OGH vom 14.11.2006, 10Ob58/06m

OGH vom 14.11.2006, 10Ob58/06m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** C***** E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Bernd S***** B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Partl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 20.260,80 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 2 R 119/06a-17, womit der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 59 Cg 227/05s-10, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters die mit EUR 1.063,80 (darin enthalten EUR 177,30 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit der vorliegenden Mahnklage begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von EUR 20.260,80 sA.

Gegen den am beim Zustellpostamt hinterlegten Zahlungsbefehl vom erhob die Beklagte einen am zur Post gegebenen Einspruch. Dieser Einspruch wurde vom Erstgericht mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom (ON 3) als verspätet zurückgewiesen.

Die Beklagte beantragte daraufhin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist. Das Erstgericht wies diesen Antrag auf Grund des von ihm als bescheinigt angenommenen Sachverhaltes im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der allein empfangsberechtigte Geschäftsführer der Beklagten zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Zahlungsbefehles ortsabwesend gewesen sei. Die Zustellung sei daher gemäß § 17 Abs 3 ZustG erst an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam geworden, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden konnte (= ). Der von der Beklagten am zur Post gegebene Einspruch gegen den Zahlungsbefehl sei daher rechtzeitig. Die Beklagte hätte somit einen Rekurs gegen den Beschluss über die Zurückweisung ihres Einspruches als verspätet (ON 3) einbringen müssen.

Dem dagegen von der Beklagten erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht keine Folge. Die Beklagte beantragte für den Fall der Erfolglosigkeit ihres Rekurses die Aufhebung der dem Zahlungsbefehl erteilten Vollstreckbarkeitsbestätigung mit der Begründung, dass sie gegen den Zahlungsbefehl tatsächlich rechtzeitig Einspruch erhoben habe. Das Erstgericht gab diesem Antrag der Beklagten statt und hob die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehles vom auf. Durch den letztlich rechtzeitigen Einspruch der Beklagten sei der Zahlungsbefehl gemäß § 249 Abs 1 ZPO ex lege außer Kraft gesetzt worden, weshalb die Bestätigung der Vollstreckbarkeit gemäß § 7 Abs 3 EO aufzuheben sei.

Das Rekursgericht wies über Rekurs der Klägerin den Antrag der Beklagten auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehles vom ab. Nach der Bestimmung des § 249 Abs 1 erster Satz ZPO trete der Zahlungsbefehl zwar mit der rechtzeitigen Erhebung des Einspruchs außer Kraft, ohne dass es dazu einer ausdrücklichen Aufhebung durch das Gericht bedürfte. Der Oberste Gerichtshof habe aber in seiner Entscheidung 9 Ob 191/98y vom darauf hingewiesen, dass die vom Einspruchsberechtigten unterlassene Bekämpfung der Zurückweisung eines wirksam erhobenen Einspruchs als verspätet die Rechtskraft des Zahlungsbefehles zur Folge habe und dieser Umstand auch nicht mehr im Wege eines Antrages auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung korrigiert werden könne. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil in der Entscheidung 9 Ob 191/98y eine ausführliche Begründung dafür, dass die rechtskräftige Zurückweisung eines wirksam erhobenen Einspruches als verspätet die Rechtskraft des Zahlungsbefehles zur Folge habe, nicht enthalten sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses abzuändern.

