur, wenn ihm die Klägerin, die seinen PKW abgeholt und verkauft habe, einen gleichwertigen PKW gebe.
Aufgrund einer Ladung sprach der Beklagte am beim vom Bezirksgericht Lilienfeld um Rechtshilfe ersuchten Bezirksgericht Favoriten vor und gab nach Rechtsbelehrung an, dass er gegen die Exekutionsbewilligung kein Rechtsmittel erhebe. Seine Einwendungen richteten sich gegen den Anspruch (Titel) dem Grunde nach, das Versäumungsurteil sei nicht gesetzmäßig erlassen worden. Dem Beklagten wurde „diesbezüglich" Rechtsbelehrung erteilt. Er wurde an das „Titelgericht verwiesen".
Den vom Beklagten am beim Bezirksgericht Favoriten überreichten, mit dem Aktenzeichen dieses Gerichts bezeichneten mit ZPForm 1 gestellten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang stellte das Bezirksgericht Lilienfeld dem Beklagten mit Beschluss vom zur Verbesserung zurück, weil im Antrag nicht die Rechtssache angeführt sei, in der Verfahrenshilfe beantragt werde. Es dürfte sich um einen Verfahrenshilfeantrag im Verfahren vor dem Erstgericht handeln, weil gegen die Exekutionsbewilligung kein Rechtsmittel ergriffen worden sei. Der Beklagte werde daher ersucht, den Antrag zu verbessern und an das tatsächlich zuständige Gericht zu übersenden.
Am beantragte der Beklagte beim Erstgericht zu Protokoll die Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts, um Rechtsmittel gegen das Versäumungsurteil erheben zu können. Er legte das ihm vom Bezirksgericht Lilienfeld zur Verbesserung zurückgestellte, um die Angabe der Rechtssache ergänzte ZPForm 1 vor. Die Verfahrenshilfe wurde dem Beklagten bewilligt. Dem als Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt wurde der Bestellungsbeschluss am zugestellt.
Mit Schriftsatz vom erhob der Beklagte Berufung, hilfsweise Widerspruch gegen das Versäumungsurteil; er beantragte ferner, die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils aufzuheben und für den Fall, „dass das Gericht rechtskräftig zum Ergebnis gelangt", dass die Zustellung der Ladung zur vorbereitenden Tagsatzung am an den Beklagten rechtswirksam erfolgt sein sollte, die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten, hilfsweise gegen die Versäumung der vorbereitenden Tagsatzung vom , hilfsweise gegen die Versäumung der Fristen zur Erhebung der Berufung und zum Widerspruch gegen das Versäumungsurteil.
Mit Beschluss vom wies das Erstgericht nach Vernehmung des Beklagten und weiteren Erhebungen die Anträge auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils und auf Zustellung dieses Urteils an den Verfahrenshelfer ab und die Berufung sowie den Widerspruch gegen das Versäumungsurteil, alle Anträge auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Berufungsbeantwortung der Klägerin zurück. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte es noch fest, dass dem Beklagten die Klage und der Beschluss mit dem Auftrag zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten von der Übernehmerin der Sendung ausgehändigt worden sind und der Beklagte beide Schriftstücke gelesen hat. Vom Versäumungsurteil erlangte er durch den von ihm bei der Post behobenen Exekutionsbewilligungsbeschluss Kenntnis.
