VfGH vom 03.12.2008, B1702/07

VfGH vom 03.12.2008, B1702/07

Sammlungsnummer

18631

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung einer Maßnahmenbeschwerde gegen die abfallpolizeiliche Anordnung der Räumung einer Grundfläche von gefährlichen Abfällen; willkürliche Beurteilung des Liegenschaftseigentümers als Anlageninhaber im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002; Beendigung des Mietverhältnisses zum früheren Anlagenbetreiber sowie dessen Konkurs kein ausreichender Grund für die Annahme des Übergangs der Anlageninhaberschaft

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.340,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die ÖSTAB Abfallbeseitigungsgesellschaft mbH & Co KG (im Folgenden: ÖSTAB) hat auf einem vom (inzwischen verstorbenen) Liegenschaftseigentümer seit dem Jahr 1985 gemieteten Areal in Wien mit einer Fläche von 3.453 m² eine (abfallbehördlich genehmigte) Abfallbehandlungsanlage betrieben, in der sowohl gefährliche als auch nicht gefährliche Abfälle (zT nicht genehmigungskonform) gelagert und behandelt wurden.

Wegen längerfristig aufgelaufener Mietzinsrückstände (monatlich rund € 4.800,-) brachte der Liegenschaftseigentümer im Jahr 2004 gegen die Anlagenbetreiberin Klage auf Bezahlung der aushaftenden Beträge sowie auf Räumung des Hauptgebäudes des Mietgegenstandes (samt Auflösungserklärung gemäß § 1118 ABGB) bei Gericht ein. Nach Angaben der beschwerdeführenden Partei sind Mietzinsforderungen iHv insgesamt € 304.755,83 nach wie vor offen. Das (End-)Urteil sei (nach Fällung eines Teilurteils im Jahr 2005) noch nicht ergangen.

Über die ÖSTAB wurde im August 2005 Konkurs eröffnet. Nach Verteilung des Massevermögens an die Gläubiger und (nicht befolgter) konkursgerichtlicher Anordnung der Anlagenschließung (mit Beschluss vom ) wurde der Konkurs (rechtskräftig mit ) aufgehoben; am erfolgte die Löschung der ÖSTAB aus dem Firmenbuch.

Mit Schreiben vom anerkannte der Masseverwalter der ÖSTAB die mit dem erwähnten Räumungsbegehren verbundene Auflösungserklärung betreffend die Mietrechte der ÖSTAB am Bestandsobjekt; die Berichtigung aushaftender Mietzinse sowie die Räumung des Bestandsobjekts sind indes unterblieben.

2. Die Anlage wurde u.a. am gemäß § 62 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) idF BGBl. I 34/2006 einer abfallbehördlichen Revision unterzogen, aus deren Anlass gegenüber dem Liegenschaftseigentümer (als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) gemäß Abs 4 leg.cit. abfallpolizeiliche Sofortmaßnahmen (vollständige Umzäunung des Geländes zur Verhinderung des Betretens durch Unbefugte, Umlagerung von in - im Freien gelagerten - Fässern befindlichen Abfällen, Entsorgen angesammelter Öl-Wasser-Emulsionen) angeordnet und im Wege einer Ersatzvornahme auf Kosten des Grundeigentümers am

30. und durchgeführt wurden (wogegen die beschwerdeführende Partei - ebenfalls [protokolliert zu B340/07 und zu B428/08] - beim Verfassungsgerichtshof Beschwerden eingebracht hat).

Am und am fanden (neuerliche) behördliche Begehungen des Areals statt, nachdem kurz davor Umweltaktivisten das Gelände wiederholt zur Abhaltung medienwirksamer Protestaktionen illegal betreten hatten. Im Rahmen einer am durchgeführten Ortsverhandlung wurde gegenüber dem nach dem Inhalt des Bezug habenden Protokolls als Anlageninhaber qualifizierten Liegenschaftseigentümer N. L. vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 22, (für den Landeshauptmann von Wien) gemäß § 62 Abs 4 AWG 2002 - abermals in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - wegen Gefahr im Verzug der (mündliche) Auftrag zur unverzüglichen Räumung der Liegenschaft von gefährlichen Abfällen sowie zur Absperrung des Areals erteilt.

