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OGH vom 24.03.2010, 9Ob55/09t

OGH vom 24.03.2010, 9Ob55/09t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1.) p***** austria GmbH, *****, 2.) Mag. DI Ä***** P*****, Unternehmer, *****, 3.) p***** International GmbH, *****, und 4.) W***** Holding AG, *****, alle vertreten durch Dr. Christian Willmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien Maria Enrichetta M***** C*****, vertreten durch DDr. Giampaolo Caneppele, Rechtsanwalt in Villach, wegen Unterlassung, in eventu Feststellung und einstweiliger Verfügung (Streitwert im Provisorialverfahren 100.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 5 R 65/09g 39, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 45 Cg 11/08y-32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben:

„1.) Dem Widerspruch der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien gegen die einstweilige Verfügung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 45 Cg 11/08y 9, wird Folge gegeben.

2.) Die einstweilige Verfügung vom , GZ 45 Cg 11/08y-9, des Inhalts, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien werde bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Rechtsstreits aufgetragen, jede Exekutionsführung aufgrund des Schiedsspruchs des internationalen Schiedsgerichts in Triest vom zu unterlassen, wird aufgehoben.

3.) Die klagenden und gefährdeten Parteien sind schuldig, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien die mit 7.081,82 EUR (darin 1.180,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens erster Instanz sowie die mit 1.777,14 EUR (darin 296,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens über den Widerspruch binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.“

Die klagenden und gefährdeten Parteien sind weiters schuldig, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien die mit 6.808,28 EUR (darin 355,38 EUR USt und 4.676 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens im Provisiorialverfahren binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Erstklägerin ist Muttergesellschafterin eines namhaften österreichischen Industriekonzerns, der schwerpunktmäßig im Bereich der Kettenfertigung international tätig ist. Der Zweitkläger ist Unternehmer und unter anderem Geschäftsführer der Erst und Drittklägerin sowie Vorstandsmitglied der Viertklägerin. Auch die Beklagte war bis vor kurzem in Italien im Bereich der Kettenfertigung unternehmerisch tätig und hält nach wie vor Beteiligungen an diversen Gesellschaften. Am erging zu Gunsten der Beklagten in einem internationalen Schiedsgerichtsverfahren in Triest ein Schiedsspruch, mit welchem unter anderem sämtliche Kläger verurteilt wurden, der Beklagten 9.249.018,08 EUR sA zu zahlen. Eine von den aus dem Schiedsspruch verpflichteten Parteien erhobene Anfechtungsklage wurde vom Oberlandesgericht Triest abgewiesen. Gegen die erst und zweitklagende Partei ist bereits ein unterbrochenes Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs anhängig.

Ab 1998 und vor allem im Jahr 1999 gab es Bestrebungen der „p*****-Gruppe“, also im Wesentlichen der Erstklägerin und ihrer Konzerngesellschaften, die sogenannte „W*****-Gruppe“, das waren im Wesentlichen die F***** W***** S.p.A. als Holdinggesellschaft und die A***** W***** S.p.A. als wichtigste Konzerngesellschaft sowie weitere Konzerngesellschaften im Wege des Aktienkaufs zu übernehmen. Aktionäre bzw Eigentümer der W*****-Gruppe waren zu 39 % die Beklagte, zu 60 % deren am verstorbener Bruder Ing. Carlo M***** und zu 1 % eine von diesen beiden Personen dominierte Kapitalgesellschaft mit Sitz in Zürich. Die Beklagte ist die Universalerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Bruders Ing. Carlo M*****. Zum Zwecke der Übernahme der W*****-Gruppe wurde die Viertklägerin gegründet, welche zunächst die Firma „p***** Holding Aktiengesellschaft“, dann „p***** W***** Holding Aktiengesellschaft“ und nunmehr die Firma „W***** Holding AG“ führt. Die Viertklägerin hält die Anteile an einer italienischen Tochtergesellschaft, nämlich der A***** S.p.A. (früher A***** S.r.l.). In der Hauptversammlung der Viertklägerin vom wurde zunächst eine Kapitalerhöhung zusätzlich eines Agios von 330 % beschlossen. Die Kapitalerhöhung wurde von der Beklagten mit einem Aktien-Nominale von 1.025.600 EUR und von deren Bruder mit einem Aktien Nominale von 1.831.800 EUR gezeichnet, einschließlich des Agios wurden insgesamt 12.286.820 EUR in das Vermögen der Viertklägerin einbezahlt. Diese Barmittel wurden von der Viertklägerin ihrer Tochtergesellschaft A***** S.p.A. im Wege einer Kapitalerhöhung zugeführt (insoweit unstrittig das Vorbringen auf AS 9 unten). Die A***** S.p.A. erwarb die von der Beklagten, ihrem Bruder und deren gemeinsamer Gesellschaft gehaltenen Aktien und Anteile an der „W*****-Gruppe“ in Italien. Noch vor dieser Anteilsübernahme hatte die Beklagte im September 1999 10 Mrd Lit in die Gesellschaftskasse der A***** W*****, der wichtigsten Konzerngesellschaft der „W*****-Gruppe“ geleistet und verzichtete im Dezember 1991 auf die Rückzahlung. Ing. Carlo M***** hatte der Gesellschaft 9 Mrd Lit zugezählt. Diese Zahlungen waren wegen vom Zweitkläger festgestellter Lagerfehlbestände erfolgt. In einer Vereinbarung vom verpflichtete sich der Zweitkläger, dass er oder ein von ihm namhaft gemachter Dritter die von der Beklagten und ihrem Bruder erworbenen Aktien an der Viertklägerin zurückkaufen müssten. Dabei wurde ein Betrag von 5.500.000.000 Lit vereinbart und überdies die Übergabe von Forstbesitz und einer Liegenschaft zugesagt. Während 1.500.000.000 Lit bei Vertragsunterzeichnung geleistet wurden, steht der in Raten zu leistende Restbetrag noch zur Zahlung offen. Die diesbezüglichen Ratenzahlungen wurden eingestellt. Daraufhin erließ das von der Beklagten angerufene Schiedsgericht den oben genannten Schiedsspruch mit der Zahlungsverpflichtung sämtlicher Kläger dieses Verfahrens.

