OGH vom 24.02.2015, 10ObS149/14f

OGH vom 24.02.2015, 10ObS149/14f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. D*****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15 19, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 94/14p 14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Nach der hier noch maßgebenden Bestimmung des § 26a KBGG idF BGBl I 2009/116 ist die Wahl der Leistungsart (§ 3 Abs 1, § 5a Abs 1, § 5b Abs 1, § 5c Abs 1 oder § 24a Abs 1) bei der erstmaligen Antragstellung zu treffen. Diese Entscheidung bindet neben dem antragstellenden Elternteil auch den anderen Elternteil. Eine spätere Änderung der getroffenen Entscheidung ist nicht möglich.

1.2 Der Zweck dieser Bestimmung liegt darin, aus administrativen Gründen ein Hin und Herschwanken zwischen verschiedenen Varianten, je nach dem wie es momentan für den Betroffenen günstig sei („Rosinentheorie“), hintanzuhalten. Dem bzw der Berechtigten soll nach der Gewährung einer Auszahlungsvariante ein nachträglicher Wechsel zu einer anderen Auszahlungsvariante nicht mehr offen stehen (10 ObS 13/13d, SSV NF 27/13 mwN).

1.3 In dem der Entscheidung 10 ObS 13/13d, SSV NF 27/13, zu Grunde liegenden Fall hatte die damalige Klägerin ihren Irrtum bei der Wahl der Leistungsart noch vor der Entscheidung des Sozialversicherungsträgers und vor der Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes erkannt, ihren zunächst irrtümlich gestellten Antrag daher rechtzeitig vor der Entscheidung des Sozialversicherungsträgers zurückgezogen und anschließend den geänderten Antrag gestellt. Für diesen Fall führte der erkennende Senat im Wesentlichen aus, die Klägerin habe gemäß § 13 Abs 7 AVG ihren Antrag jederzeit - jedenfalls bis zur Erlassung eines Bescheids zurückziehen dürfen. Eine rechtzeitige Zurückziehung des Antrags bewirke das Erlöschen der Entscheidungspflicht sowie bei antragsbedürftigen Bescheiden auch der Entscheidungskompetenz der Behörde, sodass über den Antrag nicht mehr abgesprochen werden dürfe. Sei noch kein Bescheid über den verfahrenseinleitenden Erstantrag erlassen worden, könne dieser wirksam zurückgezogen und gleichzeitig ein neuer geänderter Antrag eingebracht werden (RIS Justiz RS0128677). Bei diesem geänderten Antrag habe es sich um die „erstmalige Antragstellung“ iSd § 26a KBGG gehandelt.

1.4. Der Entscheidung 10 ObS 79/14m = RIS Justiz RS0128677 [T1] vom lag hingegen der Sachverhalt zu Grunde, dass die Klägerin ihren Irrtum bei der Wahl der Leistungsart erst nach der Mitteilung des Sozialversicherungsträgers und nach der Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes erkannte. Es wurde ausgesprochen, dass bei dieser Konstellation eine Änderung des Antrags nach erstmaliger Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes und Mitteilung an die Klägerin über ihren Leistungsanspruch nicht möglich sei. Die Mitteilung über den Leistungsanspruch sei als Entscheidung der beklagten Partei über den ursprünglichen Antrag der Klägerin zu qualifizieren, weil § 27 KBGG bei der Leistungsgewährung für den Fall der vollinhaltlichen Zuerkennung der beantragten Leistung lediglich die Ausstellung einer formlosen Mitteilung und nur im Fall einer (gänzlichen oder teilweisen) Ablehnung der beantragten Leistung die Ausstellung eines Bescheids vorsieht. Da anders als in der Entscheidung 10 ObS 13/13d, SSV NF 27/13, SSV NF 27/13 der ursprüngliche Antrag der Klägerin bereits einer Erledigung zugeführt worden sei, sei dessen Änderung in dem von der Klägerin gewünschten Sinn nicht mehr möglich. Weiters wurde ausgesprochen, dass die bloße Behauptung, man habe sich im Zuge der Antragstellung geirrt und in Wahrheit eine andere Leistungsart beantragen wollen, nicht ausreichend sein könne, weil dies dem Regelungszweck der Bestimmung des § 26a KBGG zuwiderlaufen und dieser Bestimmung weitgehend ihren Anwendungsbereich entziehen würde.

