VfGH vom 28.02.1989, B1710/88
Sammlungsnummer
11981
Leitsatz
Nachschau durch Organe des Arbeitsamtes in einem Gebäude, das zur Gänze Baustelle war; Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt; Legitimation der verfügungsberechtigten Baugesellschaft gegeben; keine Verletzung des Hausrechtes
Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist dadurch, daß Organe des Arbeitsamtes Bau-Holz am zwischen etwa 13,30 Uhr und 15,30 Uhr im Gebäude Wien 5., Anzengrubergasse 28, eine Nachschau hielten, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Die beschwerdeführende Baugesellschaft führte im Sommer 1988 im Haus Anzengrubergasse 28, Wien 5, eine Generalsanierung durch. Ihrem Vertreter wurden nach ihren Behauptungen vom Hausverwalter die Schlüssel zum Haus übergeben, worauf sie dort eine Baustelle einrichtete. Den vorgelegten Aktenunterlagen zufolge war das Haus damals unbewohnt.
b) In der vorliegenden, auf Art 144 (Abs1 zweiter Satz) B-VG gegründeten Beschwerde wird ausgeführt, daß sich Organe des Arbeitsamtes Bau-Holz am in der Zeit zwischen etwa 13,30 Uhr und 15,30 Uhr Zugang zum Haus verschafft, es eigenmächtig betreten und es nach ungarischen Arbeitnehmern durchsucht hätten, von denen die Behörde angenommen habe, sie besäßen keine Beschäftigungsbewilligungen.
Die vorliegende Beschwerde wendet sich gegen diese als Hausdurchsuchung qualifizierte Maßnahme, für die jegliche gesetzliche Grundlage gefehlt habe. Es wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrechtes behauptet und begehrt, diese Rechtsverletzung kostenpflichtig festzustellen.
2. Das Arbeitsamt Bau-Holz als belangte Behörde legte die bezughabenden Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
Da den Organen des Arbeitsamtes von Sicherheitswachebeamten Assistenz geleistet worden war, schaffte der Verfassungsgerichtshof auch die darauf bezughabenden Akten der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Margareten, Zl. Vm 259/88/Mg, bei.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Aufgrund der Beschwerdebehauptungen und der erwähnten Verwaltungsakten steht fest, daß die Organe der belangten Behörde gegen den Willen des Verfügungsberechtigten in das Haus eindrangen.
Verfügungsberechtigt war damals (auch) die beschwerdeführende Gesellschaft. Es ist daher nicht unmöglich, daß durch die bekämpfte Maßnahme ihre subjektiven Rechte verletzt wurden. Sie ist demnach beschwerdelegitimiert.
Die Maßnahme stellt einen in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangenen Verwaltungsakt dar, der in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift. Sie ist - da ein Rechtsmittel gegen sie gesetzlich nicht vorgesehen ist - nach Art 144 Abs 1 zweiter Satz B-VG beim Verfassungsgerichtshof bekämpfbar.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2.a) Für eine Hausdurchsuchung iS des (auf Verfassungsstufe stehenden) Gesetzes vom 27. Oktober 1862, RGBl. 88, zum Schutze des Hausrechtes (HausrechtsG) ist u.a. wesentlich, daß eine "Wohnung" oder "sonstige zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten" durchsucht werden.
Der Verfassungsgerichtshof hat in dem Erk. VfSlg. 1486/1933 (bekräftigt mit VfSlg. 5182/1965 und 9525/1982) dargetan, daß durch dieses Gesetz "ein die persönliche Würde und Unabhängigkeit verletzender Eingriff in den Lebenskreis des Wohnungsinhabers, in Dinge, die man im allgemeinen berechtigt und gewohnt ist, dem Einblick Fremder zu entziehen", hintangehalten werden soll. Das HausrechtsG bezweckt den Schutz der Intimsphäre des Inhabers jeder "Räumlichkeit", die einer Wohnung vergleichbar ist (vgl. VfSlg. 9525/1982, 10124/1984).
b) Bei diesem Inhalt des HausrechtsG, der sich aus dessen Sinn ergibt, ist klar, daß ein Gebäude, das zur Gänze Baustelle und daher unbewohnt ist, grundsätzlich keine - des Schutzes der Intimsphäre bedürftige - Räumlichkeit iS des HausrechtsG ist. Besondere Umstände, die bewirken könnten, daß Teile einer Baustelle ausnahmsweise doch als derartige Räumlichkeiten anzusehen sind, lagen selbst nach den Beschwerdebehauptungen hier nicht vor. Vielmehr wurde lediglich an einer Baustelle Nachschau gehalten, ob dort ausländische Arbeitsnehmer beschäftigt waren.
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde also allein schon deshalb nicht im Hausrecht verletzt; es war daher entbehrlich zu untersuchen, ob die behördliche Nachschau überhaupt ein "Durchsuchen" in der Bedeutung des HausrechtsG (vgl. hiezu zB VfSlg. 9525/1982) darstellte.
3. Aus den gleichen Erwägungen wurde auch in das durch Art 8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Wohnung gar nicht eingegriffen (vgl. hiezu etwa VfSlg. 10272/1984, 10547/1985).
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.