OGH vom 14.11.2006, 10Ob59/06h

OGH vom 14.11.2006, 10Ob59/06h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Janine T*****, geboren am , und Michelle T*****, geboren am , beide *****, beide vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Land Niederösterreich als besonderen Vertreter in Unterhaltsangelegenheiten, über den Revisionsrekurs des Vaters Peter H*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Mag. Christiana Butter, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 127/06h-U13, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom , GZ 2 P 50/01g-U6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die beiden Minderjährigen Janine, geboren am , und Michelle, geboren am , sind uneheliche Kinder von Dolores T***** und Peter H*****. Mit der Obsorge ist die Mutter allein betraut; in ihrem Haushalt erhalten die Kinder auch Pflege und Erziehung.

Mit Unterhaltsvereinbarung vom verpflichtete sich der Vater ab zu monatlichen Unterhaltsleistungen von ATS 2.000,-- (EUR 145,35) für Janine und von ATS 1.800,-- (EUR 130,81) für Michelle. Dazu wurde festgehalten, dass die Bemessungsgrundlage ATS 16.500,-- betrage; für die Zeit der Kreditrückzahlung für den Wohnungskredit werde von der Bemessungsgrundlage ein Betrag von ATS 4.500,-- in Abzug gebracht.

Mit weiterer Unterhaltsvereinbarung vom wurde der Unterhalt für Janine ab auf monatlich EUR 170,-- erhöht.

Zur Bemessungsgrundlage wurde festgehalten: „EUR 1.278,-- durchschnittliches Einkommen inkl. SZ im Jahr 2003 abzüglich halbe Diäten und Schmutzzulage, sowie abzüglich einer mtl. Rate von EUR 124,-- für die Abschöpfung im Verfahren 1 S 9/03f des BG L*****". Mit Beschluss vom , 1 S 9/03f, hat das Bezirksgericht L***** über das Vermögen des Vaters Peter H***** das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Der Antrag auf Annahme eines Zahlungsplanes fand in der Tagsatzung vom nicht die erforderlichen Mehrheiten, worauf das Bezirksgericht L***** mit Beschluss vom , 1 S 9/03f-9, das Abschöpfungsverfahren einleitete und den Kreditschutzverband von 1870 zum Treuhänder bestellte. Das Schuldenregulierungsverfahren wurde mit Beschluss vom , 1 S 9/03f-16, aufgehoben.

Am beantragten die beiden Kinder die Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbeitrags für Janine auf EUR 327,-- und für Michelle auf EUR 275,-- jeweils ab . Da der Vater als Hilfsarbeiter ein für die Unterhaltsbemessung anrechenbares monatliches Nettoeinkommen von rund EUR 1.816,-- im Jahresschnitt erziele, sei ihm die Leistung höherer Unterhaltsbeiträge zumutbar. Der Vater erklärte sich mit der Unterhaltserhöhung nicht einverstanden. Er bestritt die von den Kindern behauptete Höhe der Bemessungsgrundlage und verwies auf das anhängige Abschöpfungsverfahren sowie darauf, dass er als Schichtarbeiter auf sein altes Auto zum Erreichen des Arbeitsplatzes angewiesen sei. Da er täglich ca 60 km zurücklegen müsse, würden die real anfallenden Kosten die Höhe des Pendlerpauschales übersteigen.

Das Erstgericht erhöhte antragsgemäß die Unterhaltsbeiträge. Es stellte für 2005 ein Monatsdurchschnittsnettoeinkommen des Vaters von EUR 1.810,-- fest und verwies in seiner rechtlichen Beurteilung auf die zu § 140 ABGB entwickelte Prozentsatzmethode. Die festgesetzten Unterhaltsbeiträge fänden in der Differenz zwischen dem Existenzminimum für allgemeine Forderungen und dem Unterhaltsexistenzminimum Deckung. Eine tägliche Fahrtstrecke von 60 km sei als durchschnittlich anzusehen und finde über das Pendlerpauschale hinaus keine Berücksichtigung im Sinne einer Minderung der Bemessungsgrundlage.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Es bestätigte die Einbeziehung der Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage in die Bemessungsgrundlage, verneinte die Abzugsfähigkeit des Gewerkschaftsbeitrages und billigte damit die vom Erstgericht errechnete monatliche Unterhaltsbemessungsgrundlage von EUR 1.810,--. Zu Recht habe das Erstgericht bei der Berücksichtigung des Abschöpfungsverfahrens die „Differenzmethode" angewandt. Diese komme dann in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige - so wie im vorliegenden Fall - bereits bei Eröffnung des Konkursverfahrens unselbständig erwerbstätig gewesen sei. Dagegen komme sie nach Annahme eines Zahlungsplanes und Aufhebung des Privatkonkurses nicht mehr zur Anwendung.