2. Auch im vorliegenden Fall hat die Klägerin von der beklagten Partei die in § 27 Abs 1 KBGG vorgesehene Mitteilung über ihren Leistungsanspruch erhalten und erst dann festgestellt, dass ihr bei der Wahl der Kinderbetreuungsgeld-Variante ein Irrtum unterlaufen war. Antragsrückziehungen bzw änderungen setzen nach § 13 Abs 7 und 8 AVG allerdings die Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens über den Antrag voraus. Handelt es sich um einen Antrag, über welchen nicht bescheidmäßig abzusprechen ist, wird das Verfahren jedenfalls durch die Setzung jener behördlichen Handlung abgeschlossen, auf welche der Antrag abzielte (VwGH 2006/12/0127). Dies war im vorliegenden Fall die Ausstellung der in § 27 Abs 1 KBGG vorgesehenen Mitteilung über den Leistungsanspruch der Klägerin. Demnach war bereits mit der Erlassung der Leistungsmitteilung vom das über den Zuerkennungsantrag abzuführende Verfahren erledigt und nicht erst mit Vorliegen des (abweislichen) Bescheids vom über den geänderten Antrag nach Zurückziehung des ursprünglichen Antrags. Die geänderte Antragstellung kann daher nicht mehr als „erstmalige Antragstellung“ iSd § 26a KBGG angesehen werden. Im Hinblick auf die bereits in der Entscheidung 10 ObS 79/14m = RIS Justiz RS0128677 [T1] dargelegten Grundsätze wird mit dem Revisionsvorbringen, es sei lediglich ein Fehler korrigiert worden und nicht ein Umschwenken auf ein aufgrund anderer Umstände vorteilhafteres Modell erfolgt, keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt und kann das Fehlen von Feststellungen zu den Begleitumständen der irrtümlichen Angaben keinen rechtlichen Feststellungsmangel begründen.

3. Da die Spezialregelung des § 26a KBGG, wonach die Auswahl einer bestimmten Leistungsart des Kinderbetreuungsgeldes nach erfolgter Antragstellung beim Sozialversicherungsträger nicht mehr korrigiert werden kann, in der Vergangenheit zu Härtefällen geführt hat, indem auch ein kleiner Fehler bei der Auswahl der Variante (durch Ankreuzen am Antragsformular) selbst kurz nach der erfolgten Antragstellung nicht mehr korrigiert werden konnte (vgl ErläutRV 2336 BlgNR 24. GP 2), wurde mit der KBGGNov BGBl I 2013/117 für Antragstellungen ab eine einmalige Korrekturmöglichkeit bei der Wahl der Kinderbetreuungsgeld-Variante geschaffen. Danach ist die Wahl der Leistungsart weiterhin bei der erstmaligen Antragstellung zu treffen. Eine spätere Änderung dieser getroffenen Entscheidung ist nicht möglich, es sei denn, der antragstellende Elternteil gibt dem zuständigen Krankenversicherungsträger die einmal mögliche Änderung binnen 14 Kalendertagen ab der erstmaligen Antragstellung bekannt (§ 26a KBGG idF BGBl I 2013/117). Diese einmalige Korrekturmöglichkeit kommt jedoch erst für erstmalige Antragstellungen ab in Betracht (vgl § 50 Abs 8 KBGG) und ist daher im vorliegenden Fall infolge erstmaliger Antragstellung am noch nicht anwendbar (Zudem erfolgte die Änderung erst nach Ablauf der 14 tägigen Frist).

4. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Klägerin sei entsprechend der Bestimmung des § 26a KBGG idF BGBl I 2009/116 an die bereits im erstmaligen Antrag vom getroffene Wahl der Leistungsart des Kinderbetreuungsgeldes im Sinne der „Pauschalvariante 12+2“ (§ 5c KBGG) gebunden, weshalb die nachfolgende Antragsänderung unbeachtlich sei und die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens (§ 24a KBGG) zu Recht abgelehnt habe, steht daher im Einklang mit der bereits vorliegenden Rechtsprechung des erkennenden Senats.

Die außerordentliche Revision der Klägerin war deshalb mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00149.14F.0224.000