OGH vom 30.08.2011, 10Ob57/11x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj M*****, geboren am , infolge Revisionsrekurses des Vaters C*****, *****, vertreten durch Dr. Josef Sailer, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 672/10x 58, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 2 Pu 306/09t 47, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Vater war zuletzt aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Erstgerichts vom , GZ 2 P 40/06m U23, zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 50 EUR für den Minderjährigen verpflichtet. Bemessungsgrundlage war der Notstandshilfebezug des Vaters von täglich 24,91 EUR inklusive zweier Familienzuschläge.
Das Erstgericht erhöhte den Unterhalt ab auf 237 EUR monatlich und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren des Minderjährigen unbekämpft ab. Nach seinen Feststellungen befindet sich der Minderjährige in Pflege und Erziehung seiner Mutter. Am wurde über das Vermögen des Vaters das Konkursverfahren eröffnet. In der Folge kam es am zur Bestätigung eines Zwangsausgleichs. Die Gläubiger erhielten eine 20%ige Quote, welche innerhalb von 24 Monaten zu begleichen war. Der Vater leistete bis Ende Mai 2010 an seine Gläubiger einen Betrag von insgesamt 52.338,72 EUR in monatlichen Raten zu jeweils 2.180,78 EUR. Er ist seit im Rahmen eines Dienstverhältnisses beschäftigt und verdient durchschnittlich 1.566,78 EUR netto monatlich inklusive anteiliger Sonderzahlungen. Er ist für seine Gattin, die Kinderbetreuungsgeld bezieht, und für zwei mj Kinder sorgepflichtig.
Das Erstgericht vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, dass nach Beendigung des Zwangsausgleichsverfahrens wieder die allgemeinen Regelungen für die Unterhaltsbemessung anzuwenden seien. Es sei daher ab das Einkommen des Vaters zur Gänze als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Unter Anwendung der Prozentkomponente und unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten des Vaters ergebe sich ein Unterhaltsanspruch des Minderjährigen in Höhe von 237 EUR monatlich ab . Die vom Vater ins Treffen geführten privaten Belastungen, wie Wohnbaudarlehen, Bauspardarlehen und Kredit betreffend das Eigenheim seien vom Zwangsausgleich nicht betroffen, sondern bestünden weiterhin und seien auch nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzugsfähig.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nur insoweit Folge, als es ihn zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 210 EUR an den Minderjährigen ab verpflichtete. Das Mehrbegehren wies es unbekämpft ab. Es ging bei seiner Entscheidung von einer monatlichen Unterhaltsbemessungsgrundlage ab von 1.566,78 EUR inklusive anteiliger Sonderzahlungen abzüglich berücksichtigungswürdiger Fahrtkosten von 94,20 EUR aus. Es ergebe sich daraus ein Unterhaltsanspruch des Minderjährigen in Höhe von 210 EUR monatlich.
Dem bereits im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen und im Rekursverfahren wiederholten Vorbringen des Vaters, er habe aus der Zeit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit noch Kreditrückzahlungen in Höhe von 1.278 EUR monatlich zu leisten, hielt das Rekursgericht entgegen, dass es sich dabei nach dem eigenen Vorbringen des Vaters um Bürgschaftsschulden seiner Ehegattin handle, welche nicht als Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigt werden könnten, da Kreditrückzahlungen allgemein keine Abzugspost bildeten.
Über Antrag des Vaters änderte das Rekursgericht seinen ursprünglichen Ausspruch, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, dahin ab, dass es den ordentlichen Revisionsrekurs doch für zulässig erklärte, weil zu der Frage, ob über die im Zwangsausgleich getilgten betrieblichen Schulden hinausgehende betriebliche Verbindlichkeiten, welche nur von der Ehegattin als Bürgin und Zahlerin zu bedienen seien und für die das gemeinsame Wohnhaus als Pfand hafte, als existenznotwendige Aufwendungen Abzugsposten bzw abzugsfähige Schulden von der Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellten, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass er lediglich zu einer Unterhaltszahlung von 100 EUR monatlich ab an den Minderjährigen verpflichtet werde.
