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VfGH vom 30.09.1989, B1740/88

VfGH vom 30.09.1989, B1740/88

Sammlungsnummer

12166

Leitsatz

Übermittlung einer "Liste von Demonstranten" als Teil eines dem Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gemäß § 20 Abs 2 VfGG übermittelten Verwaltungsaktes; Abweisung der Beschwerde durch die Datenschutzkommission; Verpflichtung zur Vorlage aller den Gegenstand betreffenden Verwaltungsakten in vollem Umfang in Einklang mit § 1 Abs 2 DSG iVm. Art 8 Abs 2 MRK; keine Verletzung im Grundrecht auf Datenschutz; keine Verletzung des Gleichheitsrechtes

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Verfassungsgerichtshof forderte im Verfahren über die bei ihm zu B1321/87 protokollierte, gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Anhaltung auf einem Gendarmerieposten und in einem Polizeigefangenenhaus gerichtete Beschwerde des G S mit Schreiben vom unter Berufung auf die §§83 Abs 1 und 20 Abs 2 VerfGG die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems als belangte Behörde auf, die Verwaltungsakten aller beteiligten Instanzen vorzulegen und mitzuteilen, ob und gegebenenfalls welche Akten oder Aktenteile von der sonst den Beteiligten zustehenden Einsicht auszuschließen seien; es wurde der belangten Behörde ferner freigestellt, eine Gegenschrift zu erstatten. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems legte dem Verfassungsgerichtshof - zusammen mit der von ihr erstatteten Gegenschrift und den Verwaltungsakten - eine von ihr als "Beilage F" zur Gegenschrift bezeichnete, mit der Überschrift "Liste der Demonstranten - Verhängung v. Strafen, Stand " versehene Liste vor, die die Namen verschiedener Personen - darunter auch des nunmehrigen Beschwerdeführers - und verschiedene diese Personen betreffende Angaben (darunter auch Geburtsdatum und Wohnort) enthielt. Die in dieser Liste enthaltenen Daten waren von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems automationsunterstützt verarbeitet worden.

2. In einer an die Datenschutzkommission gerichteten Beschwerde machte der Beschwerdeführer der Sache nach geltend, er sei dadurch, daß die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems ihn betreffende personenbezogene Daten, nämlich Name, Geburtsdatum und Wohnort, ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung dem Verfassungsgerichtshof übermittelt habe, in dem durch § 1 Abs 1 Datenschutzgesetz - DSG, BGBl. 565/1978 idF BGBl. 370/1986, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Geheimhaltung dieser ihn betreffenden (personenbezogenen) Daten verletzt worden.

3. Die Datenschutzkommission wies diese Beschwerde mit Bescheid vom ab. Begründend führte sie im wesentlichen aus, daß verarbeitete Daten gemäß § 7 Abs 1 Z 1 DSG übermittelt werden dürften, soweit hiefür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung bestehe. Im vorliegenden Fall stelle § 20 Abs 2 VerfGG eine solche Ermächtigung dar. Danach könne der Referent zur Vorbereitung der Verhandlung die Vernehmung von Beteiligten, Zeugen, Sachverständigen und Auskunftspersonen, die Vornahme eines Augenscheines, die Herbeischaffung von Urkunden oder Amtsakten verfügen sowie Auskünfte von Behörden einholen. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems habe auf Grund der in einem Beschwerdeverfahren ergangenen Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes, "außer den Verwaltungsakten alle Schriftsätze bzw. Beilagen in 2-facher Ausfertigung vorzulegen", auch die "Liste der Demonstranten" als einen Bestandteil des Verwaltungsaktes dem Verfassungsgerichtshof vorlegen müssen. Da die in § 7 Abs 1 Z 1 DSG normierten Voraussetzungen erfüllt gewesen seien, sei die Übermittlung (auch) der in Rede stehenden Liste an den Verfassungsgerichtshof zulässig gewesen.