Mit Schreiben vom forderte die Viertklägerin die Beklagte auf, die Einlage aus der Kapitalerhöhung vom in Höhe von 12.286.820 EUR (nochmals) zu leisten. Hinsichtlich dieser Forderung erhob die Beklagte beim Landesgericht Udine gegenüber dem Zweitkläger und der Viertklägerin eine negative Feststellungsklage, das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig beendet.

Mit Schreiben vom erklärte die Viertklägerin gegenüber der Beklagten die Aufrechnung ihrer Forderung von 12.286.820 EUR gegen die Forderung aus dem Schiedsspruch vom in Höhe von 9.249.018,08 EUR sA.

Mit ihrer Klage vom begehren die Kläger 1.) (Hauptbegehren) die Beklagte für schuldig zu erkennen, ab sofort jede Exekution aufgrund des Schiedsspruchs des internationalen Schiedsgerichts in Triest vom zu unterlassen bzw 2.) (Eventualbegehren) festzustellen, dass der Anspruch der Beklagten gegenüber den Klägern auf Zahlung von 9.249.018,08 EUR sA, resultierend aus dem Schiedsspruch des internationalen Schiedsgerichts in Triest vom , durch Aufrechnung getilgt sei. Ausdrücklich nur zur Sicherung des Eventualbegehrens (s AS 27 unten) begehrten die Kläger, der Beklagten bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreits aufzutragen, jede Exekutionsführung aufgrund des Schiedsspruchs des internationalen Schiedsgerichts in Triest vom zu unterlassen.

Die Kläger brachten hiezu vor, dass sie aufgrund des Schiedsspruchs solidarisch zur Zahlung verpflichtet seien, der Viertklägerin aber ein übersteigender Anspruch gegenüber der Beklagten zustehe, mit welchem aufgerechnet worden sei, sodass die Forderung der Beklagten erloschen sei. Dennoch strenge sie die Vollstreckung des Schiedsspruchs an. Daraus könne den Klägern ein unwiederbringlicher Schaden, insbesondere durch Imageverlust, entstehen. Die Geltendmachung der Forderung aus dem Schiedsspruch sei rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte über die rechtmäßig erfolgte Aufrechnung Bescheid wisse. Die Forderung der Viertklägerin gegenüber der Beklagten ergebe sich einerseits daraus, dass eine verdeckte und somit unwirksame Sacheinlage, welche den Vorschriften des Aktiengesetzes über die Prüfung von Sacheinlagen nicht entsprochen habe, erfolgt sei: Die im Zuge der Kapitalerhöhung bei der Viertklägerin von der Beklagten und ihrem Bruder erworbenen Aktien seien wohl bezahlt worden, doch habe diese Zahlung nur dazu gedient, um im Umweg über die italienische Tochter der Viertklägerin die von der Beklagten und ihrem Bruder gehaltenen Aktien an der italienischen „W*****-Gruppe“ zu erwerben. Im Übrigen seien diese Anteile an der „W*****-Gruppe“ aber auch nicht werthaltig gewesen, sodass auch eine (verdeckte) unzulässige Einlagenrückgewähr gegeben sei. Die Viertklägerin sei daher jedenfalls berechtigt gewesen, auf die nochmalige Einzahlung des Aktiennominales zuzüglich Agios zu dringen.