Der Berechnung nach der Differenzmethode sei das Monatsdurchschnittsnettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen zugrunde zu legen. Zunächst sei das Einkommen nach der Prozentsatzmethode zu ermitteln. Da im Unterhaltsrecht die Sonderzahlungen bereits in der monatlichen Unterhaltsbemessungsgrundlage inkludiert seien, sei der erhöhte allgemeine Grundbetrag nach § 291a Abs 2 Z 1 EO maßgeblich. Zu berücksichtigen seien weiters die Unterhaltsgrundbeträge nach § 291a Abs 2 Z 2 EO und die Unterhaltssteigerungsbeträge nach § 291a Abs 2 Z 2 EO, und zwar auch für jene Kinder, für die der Unterhalt berechnet werden soll. Das Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen sei demnach nach der Tabelle 1 b der Existenzminimumbroschüre zu ermitteln, bei zwei Unterhaltspflichten nach der Spalte 3. Bei einem Einkommen von EUR 1.800,-- bis EUR 1.819,99 betrage das Existenzminimum für allgemeine Forderungen EUR 1.440,50. Als weiterer Schritt sei das Unterhaltsexistenzminimum zu ermitteln, das gemäß § 291b Abs 2 EO grundsätzlich 75 % des unpfändbaren Freibetrags nach § 291a EO betrage. Allerdings seien Unterhaltsgrund- und Unterhaltssteigerungsbeträge für jene Berechtigten, die wegen eines Unterhaltsanspruchs Exekution führen, nicht zugunsten des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen, weil sonst die Unterhaltsberechtigten allein aus der Tatsache ihrer Berechtigung Nachteile erleiden würden. Unterhaltsgrund- und Unterhaltssteigerungsbeträge, die an sich ihnen zugute kommen sollten, würden sie nunmehr belasten. Das Unterhaltsexistenzminimum des Unterhaltspflichtigen sei demnach nach der Tabelle 2 b m, Spalte 1 (= 0 Unterhaltsberechtigte) der Existenzminimumbroschüre zu ermitteln. Daraus ergebe sich bei einem Einkommen von EUR 1.800,-- bis EUR 1.819,99 ein Betrag von EUR 827,63. Zur Befriedigung der Unterhaltspflichten stehe demnach ein Differenzbetrag von EUR 612,87 zur Verfügung. Die mit EUR 327,-- und EUR 275,--, insgesamt EUR 602,-- festgesetzten Unterhaltsbeiträge fänden darin volle Deckung. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Fahrtkosten sei dem Erstgericht grundsätzlich beizupflichten, dass eine Fahrtstrecke von 60 km für Hin- und Rückfahrt zum Arbeitsplatz noch nicht als überdurchschnittlich beurteilt werden müsse. Würde man dies tun, könne die Berücksichtigung der Fahrtkosten nur in Höhe der Hälfte des amtlichen Kilometergeldes erfolgen. Auf dieser Grundlage ergebe sich bei 200 Arbeitstagen pro Jahre eine monatliche Durchschnittsbelastung von EUR 188,--, wovon die durchschnittlichen Fahrtkosten, wie sie jedermann treffen, nämlich etwa in Höhe einer Nahverkehrskarte im Wert von EUR 50,--, abzuziehen seien. Mit einem solcherart ermittelten monatlichen Abzug von EUR 140,-- reduziere sich die Bemessungsgrundlage auf EUR 1.670,--. 19 % davon wären gerundet EUR 320,--, 16 % gerundet EUR 270,--. Die Differenz zu den vom Erstgericht ermittelten Unterhaltsbeiträgen liege im Rahmen der Bemessungstoleranzen. Somit sei die vom Erstgericht vorgenommene Unterhaltsbemessung nicht zu beanstanden.

Die vom Vater vorgenommene Berechnungsweise, bei der Ermittlung der Existenzminima vom tatsächlich erzielten Einkommen sowohl die durch Pfändung abgezogenen Beträge als auch die Fahrtkosten abzuziehen, sei gänzlich verfehlt. Für die Ermittlung der Existenzminima spielten Fahrtkosten keinerlei Rolle. Der Abzug der tatsächlichen Pfändungsbeträge würde zu einer Doppelberücksichtigung ein- und desselben Umstandes führen.

