OGH vom 09.02.2017, 11Os12/17z

OGH vom 09.02.2017, 11Os12/17z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Petar B***** und einen weiteren Beschuldigten wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB, AZ 28 HR 284/16p des Landesgerichts Feldkirch, über die Grundrechtsbeschwerde des Petar B***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom , AZ 7 Bs 374/16g (ON 36 der HR-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Petar B***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Text

Gründe:

Im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Feldkirch, Zl 13 St 253/16m, gegen die Beschuldigten Petar und Mico B***** wurde mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom (ON 11) die Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 1, Abs 2 Z 1, Z 3 lit a StPO verhängt. Mit Beschluss vom setzte der Haftrichter die über Petar B***** verhängte Untersuchungshaft aus denselben Haftgründen fort (ON 20).

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Beschwerde dieses Beschuldigten (ON 25) gegen den letztgenannten Beschluss nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen des § 173 Abs 1, Abs 2 Z 1, Z 3 lit a StPO an (ON 36).

Dabei erachtete es (BS 7 iVm BS 2; RISJustiz RS0122395, RS0119301) Petar B***** als dringend verdächtig, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mico B***** am in G***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Angelika L***** und Mile P***** fremde bewegliche Sachen wegzunehmen versucht zu haben, indem sie (maskiert und unter Mitführen von Baseballschlägern) Angelika L***** – nachdem diese ihnen die Haustüre geöffnet hatte – zu Boden gestoßen, ihr den Mund zugehalten, sie trotz heftiger Gegenwehr mit Klebeband an Händen und Füßen gefesselt, ihr den Mund mit Klebeband zugeklebt und eine Papiertüte über den Kopf gezogen und anschließend das Haus nach Bargeld durchsucht haben. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Oberlandesgericht dieses Verhalten als Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck richtet sich die fristgerecht erhobene Grundrechtsbeschwerde (ON 39).

Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde ist – anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht – nicht die Haft, sondern die Entscheidung über diese (RISJustiz RS0061004, RS0112012, RS0121605).

Demzufolge prüft der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahr (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, also nicht oder nur offenbar unzureichend begründet, darstellt (RISJustiz RS0117806). Vergleichsbasis des Willkürverbots sind – mit Blick auf § 173 Abs 2 StPO, der nur verlangt, dass die angenommenen Haftgründe auf bestimmten Tatsachen beruhen – ausschließlich die der Prognoseentscheidung zugrunde gelegten Tatsachen. Ein Haftbeschluss, der gegen die rechtliche Annahme eines Haftgrundes sprechende Umstände nicht berücksichtigt, ist demnach – außer den hier nicht relevanten Fällen des § 173 Abs 3 StPO – nicht willkürlich, also nicht rechtsfehlerhaft (RISJustiz RS0120458).

Die Annahme der Fluchtgefahr gründete das Beschwerdegericht auf die vom Beschwerdeführer als Staatsangehöriger von BosnienHerzegowina geäußerte Absicht, seinen bisherigen festen Wohnsitz im Inland aufzulösen und das von ihm bis zuletzt betriebene Unternehmen eines Paketzustelldienstes zu liquidieren, sowie auf den Umstand, dass Petar B***** verwandtschaftliche Beziehungen zu seinem Heimatstaat pflege und für ihn angesichts der im Falle eines verdachtskonformen Schuldspruchs nach § 142 Abs 1 StGB zu erwartenden empfindlichen Strafe trotz der Möglichkeit, Unterkunft bei seinem Vater zu nehmen, keine die Flucht hemmende Notwendigkeit des Verbleibs in Österreich bestehe (ON 36 S 7 f).

Indem die Beschwerde diesen Erwägungen bloß eigene Auffassungen gegenüberstellt, über einen für den Beschuldigten besseren Zugang zu Sozialleistungen im Falle eines Verbleibs in Österreich spekuliert und aus der angestrebten Auflösung von Wohnsitz und Unternehmen für Petar B***** günstigere Schlüsse zieht, wird eine willkürliche Annahme des Haftgrundes nicht dargelegt.

Da bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt, erübrigt es sich, im Rahmen der Behandlung der Grundrechtsbeschwerde auf das Vorbringen zum – im Übrigen gleichfalls nicht zu beanstandenden – Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO einzugehen (RISJustiz RS0061196).

Der Einwand der Substituierbarkeit der Untersuchungshaft durch gelindere Mittel (§ 173 Abs 5 StPO) entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil die Beschwerde nicht erkennen lässt, worin dem diese verneinenden (ON 36 S 10) Oberlandesgericht insoweit ein Beurteilungsfehler unterlaufen sein soll (RISJustiz RS0116422).

Beim elektronisch überwachten Hausarrest (§ 173a StPO) handelt es sich um eine besondere Form des Vollzugs der Untersuchungshaft, somit nicht um eine Alternative zu dieser. Da die Bedingungen des Vollzugs der Untersuchungshaft nicht in den Schutzbereich des GRBG fallen (Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 54 vorletzter Anstrich), kann die Ablehnung des Begehrens, die Untersuchungshaft in Form des Hausarrests fortzusetzen, nicht mit Grundrechtsbeschwerde bekämpft werden (RISJustiz RS0126401).

Petar B***** wurde daher – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Der Kostenausspruch beruht auf § 8 GRBG.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00012.17Z.0209.000
Schlagworte:
2 Alle Ob-Entscheidungen,22 Grundrechtsbeschwerden

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