4. Gegen den Bescheid der Datenschutzkommission richtet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Der Beschwerdeführer erblickt die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes in einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde. Die "Liste der Demonstranten" sei von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems nicht in Erfüllung des mit Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom erteilten Auftrages zur Vorlage der "Verwaltungsakten aller beteiligten Instanzen" als Bestandteil des Verwaltungsaktes, sondern als Beilage zu der von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems als belangter Behörde erstatteten Gegenschrift, und zwar als Beweismittel zur Unterstützung des Standpunktes der belangten Behörde, vorgelegt worden. Die Vorlage dieser Liste habe daher keinesfalls in § 20 Abs 2 VerfGG eine Grundlage. Die Erstattung der Gegenschrift beruhe auf § 23 Abs 1 (gemeint wohl: § 83 Abs 1) VerfGG, aus welcher Bestimmung sich aber nicht die Verpflichtung der Behörde zur Vorlage der gegenständlichen Liste - insbesondere unter Angabe von Name, Geburtsdatum und Wohnort des Beschwerdeführers - ergebe.

5. Die Datenschutzkommission als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

a) Sie hält den Beschwerdeausführungen der Sache nach entgegen, daß der Verfassungsgerichtshof in seinem Schreiben vom unmittelbar im Anschluß an die Aufforderung, "außer den Verwaltungsakten . . . alle Schriftsätze bzw. Beilagen" vorzulegen, auf § 20 Abs 2 VerfGG hingewiesen habe. Soweit sich der Verfassungsgerichtshof in diesem Schreiben auf § 83 Abs 1 VerfGG berufen habe, sei er nur der in dieser Vorschrift normierten Verpflichtung nachgekommen, der belangten Behörde die - auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte - Beschwerde mit der Mitteilung zuzustellen, daß es ihr freistehe, eine Gegenschrift zu erstatten. Die Pflicht der belangten Behörde zur Vorlage der Verwaltungsakten an den Verfassungsgerichtshof ergebe sich daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers aus § 20 Abs 2 VerfGG und nicht aus § 83 Abs 1 dieses Gesetzes. Es könne nicht nachvollzogen werden, aus welchen Gründen es denkunmöglich sein solle, die Pflicht der belangten Behörde zur Vorlage der Akten aus § 20 VerfGG abzuleiten.

b) Zur Frage einer allfälligen - vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten - Verletzung des durch § 1 Abs 1 DSG gewährten Rechtes auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten vertritt die belangte Behörde die Ansicht, daß angesichts des umfassenden Informationsrechtes des Verfassungsgerichtshofes (nach § 20 Abs 3 VerfGG seien dem Verfassungsgerichtshof selbst Aktenteile vorzulegen, die von der Akteneinsicht auszuschließen sind) ein schutzwürdiges Interesse des Beschwerdeführers iS des § 1 Abs 1 DSG an der Geheimhaltung seiner in Rede stehenden Daten gegenüber dem Verfassungsgerichtshof nicht vorliege.

Teile man diese Auffassung nicht, so habe in § 20 Abs 2 VerfGG eine ausdrückliche Ermächtigung iS des § 7 Abs 1 Z 1 DSG für die Übermittlung der den Beschwerdeführer betreffenden Daten an den Verfassungsgerichtshof bestanden. Die einer Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems an die Datenschutzkommission zufolge für die Strafbemessung notwendig gewesene "Liste der Demonstranten" sei Bestandteil des dem Verfassungsgerichtshof gemäß § 20 Abs 2 VerfGG vorzulegenden Aktes gewesen. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems als belangte Behörde sei, was auch aus § 20 Abs 3 VerfGG geschlossen werden könne, nicht befugt gewesen, Aktenbestandteile von der Vorlage an den Verfassungsgerichtshof auszunehmen.

Sollte aber die belangte Behörde die "Liste der Demonstranten" unzutreffenderweise als Aktenbestandteil angesehen haben, so habe sie doch auf Grund der Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom , wonach "außer den Verwaltungsakten alle Schriftsätze bzw. Beilagen in 2-facher Ausfertigung vorzulegen" gewesen seien, davon ausgehen müssen, daß die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems auch zur Vorlage von Schriftsätzen und Beilagen und somit auch der fraglichen Liste verpflichtet gewesen sei.

