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OGH vom 28.11.2017, 9Ob54/17g

OGH vom 28.11.2017, 9Ob54/17g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Garger Spallinger Huger Rechtsanwälte GmbH in St. Pölten, sowie die auf Seiten der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenienten 1. U***** AG, *****, vertreten durch Mag. Josef Schartmüller, Rechtsanwalt in Wien, 2. D***** AG, *****, vertreten durch Maraszto Milisits Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei ***** O***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Singer Fössl Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 61.899,38 EUR sA (Landesgericht Korneuburg als Handelsgericht, *****) und wegen 64.200,03 EUR sA (*****; Revisionsinteresse: 47.783,06 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 22/17t-60, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Klägerin und Widerbeklagte (idF: Klägerin) begehrte von der Beklagten und Widerklägerin (idF: Beklagte) 61.889,38 EUR sA an restlichem Werklohn für Erdaushub- und Transportleistungen und an Aufwandersatz (führendes Verfahren *****). Die Beklagte bestritt und begehrte in ihrer Widerklage (*****) die Zahlung von 64.200,03 EUR sA an Aufwandersatz und Kosten im Zusammenhang mit der Reparatur eines von der Klägerin beschädigten Baggers. Die Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Anders als das Erstgericht ging das Berufungsgericht davon aus, dass dem Sachantrag der Beklagten kein Einwand einer Gegenforderung zu entnehmen sei. Es sprach aus, dass die Beklagte zur Zahlung von 47.783,06 EUR sA an die Klägerin, die Klägerin zur Zahlung von 58.029,26 EUR sA an die Beklagte verpflichtet sei und die jeweiligen Mehrbegehren abgewiesen würden (womit der Ausspruch des Erstgerichts über die Gegenforderung und die Aufrechnung entfiel).

Rechtliche Beurteilung

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Sie bestreitet nicht, dass sie im führenden Verfahren nicht mit ihrer Widerklagsforderung gegen die Klagsforderung aufgerechnet habe, ist aber unter Berufung auf eine ältere, vom Berufungsgericht als überholt erachtete Rechtsprechung (RISJustiz RS0033963) der Ansicht, dass schon in der Erhebung einer Widerklage die Geltendmachung der Aufrechnung durch den Beklagten liege. Das Berufungsurteil eröffne der Klägerin die sonst nicht bestehende Möglichkeit einer Exekutionsführung.

Der Beklagten kann zugestanden werden, dass den jüngeren Entscheidungen 10 Ob 205/01x und 6 Ob 361/97z Fälle zugrunde lagen, in denen die jeweilige Widerklägerin ihre eigene Forderung nicht nur zum Gegenstand einer Widerklage gemacht, sondern – anders als hier – im Hauptverfahren auch compensando gegen die Klagsforderung eingewandt hatte (s dazu auch RISJustiz RS0109614). Daraus ist für sie jedoch nichts zu gewinnen:

Die Aufrechnungseinwendung iSd § 391 Abs 3 ZPO ist der Antrag des Beklagten auf Aufrechnung der Klagsforderung mit einer ihm gegen den Kläger zustehenden Gegenforderung im Urteil, sodass die Klagsforderung ganz oder teilweise abgewiesen werden muss; sie ist durch ihren Eventualcharakter gekennzeichnet, weil sie nur für den Fall erklärt wird, dass das Gericht das Bestehen der Klagsforderung bejaht. Davon zu unterscheiden ist der auf die außergerichtlich bereits (unbedingt) vorgenommene Aufrechnung gestützte Schuldtilgungseinwand. Der Wille des Beklagten, mit einer Gegenforderung gegen die Klageforderung, sollte sie bejaht werden, aufzurechnen, muss im Prozess eindeutig zum Ausdruck gebracht werden (4 Ob 242/01v mwN).

Im Fall 2 Ob 22/66 hielt der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Prüfung des Rechtsmittelantrags jenes Klägers fest, dass im Fall einer Klage und Widerklage, die zur gemeinsamen Verhandlung verbunden wurden, das Urteil dahin zu lauten habe, dass und welcher Teil schuldig sei, dem Gegner den Überschuss zu bezahlen. Die im Zentrum stehende Frage, wie die Tilgung vorzunehmen sei, wird nun anders beurteilt (s RISJustiz RS0109614). Soweit jene Entscheidung eine ausdrückliche Erklärung einer Partei, die Aufrechnung geltend zu machen, für entbehrlich erachtete, „zumal schon in der Erhebung der Widerklage ein Antrag in diesem Sinn liege“, kann dies keine allgemeine Geltung beanspruchen, richtet sich doch die Beurteilung, wie das Vorbringen oder Prozesserklärungen einer Partei zu verstehen sind, stets nach den Umständen des Einzelfalls (RISJustiz RS0042828 [insbes T 16]; RS0044273 [T53, T 56]). Gegen die Deutung einer Widerklage als Aufrechnungseinrede spricht, dass einer beklagten Partei die Wahl ihrer Verteidigungsmittel freistehen muss, zumal die Widerklage nicht nur in Fällen der Aufrechenbarkeit, sondern auch der Konnexität oder der Präjudizialität als Abwehrmittel zur Verfügung steht (s Simotta in Fasching/Konecny, ZPG I3 Vor § 96 JN Rz 3) und damit nicht zwingend die Rechtsfolgen einer prozessualen Aufrechnung nach sich ziehen muss.

Hier hat die Beklagte – anders als im Fall 2 Ob 22/66 – im erstinstanzlichen Verfahren nach Einbringung der Widerklage das Bestehen einer Gegenforderung ausdrücklich thematisiert, dazu aber erklärt, die Rechnungsbeträge aufgrund der ihr deshalb zustehenden ZugumZugEinrede nicht begleichen zu müssen (ON 15 S 64) und bis zur Begleichung ihrer eigenen Forderungen berechtigt zu sein, die von der Klägerin in Rechnung gestellten Beträge zurückzubehalten (ON 15 S 68). Mit diesen Ausführungen gab sie gerade nicht eindeutig zu erkennen, dass sie die Widerklagsforderung in prozessualer Hinsicht auch als Aufrechnungseinrede verstanden wissen wollte. Wenn das Berufungsgericht in dieser besonderen Verfahrenskonstellation kein Verhalten der Beklagten sah, das als prozessuale Aufrechnungseinrede zu deuten war, so ist dies nach Lage des Falls vertretbar und nicht weiter korrekturbedürftig.

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00054.17G.1128.000
Schlagworte:
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