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OGH vom 14.07.2022, 9Ob54/22i

OGH vom 14.07.2022, 9Ob54/22i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T* Limited, *, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 10.672,25 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 36/22f-26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 34 C 724/20p-22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 858,06 EUR (darin enthalten 143,01 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Limited nach maltesischem Recht mit Sitz in Malta und verfügt über eine aufrechte Lizenz der Malta Gaming Authority für Online-Glücksspiele.Eine Konzession für ihre Tätigkeiten in Österreich iSd § 12a GSpG für elektronische Lotterien hat sie nicht, bietet aber über ihre deutschsprachige Websitein Österreich Internet-Glücksspiel (Echtgeldpoker- und Casinospiele) an. Der in Österreich wohnhafte Kläger richtete bei der Beklagten einen Account zur Teilnahme am Online-Glücksspiel ein. Grundlage und Vertragsbestandteil für die zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit welchen sich der Kläger bei seiner Registrierung einverstanden erklärte. Der Kläger spielte von Februar 2013 bis März 2020 diverse von der Beklagten angebotene Online-Glücksspiele, darunter Online-Echtgeld-Poker und erlitt dabei Spielverluste von insgesamt 10.145,54 EUR und 616,21 $.

[2] Der Kläger begehrt 10.672,25 EUR sA, weil die mit der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge mangels Konzession nach dem GSpG nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig seien und der saldierte Verlustbetrag bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln sei.

[3] Die Beklagte bestreitet und wendet im Wesentlichen die fehlende Passivlegitimation ein, weil der dem Pokerspiel zugrundeliegende Vertrag zwischen den Spielern untereinander und nicht mit dem Anbieter der Website zustande gekommen sei. Zudem treffe den Beklagten ein Mitverschulden, weil er gemäß § 52 Abs 5 GSpG verpflichtet gewesen wäre, sich vor Abschluss des Glücksspielvertrags über die Rechtmäßigkeit des angebotenen Glücksspiels zu informieren.

[4] Das Erstgericht gab der Klage statt.

[5] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten keine Folge und führte aus, § 52 Abs 5 GSpG diene dem Spielerschutz, nicht dem Schutz der Glücksspielanbieter. Die Rückzahlung von Spielverlusten sei nicht durch § 1174 Abs 1 ABGB ausgeschlossen. Aufgrund der Nichtigkeit der Glücksspielverträge wegen fehlender Konzession, könne der Kläger seine Spieleinsätze zurückfordern.

[6] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines (verbotenen) Online-Pokerspiels keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und der Oberste Gerichtshof zur Relevanz des Verwaltungsstraftatbestands des § 52 Abs 5 GSpG für Rückforderungsansprüche noch nicht ausdrücklich Stellung genommen habe.

[7] Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Zur Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines (verbotenen) Online-Pokerspiels hat der Oberste Gerichtshof in den ebenfalls die Beklagte betreffenden Verfahren 6 Ob 229/21a, 6 Ob 207/21s 3 Ob 197/21s und 9 Ob 79/21i bereits wiederholt Stellung genommen.

[9] Dabei verwies er darauf, dass gemäß § 2 Abs 1 und 4 iVm § 4 Abs 1 GSpG bereits das konzessionslose Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder Zugänglichmachen von Glücksspiel durch einen Unternehmer verboten sei; und zwar auch dann, wenn er nicht selbst am Spiel teilnehme und etwa die Gewinne stelle, sondern nur auf sonstige Weise an der Durchführung des Spiels mitwirke. Vor diesem Hintergrund könne keinem Zweifel unterliegen, dass der Vertrag, mit dem dem Kläger die Teilnahme an Online-Pokerspielen auf der Website der Beklagten ermöglicht worden sei, nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig sei.

[10] Die Passivlegitimation der Beklagten ergebe sich schon daraus, dass diese Empfängerin der Leistung des Klägers gewesen sei. Ein Belassen der Zahlung widerspräche überdies dem Verbotszweck der §§ 2 Abs 1 und 4 iVm § 4 Abs 1 GSpG (vgl insb 6 Ob 229/21a).

[11] 2. Gegen die Rechtsauffassung, dass die Beklagte Vertragspartner eines (nichtigen) Glücksspielvertrags ist, wendet sich die Revision ausdrücklich nicht. Sie argumentiert jedoch damit, dass im Hinblick auf die Verwaltungsstrafbestimmung des § 52 Abs 5 GSpG § 1174 Abs 1 1. Satz ABGB einer Rückforderung entgegensteht.

[12] Wie die Revision allerdings selbst zugesteht, entspricht es – in bewusster Abkehr von vereinzelten früheren Entscheidungen – der ständigen Rechtsprechung seit 1995, dass was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksvertrags gezahlt wurde, zurückgefordert werden kann. Demnach erzeugen verbotene Spiele nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (RS0025607 [T1]). Eine uneinheitliche Rechtsprechung liegt daher nicht vor. Auch die in der Revision zitierten Ausführungen von Klausberger/Riss (in RdW 2021/542) bieten keine Gründe, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen.

[13] 3. Dass ein Spieleinsatz in der Regel nicht gegeben wird, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern, um am Spiel teilzunehmen bzw um den Gewinn zu bezahlen entspricht nicht nur der ständigen Judikatur, sondern auch der Lehre (vgl Krejci/Böhler in Rummel4 §§ 1267–1274 Rz 81; Karner in KBB6, §§ 1267–1274 Rz 9; Binder/Denk in Schwimann/Kodek4, § 1271 Rz 1a).

[14] Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, konkret § 52 Abs 5 GSpG, kommt es daher nicht an.

[15] 4. Diese Rechtsauffassung entspricht, entgegen den Ausführungen in der Revision, auch dem wesentlichen Verbotszweck, nämlich Vermögensnachteile durch verbotene Spiele zu verhindern.

[16] 5. Dass deutsche Amtsgerichte unter Zugrundelegung der deutschen Rechtslage (§ 817 Satz 2 BGB) allenfalls eine Rückforderung ausgeschlossen haben, bietet keine Grundlage dafür von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur österreichischen Rechtslage abzugehen.

[17] 6. Die Revision der Beklagten ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[18] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00054.22I.0714.000

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