Trotz der ausführlichen Auseinandersetzung des Obersten Gerichtshofes mit der vorliegenden Thematik in der Entscheidung 6 Ob 52/06z sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig, weil sich aus der Verschiedenbehandlung von Abschöpfungsverfahren und Zahlungsplan nach Aufhebung des Privatkonkurses große Unterschiede ergäben. Bei richtiger Anwendung der Differenzmethode fänden in der Regel die nach der Prozentsatzmethode bemessenen Unterhaltsbeträge in der Differenz zwischen den Existenzminima Platz, sodass es im Ergebnis zu keiner Reduktion der Unterhaltsbeiträge im Vergleich zur Differenzmethode komme. Demgegenüber seien bei einer Schuldenregulierung im Wege des Zahlungsplanes nach der jüngeren Rechtsprechung die Zahlungsplanraten von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, sodass sie unmittelbar die Leistungsfähigkeit (und nicht erst die Exekutionsfähigkeit) beeinträchtigten. Im vorliegenden Fall würden die im Wege des Abschöpfungsverfahrens gepfändeten Einkommensbestandteile des Unterhaltsschuldners für das gesamte Jahr 2005 EUR 4.432,74 betragen, gerundet EUR 370,-- monatlich.

Grundsätzlich würden Abschöpfungsverfahren und Zahlungsplan dem gleichen Ziel dienen, nämlich der anteiligen Befriedigung der Gläubiger und der Restschuldbefreiung des Schuldners. Lediglich die Vorgangsweise sei unterschiedlich: Beim Abschöpfungsverfahren werde der pfändbare Teil des Einkommens unmittelbar abgeschöpft, während sich der Schuldner bei einem Zahlungsplan verpflichte, die entsprechende Quote an die Gläubiger zu zahlen, aber die freie Verfügung über sein Vermögen wieder erhalte. Würden aber bei einem Zahlungsplan die Raten direkt von der Bemessungsgrundlage abgerechnet, während im Fall des Abschöpfungsverfahrens nur ermittelt werde, ob der nach der Prozentsatzmethode ermittelte Unterhalt in der Differenz der Existenzminima Deckung finde, wären die unterhaltsrechtlichen Auswirkungen drastisch verschieden. Würde man beispielsweise im vorliegenden Fall das Monatsdurchschnittsnettoeinkommen neben den Fahrtkosten von EUR 140,-- auch noch um die im Wege der Pfändung abgezogenen Beträge reduzieren, läge die Bemessungsgrundlage nur noch bei EUR 1.300,--, was sich in Unterhaltsbeiträgen von EUR 247,-- bzw EUR 208,-- niederschlüge. Es stelle sich daher die Frage, ob die differenzierte Behandlung vom Obersten Gerichtshof beabsichtigt sei oder gegebenenfalls noch einer Korrektur bedürfe. Aufgrund der Vielzahl der Privatkonkurse handle es sich dabei um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, der Oberste Gerichtshof möge den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Festsetzung der monatlichen Unterhaltsbeiträge mit EUR 247,-- für Janine und mit EUR 208,-- für Michelle abändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Kinder haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch im Sinne des Eventualantrags auf Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen berechtigt.

Das Revisionsrekursvorbringen des Vaters geht in zwei Richtungen: Zum einen sei die Differenzmethode - entgegen 6 Ob 52/06z - im Fall eines Abschöpfungsverfahrens nicht anzuwenden, da dies zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Benachteiligung von Unterhaltsschuldnern, über deren Vermögen ein Abschöpfungsverfahren eingeleitet sei, im Vergleich mit jenen Unterhaltsschuldnern, welche einen Zahlungsplan erfüllen, führen würde. Zur Vermeidung einer derartigen Ungleichbehandlung seien die Abschöpfungsbeträge genauso wie die entsprechenden Zahlungsverpflichtungen aus einem Zahlungsplan unterhaltsbemessungsgrundlagenmindernd zu berücksichtigen. Zum anderen sei bei einer Neubemessung des Unterhalts auf den Inhalt der vormaligen Unterhaltsvereinbarung Bedacht zu nehmen; die neue Bemessung dürfe keinesfalls völlig losgelöst von der vormaligen Vereinbarung und den in ihr zum Ausdruck kommenden Konkretisierungen der Bemessungsgrundlage erfolgen. In beiden Unterhaltsvereinbarungen (vom und vom ) sei die Berücksichtigung von Schulden bzw der Abschöpfungsbeträge als unterhaltsmindernd vereinbart worden; dies sei auch bei der nunmehrigen Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen.

