OGH vom 25.10.2011, 9Ob57/11i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn in der Rechtssache der klagenden Partei N***** S*****, vertreten durch Dr. Michael Kinberger, Rechtsanwalt in Zell am See, wider die beklagte Partei D***** S*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens des Bezirksgerichts Zell am See, AZ 25 C 38/09x, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 228/11t 6, mit dem dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom , GZ 25 C 13/11y 3, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPOzurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Die klagende Partei hat dessen Kosten selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom , GZ 25 C 38/09x 12, rechtskräftig seit , wurde die zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe wegen des alleinigen Verschuldens des dort Beklagten (idF: Wiederaufnahmskläger) geschieden. In jenem Verfahren wurde für ihn mit Edikt vom Dr. Georg Pitter, Rechtsanwalt in Zell am See, als Abwesenheitskurator bestellt.
Am beantragte der Wiederaufnahmskläger beim Bezirksgericht Zell am See die Bewilligung der Verfahrenshilfe, um das Verfahren wegen „Scheidung, Nichtigkeitsklage“ zu bekämpfen.
Am wurden ihm vom Erstgericht die Vorgänge des Ehescheidungsverfahrens dargelegt. Er erklärte, die Scheidung „rückgängig“ machen zu wollen und sei diesbezüglich schon in Kontakt mit dem Abwesenheitskurator.
Mit Beschluss vom wurde die Verfahrenshilfe bewilligt.
Mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer vom wurde Dr. Michael Kinberger als Verfahrenshelfer bestellt. Der Bescheid wurde dem Verfahrenshelfer am und dem Wiederaufnahmskläger am (pA J*****) zugestellt.
Mit der verfahrensgegenständlichen Wiederaufnahmsklage vom , beim Erstgericht eingelangt am , begehrte er die Aufhebung des Scheidungsurteils und die Abweisung, in eventu Zurückweisung des Klagebegehrens. Zur Rechtzeitigkeit führte der Verfahrenshelfer aus, dass ihm der Wiederaufnahmskläger mit Schreiben vom , bei ihm eingelangt am , mitgeteilt habe, dass er sich seit in Haft befinde. Die Angabe in der Scheidungsklage, dass er in Bosnien Herzegowina, *****, wohnhaft sei, sei nicht richtig gewesen. Es liege eine neue Tatsache vor, und zwar, dass sich der Wiederaufnahmskläger zum Zeitpunkt der Klagszustellung nicht im Ausland, sondern damals in der J*****, befunden habe. Eine persönliche Besprechung mit dem Wiederaufnahmskläger habe bisher nicht erfolgen können, sie sei erst nach seiner Freilassung möglich. Inhaltlich haben keine Ehescheidungsgründe vorgelegen.
Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage als verfristet zurück.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Wiederaufnahmsklägers keine Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers, mit dem er die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin begehrt, dem Erstgericht die Anberaumung einer vorbereitenden Tagsatzung im Wiederaufnahmeverfahren aufzutragen, ist unzulässig .
Vorab ist festzuhalten, dass der angefochtene Beschluss nicht jedenfalls unanfechtbar ist, weil der Ausnahmefall des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Halbsatz ZPO vorliegt (RIS Justiz RS0125126).
Im Revisionsrekurs wird die vermeintliche Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsklage im Wesentlichen damit begründet, dass der Verfahrenshelfer erst mit Schreiben vom in Kenntnis der vom Wiederaufnahmskläger genannten Tatsachen und Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gesetzt worden sei. Diese Ansicht findet keine gesetzliche Stütze:
Gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO kann ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Gemäß § 534 Abs 2 Z 4 ZPO ist im Falle des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO die vierwöchige Notfrist zur Erhebung einer Wiederaufnahmsklage von dem Tag an zu berechnen, an welchem die Partei imstande war, die rechtskräftige Entscheidung zu benützen oder die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen.
Gemäß § 73 Abs 2 ZPO beginnt die Frist auch zur Erhebung einer Wiederaufnahmsklage ( Bydlinski in Fasching , ZPG 2 II/1, ZPO § 73 Rz 7; Fucik in Rechberger , ZPO 3 § 73 Rz 2) „frühestens mit der Zustellung des Bescheides, mit dem der Rechtsanwalt bestellt wird“.
Der Annahme, dass es für den Beginn der vierwöchigen Notfrist zur Erhebung einer Wiederaufnahmsklage nicht (nur) auf die Kenntnis des Wiederaufnahmsklägers von neuen Tatsachen und Beweismitteln, sondern überdies auch auf jene seines Verfahrenshelfers anzukommen hätte, steht der klare Wortlaut des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO iVm § 530 Abs 1 Z 7 ZPO entgegen, der dafür auf die Kenntnis der Partei abstellt. Entgegen der Ansicht des Wiederaufnahmsklägers entsteht dadurch keine Kollision mit § 73 Abs 2 ZPO. Denn § 73 Abs 2 ZPO bezweckt lediglich, den Lauf einer Notfrist zur beabsichtigten Prozesshandlung nicht schon vor der Bestellung des Verfahrenshelfers in Gang zu setzen (zur insofern missverständlichen Diktion „frühestens“ s Bydlinski in Fasching aaO § 73 Rz 3). Weder dem Wortlaut noch dem Zweck dieser Bestimmung ist aber zu entnehmen, dass damit auch die zur Erhebung einer Wiederaufnahmsklage inhaltlich erforderliche Voraussetzung der Kenntnis neuer Tatsachen und Beweismittel der Partei iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geändert werden soll und nunmehr auf die Kenntnis des Verfahrenshelfers abzustellen wäre. Derartiges geht auch nicht aus der vom Wiederaufnahmskläger ins Treffen geführten Entscheidung 3 Ob 160/05h hervor.
Der Zeitpunkt dieser Kenntnis des Wiederaufnahmsklägers wurde vom Rekursgericht zutreffend „spätestens“ mit angenommen, sodass es zu Recht von einer Verfristung der Wiederaufnahmsklage ausging.
Warum eine Kontaktaufnahme zwischen dem Wiederaufnahmskläger und dem Verfahrenshelfer bei ausgewiesener Anschrift des Wiederaufnahmsklägers im Akt und Kenntnis des Wiederaufnahmsklägers von Name und Anschrift des Verfahrenshelfers nicht fristgerecht möglich war, kann dahingestellt bleiben.
Aufgrund der klaren gesetzlichen Vorgabe der §§ 530 Abs 1 Z 7 und 534 Abs 2 Z 4 ZPO zur Anknüpfung einer Wiederaufnahmsklage an die Kenntnis neuer Tatsachen oder Beweismittel einer Partei ist der Revisionsrekurs mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.