Das Erstgericht erließ zunächst die beantragte einstweilige Verfügung ohne Anhörung der Beklagten (ON 9). Dagegen brachte die Beklagte Rekurs und Widerspruch ein. Im Widerspruch erhob die Beklagte zwar in erster Linie materielle Einwendungen, wies aber auch auf die Unzulässigkeit der beantragten Provisorialmaßnahme hin. Während dem Rekurs nicht Folge gegeben wurde, gab das Erstgericht dem Widerspruch statt und hob die einstweilige Verfügung auf (ON 32). Ausgehend vom eingangs festgestellten Sachverhalt gelangte das Erstgericht zur Rechtsauffassung, dass ein Anspruch auf Unterlassung einer Verfahrenshandlung, wie einer Exekutionsführung, nur bei Rechtsmissbrauch in Frage käme. Ein solcher liege aber hier nicht vor.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es den Widerspruch abwies und die beantragte Provisorialmaßnahme gegen Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000 EUR erließ. Es sprach in seiner Entscheidung vom aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs aber nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den im Folgenden darzulegenden Gründen zulässig und berechtigt.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung (RIS Justiz RS0004891) auch ein Eventualbegehren durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden kann, wenn Hauptbegehren und Eventualbegehren einander nicht ausschließen. Hier besteht das Eventualbegehren in dem Feststellungsbegehren, dass ein Anspruch der Beklagten durch Aufrechnung getilgt ist. Die völlig einhellige Rechtsprechung (RIS Justiz RS0011598) lässt provisorische Sicherungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Feststellungsverfahren dann ausnahmsweise zu, wenn hinter dem Feststellungsprozess bedingte oder künftige jedoch klagsweise noch nicht durchsetzbare Leistungsansprüche stecken. Leistungsansprüche beziehen sich auf ein Handeln, Dulden oder Unterlassen und sind grundsätzlich sicherungsfähig ( Zechner , Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung § 378 EO Rz 4). Die Erwägungen zur Sicherungsfähigkeit von Feststellungsansprüchen kommen im vorliegenden Fall für die Kläger nicht überraschend, weil sie in ihrem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss selbst auf die diesbezügliche Rechtsprechung Bezug nehmen (AS 327). Dem Vorbringen zum Provisorialantrag, der sich nur auf das Eventual Feststellungsbegehren bezieht, lässt sich nicht entnehmen, welche „bedingte“ oder „künftige“ Forderung hinter dem Feststellungsbegehren stecken soll. Von einer Bedingung kann keine Rede sein, da nach dem Vorbringen der Kläger die fällige Forderung der Beklagten bereits durch die in der Vergangenheit erfolgte Aufrechnung mit einer ebenfalls fälligen Forderung erloschen ist. Was nun den „dahinter steckenden“ Anspruch auf Unterlassung der Exekutionsführung anlangt, geben die Kläger gerade dadurch, dass sie diesen Anspruch als Hauptanspruch geltend machen, selbst zu erkennen, dass dieser Anspruch nicht erst künftig entstehen wird. Für welchen über das Hauptbegehren hinausgehenden Fall die Sicherung des Eventual Feststellungsbegehrens daher Geltung haben soll, bleibt völlig unklar. Im Hinblick auf die vorerwähnte Rechtsprechung ist daher die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Feststellungsbegehrens unzulässig. Somit kommt es im Ergebnis weder darauf an, ob in einer Exekutionsführung seitens der Beklagten ein Rechtsmissbrauch liegt, noch darauf, ob ein Anspruch auf Unterlassung von Verfahrenshandlungen durch einstweilige Verfügung sicherungsfähig ist (dafür: König , Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren 2/90; ausdrücklich offen lassend: 7 Ob 580/94, 1 Ob 48/02v in RIS Justiz RS0018304).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 402, 78 EO und § 52 Abs 1 ZPO. Da die beantragten Maßnahmen im Provisorialverfahren nicht berechtigt waren, konnten der Gegnerin der gefährdeten Parteien die Kosten über das Widerspruchsverfahren sogleich bestimmt werden (2 Ob 278/03a ua).