Der Oberste Gerichtshof veranlasste mit Beschluss vom die Zustellung einer Gleichschrift des Revisionsrekurses an die Klägerin zur Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung. Die Klägerin beantragt in ihrer rechtzeitig eingebrachten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen bzw ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zu der vom Rekursgericht angesprochenen erheblichen Rechtsfrage des Verfahrensrechtes, soweit überblickbar, noch keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt. Die Beklagte macht in ihren Rechtsmittelausführungen im Wesentlichen geltend, der von ihr am zur Post gegebene Einspruch sei tatsächlich rechtzeitig erfolgt, wodurch gemäß § 249 Abs 1 erster Satz ZPO der Zahlungsbefehl ex lege außer Kraft getreten sei. Eine Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehles sei daher nicht eingetreten. Folge man der Ansicht des Rekursgerichtes, hätte die Beklagte, die rechtzeitig einen Einspruch gegen den Zahlungsbefehl eingebracht habe, aus der bloßen Tatsache, dass ein - wie sich nachträglich herausgestellt habe unrichtiger - Zurückweisungsbeschluss in Rechtskraft erwachsen sei, ihren Anspruch auf meritorische Erledigung der Sache verwirkt. Dies widerspreche zweifellos der gesetzgeberischen Intention, wonach der Zahlungsbefehl der einfachen und kostengünstigen Erlangung eines Titels für unbestrittene Forderungen dienen solle, bei Bestreitung jedoch einem ordentlichen Verfahren Platz machen und damit gänzlich gegenstandslos werden solle. Einzige Voraussetzung für die gänzliche Beseitigung des Zahlungsbefehles sei nach der ausdrücklichen Formulierung im Gesetz die rechtzeitige Erhebung des Einspruches. Die vom Rekursgericht für seine Rechtsansicht herangezogene Entscheidung 9 Ob 191/98y sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, weil es in diesem Verfahren in erster Linie, um die - hier nicht relevante - Frage gegangen sei, ob auch auf den Rechtsbehelf des Einspruches der Grundsatz der Einmaligkeit eines Rechtsmittels Anwendung finde.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Der bedingte Zahlungsbefehl gemäß den §§ 244 ff ZPO ist seinem Wesen nach ein Beschluss (G. Kodek in Fasching/Konecny2 III § 246 Rz 1). Nach § 247 Abs 3 ZPO ist gegen die Erlassung des Zahlungsbefehles in der Hauptsache ein (ordentliches) Rechtsmittel nicht zulässig. Lediglich die im Zahlungsbefehl enthaltene Kostenentscheidung kann mit Rekurs angefochten werden. Dem Rechtsschutzbedürfnis des Beklagten ist durch die Möglichkeit zur Erhebung des Einspruches ausreichend Rechnung getragen. Gemäß § 248 Abs 1 ZPO steht nämlich dem Beklagten gegen den Zahlungsbefehl der Einspruch zu, welcher den Inhalt einer Klagebeantwortung haben muss. Mit der rechtzeitigen Erhebung des Einspruchs tritt gemäß § 249 Abs 1 erster Satz ZPO der Zahlungsbefehl außer Kraft. Die rechtzeitige Einspruchserhebung durch eine dazu legitimierte Person hat somit zur Folge, dass der Zahlungsbefehl ex lege außer Kraft tritt, ohne dass es einer Aufhebung durch das Gericht bedürfte (G. Kodek aaO § 249 Rz 1). Andererseits führt das ungenützte Verstreichen der Einspruchsfrist ipso jure zur Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehles, welche durch die Vollstreckbarkeitsbestätigung nur mehr bestätigt wird. In diesem Fall stellt der Zahlungsbefehl eine abschließende Erledigung des Verfahrens dar, welcher urteilsgleiche Wirkungen zukommen (G. Kodek aaO § 246 Rz 1 f).

Gemäß § 249 Abs 1 zweiter Satz ZPO sind verspätet erhobene Einsprüche ohne Verhandlung mit Beschluss zurückzuweisen. Stellt sich die Verspätung oder sonstige Unzulässigkeit des Einspruchs erst später heraus, so kann die Zurückweisung auch nachträglich - auch erst durch das Rechtsmittelgericht - erfolgen (G. Kodek aaO § 249 Rz 13 mwN). Da, wie bereits ausgeführt, das ungenützte Verstreichen der Einspruchsfrist ipso jure zur Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehles führt, hat auch die Rechtskraft des Beschlusses, womit ein Einspruch als verspätet oder unzulässig zurückgewiesen wird, ipso iure die Konsequenz, dass der Zahlungsbefehl damit in Rechtskraft erwachsen ist und nach Verstreichen der Leistungsfrist zu einem vollstreckbaren Exekutionstitel (§ 1 Z 3 EO) wird. Die Ursache dafür liegt darin, dass, wie ebenfalls bereits erwähnt, ein Zahlungsbefehl in der Hauptsache nicht mit einem (ordentlichen) Rechtsmittel sondern nur mit dem Rechtsbehelf des Einspruches bekämpft und damit außer Kraft gesetzt werden kann. Ein rechtskräftiger Beschluss, mit welchem ein Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl als verspätet zurückgewiesen wurde, hat daher die Rechtskraft des Zahlungsbefehles zur Folge.