Da der Liegenschaftseigentümer bekannt gab, dem behördlichen Auftrag nicht Folge zu leisten, veranlasste die Behörde gemäß § 62 Abs 4 AWG 2002 die sofortige Durchführung der Maßnahmen durch die Magistratsabteilung 68/Feuerwehr, einen privaten Wachdienst und ein Unternehmen für Abfallräumung; die letztlich vorgenommene Totalräumung des Geländes von sämtlichen Abfällen nahm mehrere Wochen in Anspruch; bereits im Vorfeld der Auftragserteilung ging die Behörde in einer Kostenschätzung von einem finanziellen Aufwand iHv rd. € 1 Mio. aus.

3. Gegen die Anordnung der Maßnahmen erhob (ersichtlich) die Verlassenschaft nach dem am verstorbenen N. L. (als dessen Rechtsnachfolgerin) beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (im Folgenden: UVS) Maßnahmenbeschwerde, die nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen wurde: Der Liegenschaftseigentümer (bzw. die Verlassenschaft) sei zu Recht als Anlageninhaber in Anspruch genommen worden, in der Anlage würden nach wie vor Abfälle gelagert, die Anlage werde folglich betrieben, weshalb die Behörde berechtigt gewesen sei, gegenüber N. L. bzw. seiner Rechtsnachfolgerin Anordnungen gemäß § 62 Abs 4 AWG 2002 zu treffen.

Zur entscheidenden Frage der Verpflichtung des Rechtsvorgängers der beschwerdeführenden Partei nach § 62 AWG 2002 wird wörtlich ausgeführt:

"Der Begriff des Betriebs- oder Anlageninhabers nach AWG ist jenem nach der Gewerbeordnung nachgebildet (vgl. ). Das Anknüpfen an die bloße Inhaberschaft bezweckt in erster Linie, dass ein Verantwortlicher immer verfügbar ist und verweist auf das Zivilrecht, wonach ein Besitzwille ('animus possedendi') nicht erforderlich ist. Aus dem Zivilrecht ergibt sich auch, dass bei Beendigung eines Mietverhältnisses der Eigentümer die Bestandsache innehat, mag er nun einen Schlüssel besitzen oder nicht. Zurecht verweist die belangte Behörde hiezu auf 984 BlgNR, XXI GP, wo der Begriff des Inhabers erläutert wird. Die Überleitung dieses terminus behelfs des Zivilrechts analog zu § 309 ABGB stößt bei der erkennenden Behörde auf keine Bedenken. Die von den BfV hiezu relevierten Erwägungen zu § 51 AWG 2002 iV § 83 GewO verfehlen somit ihre angestrebte rechtl Argumentation des unrichtigen Anordnungsadressaten. Die weiteren Ausführungen der BfV zu Haftungsfragen sind im öffentl rechtl Verfahren nicht näher zu erörtern.

Der verstorbene Liegenschaftseigentümer und nunmehr die beschwerdeführende Verlassenschaft sind daher Inhaber der auf ihrem Grundstück gelegenen Abfallbehandlungsanlage und der darin enthaltenen Abfälle, unbeschadet der mittlerweile in Konkurs gegangenen Firma ÖSTAB. ..."

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Die beschwerdeführende Partei rügt zunächst die denkunmögliche Anwendung des § 62 Abs 4 AWG 2002: Der UVS habe es insbesondere unterlassen, die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Verpflichtung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu prüfen.