II. Die Beschwerde ist zulässig.

Die Entscheidungen der Datenschutzkommission unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg (§36 Abs 3 DSG). Ein Instanzenzug kommt also nicht in Betracht.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hält es für zweckmäßig, zunächst zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im - von ihm nicht geltend gemachten, jedoch in seiner Beschwerde an die belangte Behörde relevierten - Grundrecht auf Datenschutz (§1 Abs 1 DSG) verletzt wurde (zur Befugnis des Verfassungsgerichtshofes, in Verfahren über eine Beschwerde nach Art 144 B-VG zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten Recht verletzt wurde, vgl. etwa VfSlg. 6866/1972, 6868/1972, 7221/1973).

a) Die Verfassungsbestimmung des § 1 DSG gewährleistet jedermann die Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens hat (Abs1); Beschränkungen dieses Rechtes sind nur zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen oder auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art 8 Abs 2 MRK genannten Gründen notwendig sind (Abs2 erster Satz).

Nach Art 8 Abs 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des durch Art 8 Abs 1 MRK gewährleisteten Rechtes nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der durch § 1 Abs 2 zweiter Satz DSG normierte Vorrang der vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten schließt das Gebot in sich, sowohl die Voraussetzungen, die iS der Ermächtigung des § 1 Abs 2 erster Satz DSG gesetzliche Beschränkungen des Grundrechtes auf Datenschutz zu rechtfertigen vermögen, als auch die zufolge dieser Ermächtigung erlassenen, das Grundrecht beschränkenden Rechtsvorschriften restriktiv auszulegen. Dem Gesetzgeber erwächst daraus die Verpflichtung, derartige Rechtsvorschriften inhaltlich so zu gestalten, daß die Beschränkung des Grundrechtes zur Erreichung des von ihm angestrebten - iS des § 1 Abs 2 erster Satz DSG zulässigen - Zieles erforderlich und geeignet ist und zu ihm in einem angemessenen Verhältnis steht (vgl. zu all dem etwa Matzka/Kotschy, Datenschutzrecht für die Praxis, Kommentar zu § 1 DSG, S 7; Funk, Marktforschung und Datenschutz, ÖBl. 1987, S 1 ff., hier S 5; Duschanek, Datenschutzrechtliche Schranken der Publizität umweltrelevanter Betriebsdaten, RdW 1988, S 310).

Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 2 DSG ermächtigt somit den einfachen Gesetzgeber, Beschränkungen des durch § 1 Abs 1 DSG gewährleisteten Grundrechtes auf Datenschutz vorzusehen, setzt aber seiner Regelung zugleich insofern inhaltliche Grenzen, als solche Beschränkungen (unter anderem) aus den in Art 8 Abs 2 MRK angeführten Gründen vorgesehen werden dürfen.

b) Im Sinne der sich aus § 1 Abs 2 DSG iVm Art 8 Abs 2 MRK ergebenden Ermächtigung werden für den öffentlichen Bereich unter anderem durch die - einfachgesetzliche - Vorschrift des § 7 Abs 2 DSG Ausnahmen von der durch § 1 Abs 1 DSG normierten Geheimhaltung festgelegt. Nach § 7 Abs 2 DSG ist eine Übermittlung von Daten unter anderem an Organe des Bundes - somit auch an den Verfassungsgerichtshof - insoweit zulässig, als die Daten für den Empfänger zur Wahrnehmung der ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung bilden.

Im vorliegenden Fall ist an der Geheimhaltung der hier relevanten Daten (Name, Geburtsdatum, Wohnort) iS des § 1 Abs 1 DSG ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen anzunehmen (vgl. dazu auch den Hinweis bei Matzka/Kotschy, aaO, Kommentar zu § 1 DSG, S 4 ff., hier S 6). Da es sich um (automationsunterstützt) "verarbeitete" Daten handelt, ist die Zulässigkeit ihrer Übermittlung an den Verfassungsgerichtshof nach § 7 Abs 2 DSG zu beurteilen.