In rechtlicher Hinsicht würdigte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, dass die Zustellung des Versäumungsurteils durch Hinterlegung bei Gericht wirksam gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung seien sowohl die Widerspruchs- als auch die Berufungsfrist abgelaufen gewesen. Da der Verfahrenshilfeantrag nach Ablauf der Berufungs- und der Widerspruchsfrist gestellt worden sei, habe er diese Fristen nicht unterbrechen können. Berufung und Widerspruch seien daher verspätet. Es seien auch alle Wiedereinsetzungsanträge verspätet. Im Anlassfall sei das Hindernis für sämtliche versäumte Prozessverhandlungen mit dem Tag, an dem der Beklagte Kenntnis vom Versäumungsurteil erlangt habe, weggefallen. Spätestens mit der Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses am sei dies der Fall gewesen. Am , als der Beklagte die Verfahrenshilfe beantragt habe, sei die 14-tägige Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags daher schon abgelaufen gewesen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge. Es änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils aufhob und ihn im Übrigen - mit Ausnahme der Abweisung des Zustellantrags - ersatzlos behob sowie dem Erstgericht die Vorlage der Berufung und der Berufungsbeantwortung an das Berufungsgericht auftrug. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Im Anschluss an die Ausführungen von Brenn (Europäischer Zivilprozess, Rz 283 ff; Europäischer Vollstreckungstitel, Zak 2005, 3) kam es zum Ergebnis, einer Person mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union dürfe nicht die Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten aufgetragen werden, weil „für eine sich im Inland aufhaltende Partei dieses Erfordernis nicht besteht". Das Argument, § 10 ZustG gelte auch für Österreicher mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland, nehme nur auf die unmittelbare Diskriminierung Bezug, lasse aber die mittelbare Diskriminierung außer Betracht. In § 10 ZustG sei aber eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu sehen, weil sich die Vorschrift hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirke. Daher seien die im Anlassfall gemäß § 10 ZustG vorgenommenen Zustellungen an den Beklagten unwirksam. Die Berufung sei rechtzeitig. Die Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils sei deshalb zu Unrecht bestätigt worden. Da das Rekursgericht von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7 Ob 135/04k = SZ 2004/114 abgewichen sei, sei der Revisionsrekurs zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin, die eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts anstrebt, ist zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.
1. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist darin begründet, dass das Rekursgericht die Rechtskraft des Beschlusses des Erstgerichts, mit dem es den Auftrag zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten erteilte, nicht beachtete, sondern diesen überprüfte und in der Folge die bejahte Rechtswidrigkeit des Beschlusses seiner Entscheidung zugrundelegte.
2. Der Auftrag nach § 10 ZustG, der im Ermessen des Gerichts liegt, ist ein nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgesondert anfechtbarer Beschluss (8 ObA 237/00m; vgl Gitschthaler in Rechberger³, ZPO § 87 ZPO [§ 10 ZustG] Rz 6 mwN). Der Beschluss des Erstgerichts, mit dem dem Beklagten die Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten aufgetragen wurde, wurde dem Beklagten spätestens mit der Aushändigung durch die Übernehmerin der Sendung wirksam zugestellt. Dieser Zeitpunkt liegt nach den Feststellungen des Erstgerichts zwischen 7. 1. und . Der Beschluss wurde vom Beklagten nicht bekämpft; er ist in Rechtskraft erwachsen. Infolge der Rechtskraft dieses Beschlusses war das Rekursgericht daran gebunden. Es durfte ihn daher auch nicht auf eine inhaltliche Rechtswidrigkeit überprüfen, selbst wenn ein Fehler dieser Art vom Rekurswerber gerügt worden wäre (was nicht der Fall ist). Auch die vom Rekursgericht angenommene Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 10 ZustG (in der im Anlassfall anzuwendenden Fassung BGBl I 1998/158) und demzufolge des auf dieser Norm beruhenden Beschlusses des Erstgerichts ändert daran nichts. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat nämlich bereits ausgesprochen, dass der sich aus Art 10 EG-Vertrag ergebende Grundsatz der Zusammenarbeit es einem nationalen Gericht nicht gebietet, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften zu dem Zweck abzusehen, eine in Rechtskraft erwachsene gerichtliche Entscheidung zu überprüfen und aufzuheben, falls sich zeigt, dass sie gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nämlich nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können (EuGH Rs C-234/04 - Kapferer, Slg 2006, I-2585).
2.1. Auch der Oberste Gerichtshof kann den rechtskräftigen Beschluss des Erstgerichts nicht überprüfen. Da dieser rechtskräftige Beschluss auch dann die in § 10 ZustG normierten Wirkungen entfaltet, wenn er unrichtig gewesen sein sollte, muss zu der von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7 Ob 135/04k = SZ 2004/114 abweichenden Rechtsansicht des Rekursgerichts und zur kontrovers diskutierten Gemeinschaftsrechtskonformität des Auftrags zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten (für eine Bejahung zB Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht, § 10 ZustG Rz 9; G. Kodek, Zak 2007, 380) nicht Stellung genommen werden. Diese Frage ist nicht präjudiziell.