Nichts anderes kann aber, wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 9 Ob 191/98y ausgesprochen hat, für den auch hier vorliegenden Fall gelten, dass ein wirksam bzw rechtzeitig erhobener Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl rechtskräftig als verspätet zurückgewiesen wird. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Zahlungsbefehl Beschlusscharakter hat, sodass auch die Vorschriften über die Bindung an Beschlüsse anzuwenden sind (Fucik in Rechberger, ZPO2 § 449 Rz 1 mwN). Nach § 425 Abs 2 ZPO ist das Gericht an seine Beschlüsse insoweit gebunden, als dieselben nicht bloß prozessleitender Natur sind. Als Beschlüsse nicht bloß prozessleitender Natur sind die prozessbeendenden Beschlüsse, also solche, die über Sachanträge entscheiden oder die Klage zurückweisen, sowie die verfahrensgestaltenden Beschlüsse (Aufhebung- und Zurückverweisungsbeschlüsse der Rechtsmittelgerichte sowie Entscheidungen über Zwischenstreitigkeiten) anzusehen (M. Bydlinski in Fasching/Konecny2 III § 425 Rz 3 mwN). Ein Beschluss, mit welchem ein Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl als verspätet zurückgewiesen wird, stellt einen die Sache erledigenden Beschluss prozessualer Natur dar, weil damit auch festgestellt wird, dass mangels rechtzeitiger Erhebung des Rechtsbehelfes des Einspruches der Zahlungsbefehl in Rechtskraft erwachsen ist. Mit einem rechtskräftigen Zurückweisungsbeschluss im Sinne des § 249 Abs 1 zweiter Satz ZPO wird daher für die Parteien und Gerichte bindend festgestellt, dass gegen den Zahlungsbefehl nicht rechtzeitig Einspruch erhoben wurde und der Zahlungsbefehl daher in Rechtskraft erwachsen ist. An den rechtlichen Konsequenzen der Rechtskraft eines solchen Zurückweisungsbeschlusses ändert sich auch nichts, wenn sich später herausstellt, dass ein tatsächlich wirksam bzw rechtzeitig erhobener Einspruch als verspätet zurückgewiesen wurde, da auch fehlerhafte Beschlüsse der Rechtskraft fähig sind, bei Unterlassung ihrer Anfechtung rechtskräftig werden und für das weitere Verfahren verbindlich sind (RIS-Justiz RS0041790). Der Beklagten stand es offen, seinerzeit gegen den Zurückweisungsbeschluss vom Rekurs zu erheben. Infolge der inzwischen eingetretenen Rechtskraft dieses Zurückweisungsbeschlusses kann somit die Frage, ob der Einspruch gegen den Zahlungsbefehl von der Beklagten seinerzeit rechtzeitig erhoben wurde, auch nicht mehr im Wege eines Antrages auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung gemäß § 7 Abs 3 EO aufgerollt werden. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 9 Ob 191/98y ausgesprochen, dass die (damalige) Revisionsrekurswerberin den Umstand, dass sie den erstgerichtlichen Beschluss auf Zurückweisung ihres jedenfalls wirksam erhobenen Einspruches nicht bekämpft hat, durch ihre nunmehr gestellten Anträge (auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehles und auf dessen neuerliche Zustellung) nicht mehr korrigieren kann.

Da sich somit die auf diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gestützte rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes auch im vorliegenden Fall als zutreffend erweist, musste der Revisionsrekurs der Beklagten erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.