§ 7 Abs 2 DSG steht, soweit sich aus ihm die Zulässigkeit der Übermittlung schutzwürdiger personenbezogener Daten in Verfahren über Beschwerden nach Art 144 Abs 1 B-VG aus den den Gegenstand betreffenden Verwaltungsakten an den Verfassungsgerichtshof durch die belangte Behörde ergibt, mit § 1 Abs 2 DSG iVm Art 8 Abs 2 MRK im Einklang. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Die Vorlage des Verwaltungsaktes samt der "Liste der Demonstranten" an den Verfassungsgerichtshof erfolgte im Verfahren über eine Beschwerde nach Art 144 Abs 1 B-VG, somit im Rahmen eines Verfahrens, das dem Beschwerdeführer jenes Verfahrens Rechtsschutz gewähren sollte. In solchen Fällen dient die Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde an den Verfassungsgerichtshof dazu, diesem die Wahrnehmung der ihm (verfassungs-)gesetzlich übertragenen Aufgabe der Gewährung von Rechtsschutz zu ermöglichen. Im Interesse der Effizienz dieses Rechtsschutzes erscheint es geboten, den Verfassungsgerichtshof in die Lage zu versetzen, von sämtlichen bei der belangten Behörde vorhandenen, den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens betreffenden Unterlagen Kenntnis zu erhalten, um sich auf Grund eigener Anschauung selbst ein Bild von deren Relevanz für die von ihm zu treffende Entscheidung zu machen. Dies wäre unmöglich, wenn die belangte Behörde verpflichtet wäre, unter bestimmten Voraussetzungen bestimmte Akten oder Aktenteile von der Vorlage an den Verfassungsgerichtshof auszunehmen oder vor ihrer Vorlage (etwa durch Anonymisierung) zu verändern. Damit erweist sich § 7 Abs 2 DSG, soweit er die Übermittlung personenbezogener Daten, an deren Geheimhaltung ein schutzwürdiges Interesse besteht, im Zuge der Vorlage der den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens betreffenden Verwaltungsakten durch die belangte Behörde an den Verfassungsgerichtshof zuläßt, auch als eine Vorschrift, die iS des Art 8 Abs 2 MRK in einer demokratischen Gesellschaft (vgl. dazu VfSlg. 6288/1970, S 692) "zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer", nämlich des - Rechtsschutz suchenden - Beschwerdeführers, notwendig ist.

c) Im Einklang damit ist die Vorlage von Akten an den Verfassungsgerichtshof durch § 20 Abs 2 VerfGG besonders geregelt.

§83 Abs 1 VerfGG hingegen betrifft nur die Erstattung einer Gegenschrift, nicht auch die Vorlage von Akten durch die belangte Behörde. Nach § 20 Abs 2 erster Satz VerfGG kann der Referent (des Verfassungsgerichtshofes) ua. die Herbeischaffung von Urkunden oder Amtsakten verfügen. Hat die Behörde die Akten nicht vorgelegt, eine Äußerung (Gegenschrift) nicht erstattet oder eine Äußerung (Gegenschrift) zwar erstattet, die Akten des Verwaltungsverfahrens aber nicht vorgelegt, so kann der Verfassungsgerichtshof, wenn er die Behörde auf diese Säumnisfolge vorher ausdrücklich hingewiesen hat, auf Grund der Behauptungen des Antragstellers (Beschwerdeführers) erkennen (§20 Abs 2 zweiter Satz VerfGG). Da

§20 Abs 2 VerfGG keine entsprechende Einschränkung enthält, ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde danach zur Vorlage aller den Gegenstand betreffenden Verwaltungsakten in vollem Umfang verpflichtet ist. Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit (auch) des § 20 Abs 2 VerfGG aus der Sicht des § 1 Abs 2 DSG iVm Art 8 Abs 2 MRK ergibt sich aus den unter 1.b) im Zusammenhang mit § 7 Abs 2 DSG dargelegten Gründen.

d) Der Verfassungsgerichtshof hat im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nicht die Richtigkeit der Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde zu beurteilen, sondern nur zu prüfen, ob die belangte Behörde durch eine verfassungswidrige - mit § 1 Abs 2 DSG (insbesondere) iVm Art 8 Abs 2 MRK in Widerspruch stehende - Auslegung der hier maßgeblichen Rechtsvorschriften den Beschwerdeführer im Grundrecht auf Datenschutz verletzt hat (siehe dazu , S 10 f.).