2.2. § 10 Satz 2 ZustG in der hier anzuwendenden Fassung bestimmt, dass die Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde vorgenommen wird, wenn dem Auftrag zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten nicht fristgerecht nachgekommen wird. Der Auftrag, einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen, muss einen Hinweis auf diese Rechtsfolge enthalten (§ 10 Satz 3 ZustG). Die für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung des Auftrags vorgesehene Rechtsfolge, dass alle weiteren Zustellungen durch Hinterlegung bei Gericht nach § 23 ZustG erfolgen, tritt von selbst ein (Stumvoll in Fasching/Konecny² II/2 Anh § 87 [§ 10 ZustG] Rz 15; Gitschthaler aaO § 87 [§ 10 ZustG] Rz 7), sofern - wie hier - auf diese Säumnisfolge im Auftrag hingewiesen wurde (Stumvoll aaO Anh § 87 [§ 10 ZustG] Rz 10; vgl Klauser/Kodek, MGA16 JN-ZPO § 10 ZustG Anm 1). Die Zustellung gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als bewirkt (§ 23 Abs 4 ZustG); mit diesem Zeitpunkt beginnen auch allfällige Rechtsmittelfristen zu laufen. Auf den Tag, an dem der Empfänger das Schriftstück tatsächlich erhält, kommt es nicht an (2 Ob 190/98z).
2.3. Für den vorliegenden Fall ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass die Hinterlegung des Versäumungsurteils beim Erstgericht rechtswirksam am erfolgte. Die 4-wöchige Berufungsfrist und die 2-wöchige Widerspruchsfrist waren bereits abgelaufen, als die Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils bestätigt wurde und der Beklagte den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts beantragte. Ein nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gestellter Verfahrenshilfeantrag unterbricht diese Frist auch dann nicht, wenn das Erstgericht die Verfahrenshilfe bewilligt und einen Rechtsanwalt beigegeben hat (E.Kodek in Rechberger3, ZPO § 464 ZPO Rz 4 mwN). Das Erstgericht hat daher zutreffend den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung abgewiesen und die Berufung und den Widerspruch gegen das Versäumungsurteil als verspätet zurückgewiesen (§ 468 Satz 2 ZPO;§ 442a iVm § 397a Abs 3 Satz 1 ZPO).
3. Das Rekursgericht hat sich - ausgehend von einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Berufung - mit den Ausführungen des Beklagten in seinem Rekurs nicht auseinandergesetzt, mit denen er der Beurteilung des Erstgerichts, die Wiedereinsetzungsanträge seien verspätet gestellt worden, entgegengetreten ist.
3.1. Die Einhaltung der Wiedereinsetzungsfrist ist - auch noch im Rechtsmittelverfahren - von Amts wegen wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0036632).
3.2. Der Zurückweisung der Wiedereinsetzungsanträge ist der Beklagte in seinem Rekurs damit entgegengetreten, dass er auch nicht mit der Behebung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses beim Postamt Kenntnis vom Versäumungsurteil erlangt habe. Da er rechtlich nicht ausgebildet sei und keine Kenntnis der rechtlichen Vorgänge habe, sei ihm nicht ersichtlich gewesen, dass ein Versäumungsurteil ergangen sei, gegen das er Rechtsmittel erheben könnte oder gegen dessen Unwirksamkeit er sich zur Wehr setzen müsste. Er habe bereits am reagiert und zu erkennen gegeben, Rechtsmittel gegen das Versäumungsurteil erheben zu wollen. Schon am habe er dem Gericht mitgeteilt, seine Einwendungen richteten sich gegen den Anspruch dem Grunde nach. Das Versäumungsurteil sei nicht gesetzmäßig erlassen worden. Am selben Tag sei beim Bezirksgericht Favoriten ein Antrag auf Verfahrenshilfe eingelangt. Nach einem Verbesserungsauftrag sei er schließlich am zum Erstgericht gekommen und habe einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe gestellt. Aus diesem Sachverhalt ergebe sich, dass die Annahme des Erstgerichts, für die Rechtzeitigkeit des von ihm gestellten Antrags sei der Zeitpunkt, zu dem er den Antrag auf Verfahrenshilfe am gestellt habe, maßgeblich, unrichtig sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei als rechtzeitig anzusehen.
3.3. Die 14-tägige Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis, dass die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden (§ 148 Abs 2 ZPO). Sie ist eine Notfrist (§ 128 Abs 1 ZPO). Der Wiedereinsetzungswerber hat den Tag zu bescheinigen, an dem das Hindernis weggefallen ist, weil der die Wiedereinsetzungsfrist auslösende Tag des Wegfalls des die Versäumung verursachenden Hindernisses nicht von vornherein mit jener Eindeutigkeit festzulegen ist wie etwa das den Ablauf der Rechtsmittelfrist auslösende Ereignis (10 ObS 64/93 = SZ 66/51 mwN; RIS-Justiz RS0036627).