Im Übrigen werde das Erfordernis der wirtschaftlichen Zumutbarkeit durch die Vorschrift des § 74 Abs 2 AWG 2002 konkretisiert; der UVS habe das Vorliegen der in dieser Bestimmung festgelegten Haftungsvoraussetzungen nicht geprüft und durch Anwendung des § 62 AWG 2002 die in § 74 leg.cit. normierte Schranke für behördliches Handeln umgehen wollen. Die rechtliche Argumentation der Behörde in Bezug auf die Verantwortlichkeit des Liegenschaftseigentümers ziele darauf ab, eine amtswegige Entfernung der Abfälle gemäß § 74 Abs 5 AWG 2002 zu verhindern. Im Ergebnis führe die Interpretation des UVS dazu, dass der Liegenschaftseigentümer für vom Mieter auf dem Bestandsobjekt zurückgelassene Abfälle schrankenlos hafte.

Darüber hinaus habe sich der UVS bei Auslegung des Begriffes des Anlageninhabers an jenem des bloßen Sachinhabers gemäß § 309 ABGB orientiert; für die Anlageninhabereigenschaft nach § 62 Abs 4 AWG 2002 könne es jedoch nicht auf die in diesem Zusammenhang von der Behörde herangezogene Auflösung des Mietverhältnisses durch Einbringung einer Mietzins- und Räumungsklage ankommen. Die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche gegen einen Vertragspartner könne keine anlagenrechtlichen Konsequenzen dahingehend auslösen, dass der Eigentümer als neuer Anlageninhaber zu qualifizieren sei. Eine solche - verfassungswidrige - Auslegung des § 62 Abs 4 AWG 2002 würde den Eigentümer hindern, seine zivilrechtlichen Ansprüche durchzusetzen.

Der UVS habe ferner zu Unrecht das Vorliegen eines aufrechten Betriebes der Abfallbehandlungsanlage angenommen; die Behörde gehe aufgrund der vom Mieter zurückgelassenen Abfälle vom Weiterbetrieb der Anlage sowie von der Anwendbarkeit des § 62 Abs 4 AWG 2002 aus, ohne zu berücksichtigen, dass der Grundstückseigentümer die Anlage selbst weder betrieben hat, noch betreiben wollte oder (mangels fachlicher Befähigung) betreiben durfte. Nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei sei die Anlage spätestens seit (Datum des Beschlusses des Konkursgerichtes, mit dem die Schließung angeordnet wurde) nicht mehr in Betrieb gestanden.

Schließlich fehle dem behördlichen Auftrag die erforderliche Bestimmtheit und habe es der UVS verabsäumt, sich mit dem Parteienvorbringen (insb. zur jahrelangen behördlichen Untätigkeit und zur Frage des Vorliegens von Gefahr im Verzug) auseinanderzusetzen. Die bekämpfte Anordnung der Totalräumung sei im Hinblick auf die (bloße) Gefahr des Betretens des Geländes durch unbefugte Personen überschießend.

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Regelungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl. I 102/2002 idF BGBl. I 34/2006, lauten:

"Überwachung von Behandlungsanlagen

§62. (1) Die Behörde hat Behandlungsanlagen, die gemäß den §§37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig sind, längstens alle fünf Jahre zu überprüfen.

(2) Besteht der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage, die gemäß den §§37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig ist, so hat die Behörde - unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens - den Inhaber einer Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Kommt der Inhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.

(2a) Ist es offenkundig, dass eine Behandlungsanlage ohne Genehmigung betrieben wird oder der Inhaber der Behandlungsanlage gefährliche Abfälle sammelt oder behandelt, ohne über eine Berechtigung gemäß § 25 zu verfügen, hat die Behörde ohne vorausgehendes Verfahren die Schließung des gesamten der Rechtsordnung nicht entsprechenden Betriebs bescheidmäßig zu verfügen.

(2b) Wird durch den Betrieb einer Behandlungsanlage die Gesundheit, das Leben oder das Eigentum eines Dritten gefährdet, hat die Behörde ohne vorausgehendes Verfahren die erforderlichen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, bescheidmäßig zu verfügen.

