OGH vom 28.01.2014, 10Ob56/13b

OGH vom 28.01.2014, 10Ob56/13b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj A*****, geboren am *****, vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Perg, 4320 Perg, Dirnberger Straße 11), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 264/13v 14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Perg vom , GZ 2 Pu 17/13m 6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Eltern des Minderjährigen schlossen am vor dem Erstgericht einen Scheidungsvergleich, nach dessen Inhalt die alleinige Obsorge für den Minderjährigen der Mutter zukommt. Der Vater verpflichtete sich, zum Unterhalt seines Sohnes ab einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 205 EUR am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein mit 5 tägigem Respiro zu zahlen. Diese Unterhaltsvereinbarung wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom , 2 Ps 17/13m 11, pflegschaftsgerichtlich genehmigt.

Am beantragte der Kinder und Jugendhilfeträger als Vertreter des Minderjährigen die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe. Der Unterhaltsschuldner komme seiner Unterhaltspflicht nicht nach, weshalb gegen ihn gleichzeitig ein Exekutionsantrag eingebracht werde.

Das Erstgericht gewährte mit Beschluss vom dem Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe vom bis . Der Unterhaltsschuldner habe nach der eingetretenen Vollstreckbarkeit des Unterhaltsvergleichs vom den laufenden Unterhaltsbetrag nicht zur Gänze geleistet. Gegen den Unterhaltsschuldner sei beim Erstgericht eine Forderungsexekution nach § 294 EO eingebracht worden.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss vom Bund erhobenen Rekurs, mit dem die Abweisung des Antrags auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen für die Zeit vom bis beantragt wurde, nicht Folge. Es verwies im Wesentlichen auf die Bestimmung des § 190 Abs 3 ABGB idF des KindNamRÄG 2013, wonach vor Gericht geschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen zu ihrer Rechtswirksamkeit entgegen der früheren Rechtslage keiner gerichtlichen Genehmigung mehr bedürfen. Diese Neuregelung sei auch auf bereits vor dem abgeschlossene, aber bis dahin noch nicht gerichtlich genehmigte Vereinbarungen über den Kindesunterhalt anzuwenden. Die gegenständliche Unterhaltsvereinbarung vom habe daher keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung mehr bedurft und sei seit dem Inkrafttreten des KindNamRÄG 2013 mit rechtswirksam. Der Minderjährige habe daher aufgrund seiner Antragstellung am bereits ab Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der erheblichen Rechtsfrage, ob die Bestimmung des § 190 Abs 3 ABGB idF des KindNamRÄG 2013 auch auf Unterhaltsvereinbarungen anzuwenden sei, welche vor dem geschlossen worden seien, vorliege.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz, mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass der Antrag des Minderjährigen auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen für die Monate März und April 2013 abgewiesen werde.

Es wurden keine Revisionsrekursbeantwortungen erstattet.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber macht im Wesentlichen geltend, gemäß § 5 ABGB wirkten Gesetze nicht zurück und hätten daher auf vorangegangene Handlungen grundsätzlich keinen Einfluss. Die Übergangsbestimmungen des § 1503 ABGB sähen in Bezug auf § 190 ABGB nichts Gegenteiliges vor. Dies bedeute, dass nach der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses geltenden Rechtslage der Scheidungsfolgenvergleich vom zu seiner Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft habe. Es könne gerade nicht davon abhängen, ob das Pflegschaftsgericht noch vor dem über die Genehmigung entscheide oder allenfalls aus welchen Gründen immer mit der Entscheidung zuwarte.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