3.4. Der Wegfall des hindernden Ereignisses ist nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen. Das Hindernis ist jedenfalls dann weggefallen, wenn der Partei selbst unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Möglichkeiten unter Bedachtnahme auf die in § 147 Abs 3 ZPO zum Ausdruck gebrachte Handlungspflicht zugemutet werden kann, die Prozesshandlung nachzuholen. Entscheidend ist also nicht, wann der Wiedereinsetzungsantrag - als solcher isoliert betrachtet - an sich gestellt werden könnte, sondern wann die Partei die versäumte Prozesshandlung nachholen konnte (10 ObS 64/93 = SZ 66/51). Für den Beginn des Fristenlaufs kann nicht bloß darauf abgestellt werden, wann für die Partei das Hindernis tatsächlich aufgehört hat (Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² II/2 § 148 ZPO Rz 10). Begehrt die Partei die Wiedereinsetzung wegen eines Irrtums, so fällt das Hindernis nicht erst dann weg, wenn sie den Irrtum tatsächlich aufgeklärt hat, sondern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Aufklärung wegen eines nicht bloß minderen Grads des Versehens unterblieben ist (10 ObS 64/93 = SZ 66/51; RIS-Justiz RS0036742; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² II/2 § 148 ZPO Rz 11).
3.5. Der Beklagte behauptete im Wiedereinsetzungsantrag, sollte ihm der Auftrag zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugestellt worden sein, so müsse er diesen in seiner Aufregung über die Klagszustellung wegen seiner Rechtsunkenntnis übersehen bzw irrtümlich übergangen haben. Er habe sich auf die unberechtigte Klage konzentriert und sei davon ausgegangen, sich auch von Deutschland aus rechtmäßig gegen die Klage zur Wehr setzen zu können. Das Übersehen des Auftrags bzw der Rechtsirrtum des Verkennens der Rechtsfolgen stelle lediglich eine leichte Fahrlässigkeit dar. Erst durch sein „Erscheinen am Amtstag bzw die Akteneinsicht durch meinen Verfahrenshelfer" sei der Hinderungsgrund weggefallen.
3.6. Es ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Beklagte
a) spätestens am - einem Dienstag - (Vorsprache beim Bezirksgericht Favoriten) vom Versäumungsurteil und von seiner Säumnis bei der Erhebung eines Rechtsmittels/Rechtsbehelfs gegen dieses Kenntnis hatte, und
b) spätestens am hätte feststellen können, dass er den Auftrag zur Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten „übersehen" hatte, seine Annahme, er könne sich von Deutschland aus wirksam zur Wehr setzen, unrichtig war und er die vorbereitende Tagsatzung versäumt hatte, wäre es ihm doch leicht möglich gewesen, an diesem Tag bei einer Vorsprache und Akteneinsicht beim Erstgericht, auf das ihn das Bezirksgericht Favoriten zur Vornahme weiterer rechtlicher Schritte ausdrücklich verwiesen hatte, Aufklärung des zur Säumnis führenden Irrtums und des Verfahrensablaufs zu erlangen. Im Hinblick auf die ausdrückliche Belehrung durch das Bezirksgericht Favoriten beruht des Unterbleiben der möglichen Aufklärung auf einer auffallenden Sorglosigkeit des Beklagten.
Die Hindernisse, die die Säumnisse verursachten, waren somit spätestens am 21. bzw weggefallen.
