OGH vom 10.04.2017, 8Nc9/17s

OGH vom 10.04.2017, 8Nc9/17s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. TarmannPrentner und den Hofrat Dr. Brenn in der beim Bezirksgericht Wels zur AZ 9 C 141/17h anhängigen Rechtssache der klagenden Partei C***** H*****, vertreten durch Mag. Helene Bader, Rechtsanwältin in Mürzzuschlag, gegen die beklagte Partei G***** H*****, vertreten durch Mag. Jürgen Zahradnik, Rechtsanwalt in Lambach, wegen 8.187 EUR sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der klagenden Partei, die Rechtssache an das Bezirksgericht Mürzzuschlag zu delegieren, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger hat vom Beklagten am privat ein gebrauchtes Motorrad gekauft. Er begehrt die Aufhebung dieses Kaufvertrags wegen Irrtums und Verkürzung über die Hälfte mit der Begründung, das Motorrad weise verschwiegene Vorschäden auf, bei deren Kenntnis der Kläger es nicht erworben hätte, es sei nicht einmal die Hälfte des bezahlten Kaufpreises wert.

Der Kläger beantragte neben seiner Parteienvernehmung die Ladung eines in Mürzzuschlag wohnhaften Zeugen und die Einholung eines Kfz-technischen Sachverständigengutachtens.

Der im Sprengel des Bezirksgerichts Wels wohnhafte Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte neben seiner eigenen Parteienvernehmung die Einvernahme eines Zeugen mit Welser Wohnadresse.

Vor Durchführung der vorbereitenden Tagsatzung stellte der Kläger den Antrag, das Verfahren gemäß § 31 JN an das Bezirksgericht Mürzzuschlag zu delegieren.

Die Delegierung sei insbesondere deswegen zweckmäßig, weil das Motorrad am Wohnort des Klägers stehe und nicht verkehrstüchtig sei, sodass die Befundaufnahme an Ort und Stelle stattfinden werde müssen. Es sei davon auszugehen, dass das Bezirksgericht Mürzzuschlag einen im Sprengel dieses Gerichts etablierten Sachverständigen beauftragen werde, wodurch die Gutachtenskosten geringer gehalten werden könnten als bei Bestellung eines im Welser Sprengel ansässigen Sachverständigen.

Der Beklagte sprach sich gegen die Delegierung aus. Ein Wechsel des Gerichtsstands lasse keinen wesentlichen Vorteil erwarten, zumal die Person des Sachverständigen noch gar nicht bestimmt sei.

Das Bezirksgericht Wels legte den Antrag mit einer die Delegierung befürwortenden Stellungnahme vor. Es erscheine kostengünstiger, nicht nur einen im Sprengel des Bezirksgerichts Mürzzuschlag ansässigen Sachverständigen zu bestellen, sondern auch die mündliche Streitverhandlung dort durchzuführen, um die Parteien und Zeugen in seinem Beisein vernehmen zu können.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag ist nicht berechtigt.

Grundsätzlich soll die Delegierung nach § 31 JN nur den Ausnahmefall darstellen; durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten soll keine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RISJustiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung bzw Verbilligung des Verfahrens zu bewirken verspricht.

Gegen den Willen der anderen Partei ist eine Delegierung nach ständiger Rechtsprechung nur dann auszusprechen, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RISJustiz RS0046589; RS0046324).

Aus den Wohnorten der Parteien und Zeugen lässt sich hier keine Präferenz für einen Gerichtsstandort ableiten.

Damit bleibt der Versuch des Delegierungswerbers, die Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung mit der möglichen Befundaufnahme am (nach den Klagsangaben nicht fahrbereiten) Motorrad durch einen Sachverständigen aus dem Sprengel des angerufenen Gerichts zu begründen.

Dieser Umstand kann jedoch die beantragte Delegierung nicht rechtfertigen.

In der Klage wird nicht einmal ansatzweise dargelegt, welcher Teil des Motorrads in welcher Art und Weise beim Kauf schadhaft gewesen sein soll. Falls das Klagsvorbringen nicht konkretisiert wird, ist die Bestellung eines Sachverständigen als bloßer Erkundungsbeweis (vgl RISJustiz RS0039880) gar nicht erforderlich.

Selbst wenn man von diesem Umstand absieht, ist im Zusammenhang mit der Bestellung eines Sachverständigen eine wesentliche Verkürzung bzw Verbilligung des Verfahrens nicht zu erwarten.

Kommt es zur Aufnahme des Sachverständigenbeweises, steht die Möglichkeit, einen im Sprengel des Bezirksgerichts Mürzzuschlag ansässigen Sachverständigen zu beauftragen, auch dem angerufenen Gericht offen. Für den mit der Befundaufnahme und der allfälligen Teilnahme der Parteien daran verbundenen Aufwand ist es ohne Belang, welches Gericht die Bestellung vorgenommen hat.

Im Übrigen kann ein Sachverständigengutachten ebenso schriftlich erstattet werden wie allfällige Ergänzungen nach einer Fragenliste. Für eine mündliche Gutachtenserörterung kann auf die Möglichkeit der Videokonferenz nach § 277 ZPO zurückgegriffen werden.

Die Frage der Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung kann nicht eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens bejaht werden, sodass der Antrag abzuweisen war.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0080NC00009.17S.0410.000

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