(2c) Die Bescheide gemäß Abs 2a oder 2b sind sofort vollstreckbar. Liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides gemäß Abs 2, 2a oder 2b nicht mehr vor, so hat die Behörde die getroffenen Maßnahmen ehestmöglich zu widerrufen.

(3) Ergibt sich nach der Erteilung einer Genehmigung gemäß den §§37, 44 oder 52, dass die gemäß § 43 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid enthaltenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die erforderlichen, nach dem nunmehrigen Stand der Technik geeigneten Maßnahmen vorzuschreiben. Geeignete Maßnahmen sind insbesondere Untersuchungen, Beprobungen, Messungen, nachträgliche Auflagen, Erstellung und Durchführung eines Sanierungskonzepts, Beseitigung von bereits eingetretenen Folgen von Auswirkungen der Behandlungsanlage, vorübergehende oder dauernde Einschränkungen der Behandlungsanlage oder die gänzliche oder teilweise Einstellung des Betriebs.

(4) Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde die geeigneten Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Inhaber der Behandlungsanlage nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

(5) Maßnahmen gemäß Abs 2 bis 4 bedürfen keiner Bewilligung oder Genehmigung nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften.

(6) Die nach den §§43 Abs 4, 44, 52 Abs 5 oder 54 Abs 2 vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen sind auf Antrag mit Bescheid aufzuheben oder abzuändern, wenn und soweit die Voraussetzungen für ihre Vorschreibung nicht mehr vorliegen."

"8. Abschnitt

Behandlungsaufträge, Überprüfung

Behandlungsauftrag

§ 73. (1)


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1.
Werden Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen gesammelt, gelagert oder behandelt,


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2.
werden Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der EG-VerbringungsV befördert oder verbracht oder


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3.
ist die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§1 Abs 3) geboten,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der Untersagung des rechtswidrigen Handelns, dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen.

(2) Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

(3) Werden gefährliche Abfälle entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit anderen Abfällen oder Sachen vermischt, hat die Behörde dem Verpflichteten eine entsprechende Trennung aufzutragen, wenn dies technisch und wirtschaftlich möglich und zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§1 Abs 3) geboten ist. Abs 1 bleibt unberührt.

(4) Sind nach rechtlicher oder faktischer Stilllegung oder Schließung bei einer Deponie gemäß § 2 Abs 7 Z 4 Maßnahmen, wie Untersuchungen, regelmäßige Beprobungen, die Vorlage eines Sicherungs- oder Sanierungskonzeptes, Sicherungs- oder Sanierungsmaßnahmen, im öffentlichen Interesse (§1 Abs 3) erforderlich, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen demjenigen, der die Deponie betrieben hat, innerhalb einer angemessenen Frist mit Bescheid aufzutragen.

(5) Maßnahmen, die Gegenstand eines behördlichen Auftrags oder einer behördlichen Anordnung gemäß Abs 1 bis 4 sind, bedürfen keiner Bewilligung oder Genehmigung nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften. Dies gilt nicht für die Genehmigung oder Bewilligung der Anlage, in der die Abfälle in der Folge behandelt werden, oder für die Verbringung der Abfälle.

(6) Auf Ablagerungen, bei denen gemäß Abs 1 bis 4 vorzugehen ist, findet § 138 WRG 1959 keine Anwendung. Für Waldflächen, die dem Forstgesetz, BGBl. Nr. 440/1975, unterliegen, sind die Abs 1 bis 3 nicht anzuwenden.

(7) Für Behandlungsaufträge ist - sofern im Folgenden nicht anderes bestimmt ist - die zuständige Behörde erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, die Berufungsinstanz der Landeshauptmann. Für Behandlungsaufträge gemäß Abs 4 ist die zuständige Behörde erster Instanz der Landeshauptmann, die Berufungsinstanz der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; der Landeshauptmann kann mit der Durchführung eines Verfahrens gemäß Abs 4 ganz oder teilweise die Bezirksverwaltungsbehörde betrauen und diese ermächtigen, in seinem Namen zu entscheiden.

