OGH vom 08.10.2008, 9Ob55/08s

OGH vom 08.10.2008, 9Ob55/08s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Lukas E*****, geboren am und Fabian E*****, geboren am , über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Dipl.-Ing. Thomas F*****, Angestellter, *****, vertreten durch WT Tautschnig Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 4 R 146/08z-S90, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 1 P 100/98a-S71, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Lukas und Fabian sind die außerehelichen Kinder von Claudia E*****, geboren am , und Dipl.-Ing. Thomas F*****, geboren am . Die Lebensgemeinschaft endete im Juni 1998. Es besteht ein gerichtliches Besuchsrecht, wonach Kinder und Vater berechtigt sind, an jedem zweiten Samstag (gerade Kalenderwochen) von 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr persönlich miteinander zu verkehren, wobei der Vater die Kinder um 9:00 Uhr an der Adresse der Mutter abholt und sie um 18:00 Uhr wieder dorthin zurückbringt. Bereits mit Beschluss vom , ON S 41, wurde über die Mutter, welcher die Obsorge zukommt, eine Geldstrafe von 500 EUR verhängt. Dem Beschluss wurde zugrunde gelegt, dass die Mutter nicht nur keine aktive Rolle bei der Ausweitung der Besuchskontakte übernahm, sondern auch Ängste bei den Kindern vor dem Vater hervorrief und diesbezüglich psychischen Druck auf die Kinder ausübte.

Der Vater beantragte nunmehr neuerdings die Verhängung einer Geldstrafe über die Mutter, weil er zwar am 22. 9., 6. 10., 27. 10. und zum Haus der Mutter gefahren sei, mit den Kindern auch habe sprechen können, die Mutter es aber wie bisher nicht veranlasst habe, dass die Söhne mit dem Vater in dessen Auto mitfahren.

Dem hält die Mutter entgegen, dass sie die Besuche nicht verhindere, sondern es der Wunsch der Kinder sei, wie auch früher die Besuche durch den Vater im Pfarrzentrum durchführen zu lassen.

Das Erstgericht verhängte über die Mutter eine Geldstrafe in Höhe von 1.500 EUR. Es stellte aufgrund der Aktenlage, insbesondere der Eingaben der Eltern fest, dass die Mutter wie bisher psychischen Druck auf ihre Kinder ausübt, sodass diese nicht mit dem Vater mitfahren.

Das Rekursgericht vernahm ergänzend die beiden Minderjährigen und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es den Antrag des Vaters, zur Durchsetzung der Besuchsrechtsregelung über die Mutter eine Geldstrafe zu verhängen, abwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig ist. Es stellte fest, dass die Minderjährigen den Kontakt mit dem Vater schätzen und wollen, dass aber den Kindern das bei einer normalen Vater-Sohn-Beziehung gegebene Vertrauensverhältnis fehlt. Die beiden Buben fühlen sich unverstanden, sie haben das Gefühl, dass der Vater viel zu wenig mit ihnen rede und sie nicht in seine Pläne und Absichten einweihe. Sie würden sich (allenfalls sogar wöchentliche) Kontakte mit dem Vater wünschen, allerdings unter vorbesprochenen, für sie vorhersehbaren und kalkulierbaren Umständen. Derzeit wollen sie nicht mit dem Vater in dessen PKW mitfahren. Bei Aktivitäten (Minigolf spielen oder Boot fahren) wollen sie von der Mutter zum Treffpunkt gebracht und nach Ablauf der Besuchszeit von dort wieder abgeholt werden.

Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, dass von der Mutter nicht verlangt werden könne, auf die Kinder Zwang auszuüben, mit dem Vater mitzufahren; somit sei ihr auch kein Fehlverhalten vorzuwerfen, dessen Änderung durch eine Geldstrafe herbeigeführt werden könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt werde, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Rahmen des Aufhebungsantrags berechtigt.