1. Zur Frage der Abzugsfähigkeit von im Rahmen des Abschöpfungsverfahrens abgetretenen Beträgen von der Unterhaltsbemessungsgrundlage:

Der Oberste Gerichtshof hat bis vor wenigen Jahren ständig judiziert, dass über den Unterhaltspflichtigen verhängte konkursrechtliche Maßnahmen auf seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind keinen Einfluss haben (anstatt vieler RIS-Justiz RS0037149 [T2] und RS0113298; kritisch Gitschthaler, Unterhaltsrecht [2001] Rz 234). Dementsprechend rechtfertigte es ein in einem Schuldenregulierungsverfahren zustande gekommener, rechtskräftig bestätigter Zahlungsplan für sich allein noch nicht, die laut Zahlungsplan abzustattenden Schulden als Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen (1 Ob 139/01z = EFSlg 95.672; 7 Ob 176/02m; RIS-Justiz RS0115448).

Von dieser Rechtsprechungslinie sind in jüngster Zeit zwei Senate des Obersten Gerichtshofes abgewichen: Der 1. Senat hat sich in seiner Entscheidung 1 Ob 86/04k (SZ 2004/77) explizit von der Auffassung distanziert, dass die Konkurseröffnung bzw die Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen zur Zahlung von Schulden nach einem Zahlungsplan keinen Einfluss auf die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage hätten. Vielmehr ändere sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage aufgrund eines im Schuldenregulierungsverfahren festgelegten Zahlungsplans; die danach zurückzuzahlenden Schulden seien grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, diene doch der Zahlungsplan gerade dazu, die Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach dessen Erfüllung wieder herzustellen. Dies widerspreche auch nicht dem „ehernen Grundsatz des Unterhaltsrechts", dass Schulden des Geldunterhaltspflichtigen die Bemessungsgrundlage an sich nicht mindern, handle es sich doch dabei um berücksichtigungswürdige (abzugsfähige) Schulden, also solche, die er eingegangen sei, um ihn wieder in die Lage zu versetzen, nach der Schuldenregulierung unbelastetes Einkommen zur Deckung seiner Unterhaltsverpflichtungen zur Verfügung zu haben. In der Entscheidung 1 Ob 176/04w (ZIK 2005, 171) wurde dieser Standpunkt um das Argument ergänzt, die Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung in Form der Darlehensraten sei sachlich gerechtfertigt, zumal der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Schuldenregulierung gerade deshalb geschaffen habe, um einem Schuldner die Wiedererlangung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in absehbarer Zeit zu ermöglichen, was ihn wieder in die Lage versetzen soll, nach der Schuldenregulierung unbelastetes Einkommen zur Deckung seiner Unterhaltsverpflichtungen und so zum Wohl der Unterhaltsberechtigten zur Verfügung zu haben. Der 7. Senat schloss sich in seiner Entscheidung 7 Ob 279/05p (Zak 2006, 72) „jedenfalls in Ansehung eines - wie hier - jüngeren unterhaltsberechtigten Kindes, für das die Entschuldung des Unterhaltspflichtigen vorteilhaft" sei, der zu 1 Ob 86/04k und 1 Ob 176/04w vertretenen Rechtsansicht an, dass die monatlichen Belastungen aus einem Zahlungsplan berücksichtigungswürdige Schulden darstellten und daher die Unterhaltsbemessungsgrundlage minderten. Die vom Gesetzgeber im Schuldenregulierungsverfahren geschaffene Möglichkeit der Entschuldung des Unterhaltspflichtigen unter bestimmten gesetzlichen Vorgaben bedeute nicht nur für diesen, sondern auch für dessen unterhaltsberechtigte Kinder eine Chance, die ein pflichtbewusster Unterhaltsschuldner zu ergreifen in der Regel zweifellos sogar verpflichtet sein werde, stelle dies doch in einer Vielzahl der Fälle den einzigen Weg dar, jemals wieder über unbelastetes Einkommen verfügen und die Unterhaltsverpflichtungen in einem befriedigenden Maß wieder decken zu können. Zu bedenken sei dabei auch, dass sich die aus der Erfüllung des Zahlungsplanes resultierenden finanziellen Beschränkungen in aller Regel auch auf die im Haushalt eines solchen pflichtbewussten und rechtsgetreuen Unterhaltspflichtigen lebenden Kinder auswirken werden. Nicht nur der Unterhaltspflichtige selbst, sondern auch seine Familie müsse sich eben „nach der Decke strecken". Nicht zu rechtfertigen wäre es, ein nicht im Haushalt des geldunterhaltspflichtigen Elternteil lebendes Kind in einer solchen Situation zu bevorzugen und ihm gegenüber die Belastungen des Zahlungsplanes zu ignorieren. Der Gegenmeinung sei vor allem entgegen zu halten, dass nach ständiger Rechtsprechung Schulden des Unterhaltspflichtigen dann berücksichtigungswürdig seien, wenn sie der Erhaltung und Steigerung seiner Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit dienten (RIS-Justiz RS0007202). Gerade dies solle durch die Erfüllung eines Zahlungsplanes aber angestrebt und erreicht werden. Die nach den Umständen des konkreten Falles nur theoretische Möglichkeit, dass dieses Ziel auch verfehlt werden könnte und ein unterhaltsberechtigtes Kind dann letztlich nicht profitierte, könne daran nichts ändern.

