OGH vom 08.10.2019, 11Os118/19s (11Os119/19p)

OGH vom 08.10.2019, 11Os118/19s (11Os119/19p)

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sysel als Schriftführer in der Strafsache gegen Esen Ö***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach § 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB, AZ 58 Hv 33/19x des Landesgerichts Feldkirch, über die von der Generalprokuratur gegen einen Vorgang und das Urteil vom (ON 11) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 58 Hv 33/19x des Landesgerichts Feldkirch verletzen

1./ die Anordnung (§ 485 Abs 1 StPO) und Durchführung der Hauptverhandlung § 485 Abs 1 Z 3 StPO;

2./ das Urteil vom § 166 Abs 1, Abs 3 StGB sowie § 259 Z 1 iVm § 488 Abs 1 StPO.

Das Urteil wird aufgehoben und in der Sache erkannt:

Esen Ö***** wird von der Anklage, er habe mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und unter Benutzung einer falschen Urkunde andere durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung zu verleiten versucht, die die Klägerin im Scheidungsverfahren AZ 31 C 41/17i des Bezirksgerichts Dornbirn Serap Ö***** in der Höhe der Verfahrenskosten (§ 237 Abs 3 ZPO) am Vermögen schädigen sollte, indem er im hiezu anhängigen Berufungsverfahren AZ 1 R 214/18f des Landesgerichts Feldkirch eine mit einer gefälschten Unterschrift der Klägerin versehene Klagerücknahme in deren Namen einbrachte und so die Richter des Bezirksgerichts Dornbirn und des Rechtsmittelsenats des Landesgerichts Feldkirch zur Kenntnisnahme der Klagerücknahme, Rückübermittlung der Akten an das Bezirksgericht Dornbirn und Beendigung des Verfahrens zu verleiten versuchte,

gemäß § 259 Z 1 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit Strafantrag vom legte die Staatsanwaltschaft Feldkirch zur Zahl 6 St 42/19k Esen Ö***** zusammengefasst zur Last, er habe am mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und unter Benutzung einer falschen Urkunde andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen zu verleiten versucht, die die Klägerin im Scheidungsverfahren AZ 31 C 41/17i des Bezirksgerichts Dornbirn Serap Ö***** in der Höhe der Kosten dieses Verfahrens (835,42 Euro [ON 20 in ON 2; ON 11 S 2]; § 237 Abs 3 ZPO) am Vermögen schädigen sollten, indem er im hiezu anhängigen Berufungsverfahren AZ 1 R 214/18f des Landesgerichts Feldkirch eine mit einer gefälschten Unterschrift der Klägerin versehene Klagerücknahme in deren Namen eingebracht und so den Richter des Bezirksgerichts Dornbirn sowie die Mitglieder des Rechtsmittelsenats des Landesgerichts Feldkirch zur Kenntnisnahme der Klagerücknahme, Rückübermittlung der Akten an das Bezirksgericht Dornbirn und Beendigung des Verfahrens zu verleiten versucht habe (ON 5).

Mit (in Abwesenheit des Angeklagten ergangenem) Urteil vom , GZ 58 Hv 33/19x-11, erkannte das Landesgericht Feldkirch Esen Ö***** des Vergehens des schweren Betruges nach § 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB schuldig und verhängte über diesen eine teilbedingt (§ 43a Abs 1 StGB) nachgesehene Geldstrafe.

Dieses Urteil wurde am rechtskräftig (ON 14).

Nach den Urteilsfeststellungen setzte Esen Ö***** die ihm zur Last liegende Tathandlung während des noch anhängigen Verfahrens AZ 1 R 214/18f des Landesgerichts Feldkirch über seine Berufung gegen das am zu AZ 31 C 41/17i ergangene Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn, welches die Scheidung der zwischen ihm und Serap Ö***** seit aufrechten Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Angeklagten ausgesprochen hatte (ON 11 S 2 f).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, stehen die Vorgehensweise und das Urteil des Landesgerichts Feldkirch mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Die die Angehörigeneigenschaft von Ehegatten (§ 72 Abs 1 StGB) beendende Wirkung einer Scheidung tritt erst mit Zustellung des rechtskräftigen Scheidungsurteils an die Parteien ein (§ 416 Abs 1 ZPO;Jerabek/Ropper in WK² StGB § 72 Rz 7; vgl RIS-Justiz RS0041668). Während eines anhängigen Ehescheidungsverfahrens – und somit auch trotz eines erstinstanzlichen, aber noch nicht rechtskräftigen Ausspruchs der Scheidung – bleibt die Ehegatteneigenschaft der Eheleute aufrecht.