Subsidiäre Haftung für Behandlungsaufträge

§74. (1) Ist der gemäß § 73 Verpflichtete nicht feststellbar, ist er zur Erfüllung des Auftrags rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden, so ist der Auftrag nach Maßgabe der folgenden Absätze dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden, zu erteilen. Ersatzansprüche des Liegenschaftseigentümers an den gemäß § 73 Verpflichteten bleiben unberührt.

(2) Eine Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht, wenn er der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn sie von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten.

(3) Erfolgte die Lagerung oder Ablagerung von Abfällen vor dem , so ist Abs 2 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Liegenschaftseigentümer nur dann zur umweltgerechten Behandlung herangezogen werden darf, wenn er die Ablagerungen auf eigenem Boden ausdrücklich gestattet und daraus in Form einer Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums einen Vorteil gezogen hat. Seine Leistungspflicht ist jedoch auf jenen Wert des Vorteiles begrenzt, der die übliche Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums überstieg. Lässt sich die übliche Vergütung nicht vergleichsweise feststellen, ist sie nach dem Wert des verursachten Nutzungsentgangs und der verursachten sonstigen Nachteile - ausgenommen die Leistungspflicht nach Abs 1 - zu bemessen.

(4) Kann auch der Liegenschaftseigentümer nicht in Anspruch genommen werden, hat die Gemeinde Siedlungsabfälle, die in ihrem Gebiet widerrechtlich gelagert oder abgelagert werden, auf ihre Kosten zu entfernen und umweltgerecht zu behandeln oder behandeln zu lassen. Dies gilt nicht für § 73 Abs 4. Ersatzansprüche der Gemeinde gegen den Verpflichteten bleiben unberührt.

(5) Kommen § 73 und Abs 1 bis 4 nicht zur Anwendung und können die erforderlichen Maßnahmen auch nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften nicht beauftragt werden, hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen nach Zustimmung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft durchzuführen. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft darf nur nach Maßgabe der vorhandenen budgetären Mittel zustimmen.

(6) Abs 5 gilt nicht für § 73 Abs 4 und sonstige Verdachtsflächen und Altlasten nach dem Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Bedenken gegen die angewendeten Rechtsvorschriften wurden nicht vorgebracht und sind aus Anlass des vorliegenden Falles auch nicht entstanden (vgl. im Übrigen zu §§18 und 32 AWG 1990 VfSlg. 14.263/1995).

2. Dem UVS ist jedoch bei Beurteilung des Liegenschaftseigentümers als Anlageninhaber - und damit als (gemäß § 62 Abs 4 AWG 2002 heranzuziehender) Adressat des maßgeblichen Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - ein gravierender, den angefochtenen Bescheid mit Willkür belastender Begründungsfehler unterlaufen.

2.1. Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde in die Verfassungssphäre reichende Willkür vorzuwerfen ist, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen; ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im Einzelfall entnommen werden (zB VfSlg. 17.903/2006; mwN). Ein (objektiv) willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur dann vor, wenn der angefochtene Bescheid etwa wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 11.436/1987, 12.030/1989, 14.394/1995), sondern u.a. auch dann, wenn die Behörde in einem Bescheid Gründe anführt, denen in Wahrheit kein Begründungswert zukommt (zB VfSlg. 13.302/1992, 14.506/1996, 17.230/2004), oder eine Begründung wählt, die überhaupt nicht nachvollziehbar ist (zB ).

2.2. § 62 AWG 2002 regelt in seinen Abs 2 bis 4 den behördlichen Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands im Fall eines konsenswidrigen Betriebes einer Behandlungsanlage. Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde die geeigneten Maßnahmen in Anwendung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Inhaber der Anlage nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen (Abs4).