Auch nach den Entscheidungen 7 Ob 289/05h (EvBl 2006/93 = EF-Z 2006, 25 [Gitschthaler] = FamZ 2006, 12 [Neumayr]), 7 Ob 298/05g und 7 Ob 291/05b wird die Unterhaltsbemessungsgrundlage aufgrund eines im Schuldenregulierungsverfahren festgelegten Zahlungsplanes verändert; die danach zurückzuzahlenden Schulden seien grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, diene doch der Zahlungsplan gerade dazu, die Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach seiner Erfüllung wiederherzustellen. Demgegenüber hat der 3. Senat des Obersten Gerichtshofes während eines Abschöpfungsverfahrens weiter die „Differenzmethode" angewendet (3 Ob 1/05a = Zak 2005, 33); der 6. Senat konnte die Frage, ob Zahlungsplanraten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen sind, offen lassen (6 Ob 52/06z = EF-Z 2006, 23 [Gitschthaler]). In der Literatur wurde die Judikatur des 1. und des 7. Senats zur Anrechnung von Zahlungsplanraten auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage überwiegend kritisch aufgenommen (Zencica, Konkurs der Unterhaltsbemessung, ÖA 2006, 63 [66 f]; G. Kodek, Zur Unterhaltsbemessung im Konkurs, Zak 2006, 146; Neumayr, Anmerkung zu 7 Ob 289/05h, FamZ 2006, 12; neutral referierend Gitschthaler, Anmerkung zu 7 Ob 289/05h, EF-Z 2006, 26). Die angesprochene Frage muss allerdings aus den unter 2. genannten Gründen nicht abschließend beantwortet werden.

2. Zu den Auswirkungen der Unterhaltsvereinbarungen auf die nunmehrige Unterhaltsbemessung:

Nach nunmehr ständiger Judikatur soll eine Neubemessung von Unterhaltsansprüchen wegen Änderung der Verhältnisse nicht völlig losgelöst von einer bestehenden vergleichsweisen Regelung und der in ihr zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze erfolgen (1 Ob 537/92 = EF 68.469 uva; RIS-Justiz RS0019018; Gitschthaler, Unterhaltsrecht [2001] Rz 413). Im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung ist zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien für eine geänderte Lage vereinbart hätten (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 [2004] 157 mwN). Im vorliegenden Fall gehen dem Unterhaltserhöhungsantrag zwei vom Jugendwohlfahrtsträger geschlossene und daher nicht der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürftige (§ 214 Abs 2 ABGB) Unterhaltsvereinbarungen voraus, die jeweils Spezialregelungen über die Anrechnung von Schuldtilgungen auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage enthalten. In der Unterhaltsvereinbarung vom verpflichtete sich der Vater ab zu monatlichen Unterhaltsleistungen von ATS 2.000,-- (EUR 145,35) für Janine und von ATS 1.800,-- (EUR 130,81) für Michelle; ausdrücklich wurde festgehalten, dass die Bemessungsgrundlage ATS 16.500,-- betrage und davon für die Zeit der Kreditrückzahlung für den Wohnungskredit ein Betrag von ATS 4.500,-- abgezogen wird. Unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung üblicherweise herangezogenen Prozentsätze (für den vorliegenden Fall 17 % bzw 15 %) zeigt sich, dass die Unterhaltsberechnung offensichtlich von einer Basis von ATS 12.000,-- (EUR 872,07) erfolgt ist und davon ausgehend die „Prozentsatzmethode" angewandt wurde.