Wie sich aus den Ausführungen unter 1.b) und c) ergibt, hat die belangte Behörde mit ihrer Auffassung, daß sie in einem Verfahren nach Art 144 Abs 1 B-VG zur Vorlage aller den Gegenstand betreffenden Verwaltungsakten in vollem Umfang (also einschließlich allfälliger Schriftstücke mit schutzwürdigen personenbezogenen Daten) an den Verfassungsgerichtshof verpflichtet ist, bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften - aus der Sicht des § 1 Abs 2 DSG (insbesondere) iVm Art 8 Abs 2 MRK - verfassungskonform ausgelegt. Der Beschwerdeführer ist mithin durch den bekämpften Bescheid nicht im Grundrecht auf Datenschutz verletzt worden.

2. Es bedarf nun weiters die Frage der Prüfung, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem - von ihm ausschließlich geltend gemachten - verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt wurde.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.072/1986) kann eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt hat.

Die Beschwerde macht nicht geltend, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Vorschrift des § 20 Abs 2 VerfGG gegen den (auch den Gesetzgeber bindenden; vgl. etwa VfSlg. 10.064/1984, 10.084/1984, 11.369/1987) Gleichheitsgrundsatz verstößt oder daß die belangte Behörde dieser Vorschrift einen Inhalt unterstellt hat, der sie, hätte sie ihn tatsächlich, verfassungswidrig erscheinen ließe. Auch beim Verfassungsgerichtshof sind - insbesondere in bezug auf § 1 Abs 2 DSG (vgl. dazu unter III. 1.c) - aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles solche Bedenken nicht entstanden.

b) Unter diesen Umständen würde der angefochtene Bescheid das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzen, wenn die Behörde bei seiner Erlassung Willkür geübt hätte. Ein willkürliches Verhalten, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage. Insbesondere kann Willkür durch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung indiziert werden (siehe zB VfSlg. 7962/1976, 8758/1980). Eine solche denkunmögliche Gesetzesanwendung könnte aber nur vorliegen, wenn die belangte Behörde so fehlerhaft vorgegangen wäre, daß die Fehlerhaftigkeit mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe gestellt werden müßte (vgl. VfSlg. 7038/1973, 9902/1983).

c) Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang der Sache nach vor, die belangte Behörde sei in denkunmöglicher Anwendung des § 20 Abs 2 VerfGG davon ausgegangen, daß die Vorlage der "Liste der Demonstranten" durch die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems an den Verfassungsgerichtshof in dieser Bestimmung eine gesetzliche Grundlage habe.

Bei der unter III. 1.c) dargelegten Rechtslage, angesichts der Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems an die Datenschutzkommission, daß die "Liste der Demonstranten" für die Strafbemessung notwendig sei, sowie im Hinblick auf die Ausführungen unter III. 1.d) war die Auffassung der belangten Behörde, es habe sich bei dieser Liste - obgleich die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems sie (zugleich mit dem Verwaltungsakt) als Beilage zur Gegenschrift vorlegte - um einen Bestandteil des Verwaltungsaktes gehandelt, den die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems im Zuge des Verfahrens über die beim Verfassungsgerichtshof zu B1321/87 protokollierte Beschwerde gemäß § 20 Abs 2 VerfGG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen hatte, jedenfalls nicht denkunmöglich. Der Beschwerdeführer ist mithin durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Die Prüfung, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid infolge unrichtiger Auslegung gesetzlicher Vorschriften in einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde, obliegt nicht dem Verfassungsgerichtshof, sondern dem Verwaltungsgerichtshof.

Das Verfahren hat keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art 144 Abs 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.