Adressat einer Anordnung nach dieser Vorschrift kann somit nur der Anlageninhaber sein; der Begriff des "Inhabers" einer Anlage wird im Gesetz nicht näher definiert, aber durchgängig für diejenige (physische oder juristische) Person verwendet, welche die Anlage betreibt oder zumindest die Sachherrschaft über die Anlage hat (vgl. Erläut. zur RV 984 BlgNR 21. GP, 87, 103; ferner ).

2.3. Die Annahme der belangten Behörde, dass N. L. nach Wegfall der Anlagenbetreiberin zufolge Konkurses und nachfolgender Löschung aus dem Firmenbuch aufgrund seiner Rechtsposition als Eigentümer des Betriebsgrundstückes und vormaliger Bestandgeber der früheren Anlagenbetreiberin zum Inhaber der Anlage geworden ist, lässt aus folgenden Erwägungen eine nachvollziehbare Begründung vermissen:

Wie oben dargelegt (Pkt. I.3.), bejaht der UVS die Richtigkeit der Einstufung des (verstorbenen) Grundstückseigentümers (und Rechtsvorgängers der beschwerdeführenden Partei) als Anordnungsadressat zunächst unter Hinweis auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (demzufolge der Begriff des Anlageninhabers nach dem AWG den Vorschriften nach der GewO nachgebildet sei) und unter Verweis auf die (Erläuterungen zur) RV zum AWG 2002 zum Begriff des "Inhabers", ohne auszuführen, welche Schlussfolgerungen sich daraus für die hier entscheidende Frage der Anlageninhabereigenschaft des Eigentümers der Betriebsliegenschaft ergeben. Der bloße Verweis auf die Gesetzesmaterialien genügt zur Begründung dessen Anlageninhabereigenschaft indes nicht. Schon deshalb fehlt dem angefochtenen Bescheid eine plausible Begründung für die Annahme, dass N. L. nur zufolge seiner Stellung als Eigentümer des Grundstückes, auf dem sich die Behandlungsanlage befindet, (unabhängig von seinem Willen) zum Anlageninhaber iSd § 62 Abs 4 AWG 2002 geworden ist. Auch die im angefochtenen Bescheid weiters angestellten Überlegungen zur Beendigung von Bestandverhältnissen nach den Regeln des Privatrechts vermögen weder für sich noch iVm den übrigen Ausführungen eine tragfähige Grundlage für die Annahme des Überganges der Anlageninhaberschaft auf den Grundstückseigentümer N. L. zu liefern.

Die belangte Behörde hat es in diesem Zusammenhang zudem verabsäumt, sich mit dem durchgängigen (und in der Maßnahmenbeschwerde hervorgehobenen) Vorbringen des N. L. bzw. der beschwerdeführenden Partei, wonach N. L. die Anlage nie betrieben und auch niemals den Willen gehabt habe, diese Anlage zu betreiben oder als eigene Sache innezuhaben, auseinanderzusetzen. Anders als die belangte Behörde meint, wurde der Liegenschaftseigentümer nicht durch die bloße Beendigung des Mietverhältnisses zum Anlageninhaber.

2.4. Daraus erhellt, dass sich der UVS bei Bejahung der Zulässigkeit der Heranziehung des Liegenschaftseigentümers als Anlageninhaber - aus der Sicht des Verfassungsgerichtshofes - auf keine hinreichend plausiblen Begründungselemente zu stützen vermochte und wesentliche Argumente der Maßnahmenbeschwerde übergangen hat. Dies fällt bei einer Entscheidung über einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt mit weit reichenden Folgen (wie hier) besonders ins Gewicht. Dem UVS ist deshalb insoweit (objektive) Willkür vorzuwerfen.

3. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund aufzuheben, ohne dass auf die weiteren Beschwerdeeinwände eingegangen werden musste.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 360,- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.