1. Nach der vor dem Inkrafttreten des KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15, bestehenden Rechtslage bedurfte die von den Eltern anlässlich der einvernehmlichen Scheidung betreffend den Minderjährigen getroffene Unterhaltsvereinbarung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Bis zur Entscheidung durch das Pflegschaftsgericht über die Genehmigung war diese unter Bindung beider Vertragsteile schwebend unwirksam. Erteilte das Gericht die Genehmigung, wurde die Vereinbarung rückwirkend voll wirksam. Trotz der Rückwirkung dieser Genehmigung musste im Zeitpunkt der Bewilligung von Unterhaltsvorschüssen auch die Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses eingetreten sein (10 Ob 80/11d mwN; RIS Justiz RS0127195). Beruhte die Unterhaltsverpflichtung daher wie im vorliegenden Fall auf einem Vergleich, der erst der gerichtlichen Genehmigung bedurfte, konnte die Vollstreckbarkeit erst mit der Genehmigung eintreten. Danach war abzuwarten, ob der darauf folgend fällig gewordene laufende Unterhaltsbeitrag vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil geleistet wurde ( Neumayr in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 3 UVG Rz 10 mwN).

2. Gemäß § 190 Abs 3 ABGB idF des KindNamRÄG 2013 bedürfen vor Gericht geschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen zu ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung (mehr) und sind für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich.

2.1 Gemäß § 1503 Z 1 ABGB trat das KindNamRÄG 2013, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, mit in Kraft. Weitere Regelungen bezüglich § 190 Abs 3 ABGB enthalten die Übergangsbestimmungen des § 1503 ABGB nicht.

3. Es stellt sich daher im vorliegenden Fall die entscheidungswesentliche Frage, ob die Bestimmung des § 190 Abs 3 ABGB idF des KindNamRÄG 2013 auch auf Unterhaltsvereinbarungen anzuwenden ist, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes mit abgeschlossen wurden, dh im konkreten Fall, ob der Vergleich vom in Bezug auf die Vollstreckbarkeit der Unterhaltsvereinbarung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf oder nicht.

3.1 Mit dieser Frage hat sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 238/13s vom ausführlich auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass auf vor dem abgeschlossene, aber davor noch nicht gerichtlich genehmigte Vereinbarungen über den Kindesunterhalt bereits das neue Recht anzuwenden ist. Vereinbarungen dieser Qualität sind also ab ohne gerichtliche Genehmigung wirksam und konsequenterweise aufgrund der Neuregelung nur für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich.

3.2 In der Begründung wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass das bis bestehende Erfordernis der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung einer von den Eltern im Rahmen einer Scheidung nach § 55a EheG geschlossenen Unterhaltsvereinbarung nicht den Sinn hatte, den Eintritt der Vollstreckbarkeit zugunsten des geldunterhaltspflichtigen Elternteils hinauszuzögern, sondern eine Überprüfung allein im Interesse des Kindes zu ermöglichen. Wenn der Gesetzgeber dieses Erfordernis der Genehmigung ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr als notwendig oder nicht mehr als zeitgemäß ansieht, kann er schwerlich zwischen noch nicht genehmigten Altvereinbarungen und ab dem geschlossenen „Neuvereinbarungen“ differenzieren; eine solche Unterscheidung wäre purer Formalismus: Die angestrebte Vereinfachung soll ab „gelten“. Relevanz kann also nicht dem Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zukommen; vielmehr will der Gesetzgeber entsprechend dem Inhalt der Gesetzesmaterialien ab eine „Vereinfachung der bisherigen Praxis“ erreichen, ohne dadurch den Rechtsschutz der betroffenen Kinder zu schmälern. Der geldunterhaltspflichtige Elternteil wird in diesem Sinn nicht als schutzwürdig angesehen, was auch deshalb naheliegt, weil er auch schon nach der alten Rechtslage im Zeitraum der schwebenden Unwirksamkeit der Vereinbarung an diese gebunden war.

4. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung des 3. Senats an und gelangt daher im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die gegenständliche Unterhaltsvereinbarung vom seit auch ohne gerichtliche Genehmigung wirksam und für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich ist. Der Minderjährige hat daher aufgrund seiner Antragstellung am bereits ab Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse.

Aufgrund der dargelegten Erwägungen musste der Revisionsrekurs des Bundes erfolglos bleiben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00056.13B.0128.000