3.7. Die mit Schriftsatz vom gestellten Wiedereinsetzungsanträge waren verspätet:
Die ZPO regelt den unterbrechenden Einfluss von Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts auf Fristen für Rechtsbehelfe (in § 73 Abs 2 ZPO für den Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl, den Widerspruch gegen ein Versäumungsurteil, die Klagebeantwortung, die Einwendungen im Mandatsverfahren und im Bestandsverfahren) und für Rechtsmittel (Berufung: § 464 Abs 3 ZPO; diese Bestimmung gilt nach § 503 Abs 2 ZPO sinngemäß auch im Revisionsverfahren und nach § 521 Abs 3 ZPO auch im Rekursverfahren). Nach Rechtsprechung und Lehre wird aus den im Gesetz ausdrücklich angeordneten Unterbrechungsfällen ein allgemeines Schutzprinzip abgeleitet und eine Unterbrechungswirkung bei allen einer Notfrist unterliegenden Prozesshandlungen bejaht (6 Ob 311/98y; Fucik in Rechberger3, ZPO § 73 ZPO Rz 2 mwN; M. Bydlinski in Fasching/Konecny2 II/1 § 73 ZPO Rz 7 mwN; Fasching, Lehrbuch2 Rz 499). Dies gilt insbesondere im Fall der Wiedereinsetzungsfrist (M. Bydlinski aaO § 73 ZPO Rz 7; Fasching aaO Rz 499; Fucik aaO § 73 ZPO Rz 2 mwN). Vor Fristbeginn gestellte Anträge unterbrechen diese gleichfalls (3 Ob 130/05x; Fucik aaO § 73 ZPO Rz 2). Soweit für eine Antragstellung während der Wiedereinsetzungsfrist zum Teil vertreten wird, dass diese nur dann zu einer Unterbrechung führen könne, wenn eine Rechtsmittelfrist oder eine ausdrücklich im § 73 Abs 2 ZPO genannte Frist versäumt wurde (Fasching aaO Rz 583; Gitschthaler in Rechberger3, ZPO § 149 ZPO Rz 5; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny2 II/2 § 148 ZPO Rz 8), vermag dem der erkennende Senat nicht zu folgen. Dies würde nicht nur zu einem Wertungswiderspruch mit § 85 Abs 2 Satz 3 ZPO führen, der für die Unterbrechung von Verbesserungsfristen keinerlei Differenzierungen vorsieht (sodass jede Wiedereinsetzungsfrist im Zusammenhang mit einem formfehlerhaften Wiedereinsetzungsantrag stets verlängert werden könnte), sondern vor allem auch dem allgemeinen Gedanken zuwiderlaufen, (allenfalls) der Verfahrenshilfe bedürftige Parteien möglichst weitgehend vor Rechtsnachteilen zu bewahren. Eine sinngemäße Anwendung ist daher für alle denkbaren Wiedereinsetzungsfälle geboten (M. Bydlinski aaO § 73 ZPO Rz 7).
Der am beim Bezirksgericht Favoriten überreichte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe „im vollen Umfang" unterbrach die Wiedereinsetzungsfrist nicht:
Die Verfahrenshilfe ist beim Prozessgericht erster Instanz schriftlich oder zu Protokoll zu beantragen. Hat dieses Gericht seinen Sitz außerhalb des Bezirksgerichtssprengels, in dem die Partei ihren Aufenthalt hat, so kann sie den Antrag beim Bezirksgericht ihres Aufenthalts zu Protokoll erklären (§ 65 Abs 1 ZPO). Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte - nach der Aktenlage, insbesonders nach seinen Behauptungen - im Februar 2006 seinen Aufenthalt im Sprengel des Bezirksgerichts Favoriten. Dieses war zuständig, einen das Verfahren vor dem Erstgericht betreffenden Verfahrenshilfeantrag des Beklagten zu Protokoll zu nehmen, nicht jedoch für die schriftliche Einbringung eines Verfahrenshilfeantrags. Als Zeitpunkt der Antragstellung ist im Fall der Einbringung beim unzuständigen Gericht jener des Einlangens beim zuständigen Prozessgericht anzunehmen (M. Bydlinski aaO § 65 ZPO Rz 3), ist es doch ständige Rechtsprechung zu § 89 Abs 1 GOG, dass im Fall der Einbringung eines (fristgebundenen) Schriftsatzes beim unzuständigen Gericht, das diesen an das zuständige Gericht weiterleitet, der Tag des Einlangens beim zuständigen Gericht entscheidend für die Rechtzeitigkeit des Schriftsatzes ist (RIS-Justiz RS0060177). Das Erstgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Verfahrenshilfeantrag einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts erst am gestellt wurde, als der Beklagte bei ihm den Antrag zu Protokoll gab und das seinerzeit beim unzuständigen Bezirksgericht Favoriten eingebrachte ZPForm 1 wieder vorlegte. An diesem Tag waren aber die Wiedereinsetzungsfristen bereits abgelaufen, sodass der Verfahrenshilfeantrag sie nicht mehr unterbrechen konnte.
Das Erstgericht hat daher zu Recht auch die Wiedereinsetzungsanträge des Beklagten zurückgewiesen (§ 148 Abs 3 ZPO).