Zur behaupteten Aktenwidrigkeit: Eine solche ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt, wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde, nicht aber schon dann, wenn das aufgrund der Beweisaufnahme gewonnene Sachverhaltsbild bloß vom Parteivorbringen abweicht. Erwägungen der Tatsacheninstanzen, weshalb der Sachverhalt als erwiesen angenommen oder bestimmte Feststellungen nicht getroffen werden können, fallen in das Gebiet der Beweiswürdigung und können daher keine Aktenwidrigkeit bilden (RIS-Justiz RS0043347). Mit seiner Aktenwidrigkeitsrüge versucht der Rechtsmittelwerber hier, in unzulässiger Weise ihm nicht genehme Feststellungen zu bekämpfen.

Soweit sich der Rechtsmittelwerber zur Dartuung eines Verfahrensmangels auf die Bestimmung des § 488 ZPO beruft, übersieht er, dass Abweichungen in den Feststellungen durch das Rekursgericht im Außerstreitverfahren nunmehr in § 52 Abs 2 AußStrG geregelt sind. Erwägt danach das Rekursgericht, von den Feststellungen des Erstgerichts abzuweichen, so darf es nur dann von der neuerlichen Aufnahme eines in erster Instanz unmittelbar aufgenommenen, für die Feststellungen maßgeblichen Beweises Abstand nehmen, wenn es vorher den Parteien bekannt gegeben hat, dass es gegen die Würdigung dieses Beweises durch das Erstgericht Bedenken habe und ihnen Gelegenheit gegeben hat, eine neuerliche Aufnahme dieses Beweises durch das Rekursgericht zu beantragen; im vorliegenden Fall hat aber das Erstgericht keine unmittelbaren Beweise aufgenommen, sondern aufgrund der Aktenlage entschieden. Somit liegt ein Verstoß des Rekursgerichts gegen § 52 Abs 2 AußStrG nicht vor.

Hingegen kommt der Rechtsrüge wegen Vorliegens eines sekundären Feststellungsmangels Berechtigung zu.

Gemäß § 110 Abs 1 AußStrG hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen angemessene Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG anzuordnen, um das Recht auf persönlichen Verkehr durchzusetzen. Da die in § 79 Abs 2 AußStrG (2005) angeführten Zwangsmittel im Wesentlichen jenen nach dem früheren AußStrG entsprechen, kann auf die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden (RIS-Justiz RS0007310 [T9]). Zweck dieser Maßnahmen ist es, nicht für die Vergangenheit zu bestrafen, sondern dem Besuchsrecht in Zukunft zum Durchbruch zu verhelfen. Das Recht auf persönlichen Verkehr hat im Konfliktfall gegenüber dem Wohl des Kindes zwar zurückzustehen, doch muss der Konflikt in seinen nachteiligen Auswirkungen auf das Kind jenes Maß überschreiten, das als natürliche Folge der Zerrüttung des Familienbandes in Kauf genommen werden muss (RIS-Justiz RS0048068). Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0048068 [T7], RS0047942; RS0047996 ua) ist der erziehungsberechtigte Elternteil verpflichtet, einer unberechtigten Ablehnung des persönlichen Kontakts zum anderen Elternteil durch das Kind entgegen zu wirken. Insbesondere ist der obsorgeberechtigte Elternteil dem Kind gegenüber zu dessen Wohl verpflichtet, es unter Vermeidung jeglicher negativer Beeinflussung bestmöglich auf die Besuche des nicht obsorgeberechtigten Elternteils vorzubereiten und die Kontakte mit ihm sodann unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl zu verarbeiten (RIS-Justiz RS0048068 [T7]). Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung traf das Rekursgericht zwar die Feststellung, dass sich nicht bestätigt habe, dass der Weigerungsgrund der Kinder in einer negativen Beeinflussung durch die Mutter liege. Im Hinblick auf die vorzitierte Rechtsprechung bedarf es aber auch Feststellungen dazu, ob und inwieweit die Mutter sich bemüht, Widerständen der Kinder gegen die zugesprochene Ausübung des Besuchsrechts durch den Vater entgegenzuwirken. Die Argumentation des Rekursgerichts, dass dies nur mit Gewalt ginge und daher nicht verlangt werden könne, entbehrt jedweden Tatsachensubstrats. In diesem Umfang ist das Rekursverfahren daher ergänzungsbedürftig.