Nicht unähnlich ist die weitere Unterhaltsvereinbarung vom zu sehen, mit der der Unterhalt für Janine ab auf monatlich EUR 170,-- erhöht wurde. Darin wurde zur Bemessungsgrundlage festgehalten: „EUR 1.278,-- durchschnittliches Einkommen inkl. SZ im Jahr 2003 abzüglich halbe Diäten und Schmutzzulage, sowie abzüglich einer mtl. Rate von EUR 124,-- für die Abschöpfung im Verfahren 1 S 9/03f des BG L*****". In diesem Fall sollte offenkundig die im Rahmen des Abschöpfungsverfahrens zu leistende Tilgungsrate von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen und danach die „Prozentsatzmethode" angewandt werden. Aus diesen Vereinbarungen kann geschlossen werden, dass nach der Absicht der Parteien zumindest für die Dauer des Abschöpfungsverfahrens, also solange vor seiner Entschuldung vom Unterhaltspflichtigen Zahlungen zugunsten seiner Gläubiger zu erbringen sind, die Tilgungsraten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen sind. Nun befinden sich zwar im Akt Lohnzettel des Vaters, auf denen sich für die einzelnen Monate Abzüge (in unterschiedlicher Höhe) mit der Bezeichnung „Pfändung" aufscheinen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um die gemäß § 202 Abs 2 KO an den Treuhänder abgetretenen Beträge, möglicherweise aber auch um Beträge, die (in den ersten beiden Jahre nach Konkurseröffnung) aufgrund eines Aus- oder Absonderungsrechtes an einen Gläubiger überwiesen wurden (§ 12a KO). Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, dass die vom Vater im Abschöpfungsverfahren an den Treuhänder zu erbringenden Zahlungen (ungeachtet der in den früheren Unterhaltsvereinbarungen vorgesehenen Anrechnung) nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen seien, haben die Vorinstanzen die erforderlichen Feststellungen zur Höhe der an den Treuhänder abgetretenen und von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehenden Beträge nicht getroffen. Insoweit erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig. Im fortzusetzenden Verfahren ist die Unterhaltsbemessungsgrundlage für die Zeit ab unter Bedachtnahme auf die vom Vater im Abschöpfungsverfahren zu erbringenden Zahlungen zu ermitteln und davon ausgehend der Unterhalt zu berechnen. Es wurde bereits dargestellt, dass dieser Berechnung nach der offenkundigen Absicht der Parteien die in der Rechtsprechung üblichen Prozentsätze zugrunde zu legen sind.

Aus der Rechtsmittelerklärung und dem Rechtsmittelantrag ergibt sich, dass der Vater nach wie vor auch einen Abzug von Fahrtkosten zur Arbeitsstätte und zurück begehrt. Auch diesbezüglich fehlt es an erforderlichen Feststellungen zur Frage, ob und inwieweit die Verwendung des Privat-Pkw für die Erzielung des Arbeitseinkommens erforderlich ist (7 Ob 317/01w = EF 99.642). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen wären auch nach Ansicht des erkennenden Senats monatliche Fahrtkosten in einer Höhe von ca EUR 140,--, wie sie vom Rekursgericht nach Abzug der fiktiven Kosten einer Nahverkehrskarte ermittelt wurden, als überdurchschnittlich anzusehen (siehe Neuhauser in Schwimann, ABGB3 I § 140 Rz 63 mwN aus der zweitinstanzlichen Rechtsprechung in FN 979). Dem Rekursgericht ist darin zu folgen, dass nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0111469) die Fahrtkosten nicht in ihrer gesamten Höhe abzugsfähig sind, weil die durchschnittlichen Fahrtkosten, die jedem Arbeitnehmer entstehen, bereits in die Höhe der Prozentsätze Eingang gefunden haben. Hinsichtlich der Höhe des Abzuges für den gefahrenen Kilometer erscheint - dem Rekursgericht folgend - ein Ansatz in Höhe der Hälfte des amtlichen Kilometergeldes angemessen.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind somit aufzuheben und dem Erstgericht ergänzende Feststellungen zu den vom Vater im Abschöpfungsverfahren zu erbringenden Zahlungen und zum Erfordernis der Benützung eines Privat-Pkw für die Arbeitsplatzfahrten aufzutragen.