Nach § 166 Abs 1 StGB ist wegen Begehung im Familienkreis unter anderem derjenige, der einen Betrug zum Nachteil seines Ehegatten begeht, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen, wenn die Tat jedoch sonst mit einer Freiheitsstrafe bedroht wäre, die drei Jahre erreicht oder übersteigt, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

Die qualifizierte Begehung eines Betruges hindert dessen Privilegierung nach § 166 Abs 1 StGB nicht (Kirchbacher in WK² StGB § 166 Rz 6 f).

Da die Anwendung des § 166 StGB voraussetzt, dass der (alleinige) Rechtsgutträger ein Angehöriger des Täters und in dieser Eigenschaft von dessen Tat betroffen ist, und der Betrug nicht die Dispositionsfreiheit, sondern allein das Vermögen schützt, ist es – in jenen Fällen, in denen der Getäuschte und der am Vermögen Geschädigte unterschiedliche Personen sind – aus dem Blickwinkel des § 166 StGB irrelevant, ob auch der Getäuschte ein Familienangehöriger ist (RIS-Justiz RS0094490; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 4, 7, 50 und 162).

Nach § 166 Abs 3 StGB ist der Täter nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen. Die Durchführung eines Hauptverfahrens setzt in diesem Fall somit die Erhebung der Privatanklage durch diesen voraus (§ 71 Abs 1 StPO).

Vor Anordnung der Hauptverhandlung hat der Einzelrichter den Strafantrag zu prüfen und im (hier relevanten) Fall des § 212 Z 7 StPO – wenn der nach dem Gesetz erforderliche Antrag eines hiezu Berechtigten fehlt – den Strafantrag mit Beschluss zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen (§ 485 Abs 1 Z 3 StPO).

Zeigt sich erst in der Hauptverhandlung, dass das Strafverfahren ohne Antrag eines gesetzlich berechtigten Anklägers eingeleitet wurde, ist der Angeklagte gemäß § 259 Z 1 StPO von der Anklage freizusprechen.

Ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Urteilsfeststellungen war die Ehe zwischen dem Opfer und dem Angeklagten noch aufrecht. Da die vom Vorsatz des Angeklagten umfassten Vermögensfolgen seiner Tat (ON 11 S 3) allein das Vermögen seiner Ehegattin betrafen und die Anwendung des § 166 Abs 1 StGB eine Angehörigeneigenschaft des Getäuschten nicht voraussetzt, wäre die Tat nicht § 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB, sondern dem Vergehen des schweren Betruges im Familienkreis nach § 166 Abs 1 iVm § 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB zu unterstellen gewesen (vgl Kirchbacher in WK² StGB § 166 Rz 43).

Überdies wäre die Ahndung der Tat nach § 166 Abs 3 StGB und § 71 Abs 1 StPO – anstelle des von der Staatsanwaltschaft erhobenen Strafantrags (ON 5) – einer Privatanklage des Opfers vorbehalten gewesen. Da diese nicht vorlag und das aufrechte Ehegattenverhältnis (sich nicht erst in der Hauptverhandlung zeigte, sondern) bereits aus der Aktenlage bei Einbringung des Strafantrags hervorging (14 Ns 14/17w; vgl RIS-Justiz RS0131997), hätte der Einzelrichter den Strafantrag im Hinblick auf den fehlenden Antrag des zur Anklage Berechtigten bereits im Zug der vor der Anordnung der Hauptverhandlung gemäß § 485 Abs 1 StPO zwingend durchzuführenden Prüfung gemäß Z 3 leg cit zurückweisen und das Verfahren einstellen oder den Angeklagten von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf gemäß § 488 Abs 1, 259 Z 1 StPO freisprechen müssen (vgl 16 Os 55/91).

Die Anordnung (§ 485 Abs 1 StPO) und Durchführung der Hauptverhandlung verletzte daher § 485 Abs 1 Z 3 StPO; die darauf folgende Urteilsfällung am § 166 Abs 1, Abs 3 StGB sowie § 259 Z 1 iVm § 488 Abs 1 StPO.

Diese Gesetzesverletzungen wirkten sich zum Nachteil des Verurteilten aus, sodass deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit aus dem Spruch ersichtlicher konkreter Wirkung zu verknüpfen war.

Hiebei war zu berücksichtigen, dass eine Verurteilung wegen der von § 147 Abs 1 Z 1 StGB verdrängten (RIS-Justiz RS0094516; Kirchbacher in WK² StGB § 147 Rz 23 ff), per se der Privilegierung des § 166 Abs 1 StGB nicht unterliegenden Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB im Gegenstand nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0094516, RS0094490; Kienapfel/Schroll in WK² StGB § 223 Rz 264; Kirchbacher in WK² StGB § 166 Rz 36 und 44 [vgl auch § 147 Rz 26]; Fabrizy, StGB13§ 166 Rz 13; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4§ 166 Rz 23).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00118.19S.1008.000

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