Der Minderjährige hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (vgl § 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
Der Revisionsrekurswerber macht geltend, er habe seinerzeit für sein damaliges Unternehmen einen Kredit in Höhe von 185.000 EUR aufgenommen, zu dessen Besicherung sich seine Ehegattin als Bürgin und Zahlerin verpflichtet habe und ein Pfandrecht an dem von ihm und seiner Familie bewohnten Einfamilienhaus eingeräumt worden sei. Da die Kreditgeberin als Gläubigerin im Zwangsausgleich nur mit einer Quote von 20 % ihrer Forderung Befriedigung erlangt habe, habe sie den gesamten Kreditbetrag fällig gestellt und seine Ehegattin als Bürgin und Zahlerin in Anspruch genommen. Es sei ihm nur durch das Eingehen einer Ratenzahlungsverpflichtung von 1.050 EUR monatlich möglich gewesen, eine Zwangsversteigerung des gemeinsamen Wohnhauses abzuwenden. Da seine Ehegattin zuletzt Kinderbetreuungsgeld bezogen habe und derzeit auf Arbeitssuche sei, müsse er drei Viertel der monatlichen Kreditrate selbst begleichen. Da diese nunmehr private Verbindlichkeit auf einen Betriebsmittelkredit zurückgehe, sei der von ihm zu bezahlende Teilbetrag von 787,50 EUR monatlich als Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Der Unterhaltsanspruch des Minderjährigen betrage daher unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten höchstens 100 EUR monatlich, zumal er seit auch arbeitslos sei.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Bei der Beurteilung der Abzugsfähigkeit von Zahlungsverpflichtungen des Unterhaltsschuldners ist nach ständiger Rechtsprechung davon auszugehen, dass Unterhaltsverpflichtungen grundsätzlich allen anderen Verbindlichkeiten vorgehen (2 Ob 587/93 ua). Zur Berücksichtigung von Kreditverbindlichkeiten bei der Ermittlung der Höhe der Unterhaltsbemessungsgrundlage besteht eine ständige Rechtsprechung dahin, dass Kreditrückzahlungsraten grundsätzlich nicht abzugsfähig sind. Kreditrückzahlungen verringern die Unterhaltsbemessungsgrundlage daher nur ausnahmsweise, so insbesondere, wenn sie zur Bestreitung existenznotwendiger Aufwendungen oder unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen dienen (RIS Justiz RS0047491, RS0007202, RS0047508 ua). Für eine Interessenabwägung, inwieweit Schulden eine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellen, sind der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, der Zweck, für den sie aufgenommen worden sind, das Einverständnis des Ehepartners zu dieser Schuldaufnahme, die Dringlichkeit der Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen und des Unterhaltsberechtigten sowie das Interesse an einer Schuldtilgung, um die Verbindlichkeit nicht weiter anwachsen zu lassen und dadurch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen weiter herabzudrücken, maßgebend. Eine Berücksichtigung von Schulden ist unter diesen Gesichtspunkten nach billigem Ermessen vorzunehmen (RIS Justiz RS0079451). Ob und in welchem Ausmaß bei einem Unterhaltspflichtigen berücksichtigungswürdige Kreditverbindlichkeiten vorliegen, stellt in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0079451 [T9] ua).
Berücksichtigt man im vorliegenden Fall, dass die Kreditgewährung nach dem Vorbringen des Revisionsrekurswerbers zwar zu betrieblichen Zwecken erfolgte, er aber durch den rechtskräftig bestätigten Zwangsausgleich von der Verbindlichkeit befreit wurde, seinen Gläubigern den Forderungsausfall zu ersetzen, so handelt es sich bei der notwendigen Erfüllung der Verpflichtungen aus der Kreditbürgschaft um eine persönliche Verpflichtung der Ehegattin des Unterhaltspflichtigen. In der Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die (teilweise) Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der von der Ehegattin des Unterhaltspflichtigen übernommenen Bürgschaft durch den Unterhaltspflichtigen selbst den Kindesunterhalt nicht zu schmälern vermag und die vom Unterhaltspflichtigen für seine Ehegattin geleisteten Rückzahlungsraten daher von der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht abzugsfähig sind, stellt jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
Soweit der Revisionsrekurswerber erstmals im Revisionsrekurs geltend macht, er sei seit arbeitslos, stellt dies eine im Revisionsverfahren nach § 66 Abs 2 AußStrG unzulässige Neuerung dar und ist daher nicht weiter beachtlich (10 Ob 44/08f ua; RIS Justiz RS0119918). Bei einer Änderung der Grundlage für die Unterhaltsbemessung kann jedoch regelmäßig ein Herabsetzungsantrag gestellt werden.