OGH vom 09.12.2014, 8Nc75/14t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der beim Handelsgericht Wien anhängigen Rechtssache der klagenden Partei E***** W***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch Dr. Clemens Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte OG in Mödling, wegen 140.000 EUR sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag der klagenden Partei, die Rechtssache an das Landesgericht Feldkirch zu delegieren, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die beim Handelsgericht Wien eingebrachte Klage ist auf Zahlung eines Ausgleichsanspruchs analog § 24 HVertrG nach Auflösung eines Tankstellenpachtvertrags gerichtet.
Die Beklagte hat ihren Sitz in Wiener Neudorf. Zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts berief sich die in Vorarlberg ansässige Klägerin auf eine im Tankstellenpachtvertrag getroffene Gerichtsstandsvereinbarung.
Nach Einlangen der Klagebeantwortung und weiterem Schriftsatzwechsel fand vor dem Handelsgericht Wien eine vorbereitende Tagsatzung statt, in der die Klägerin acht Zeugen namhaft machte. Sowohl der Geschäftsführer der Klägerin als auch alle Zeugen wohnen in Vorarlberg oder in angrenzenden Ländern. Von den vier Zeugen der Beklagtenseite haben zwei ihren Wohnsitz in Tirol, sie halten sich aber nach Angaben der Beklagten berufsbedingt häufig auch an deren Sitz auf.
Der Kläger beantragte, die Rechtssache aus Gründen der Zweckmäßigkeit an das Landesgericht Feldkirch zu delegieren. Den Zeugen und dem Geschäftsführer der Klägerin werde damit das Erscheinen vor dem erkennenden Gericht erleichtert und der Verfahrensaufwand verringert. Die Gerichtsstandsvereinbarung stehe der Delegierung nicht entgegen. Sie sei unwirksam, weil der Geschäftsführer der Klägerin sie seinerzeit noch als arbeitnehmerähnlicher Einzelunternehmer unterschrieben habe.
Die Beklagte bestritt die Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung und sprach sich dagegen aus.
Das Erstgericht befürwortete den Antrag. Angesichts der überwiegend in Westösterreich wohnenden Zeugen sei von der Delegierung eine Erleichterung der Beweisaufnahme zu erwarten, die sich auch zu Gunsten der Beklagten auswirke. Die gegen die Wirksamkeit der Zuständigkeitsvereinbarung vorgebrachten Argumente der Klägerin seien beachtlich.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag ist nicht begründet.
Eine Delegation nach § 31 JN soll nur den Ausnahmefall darstellen; keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS-Justiz RS0046441). Gegen den Willen der anderen Partei ist eine Delegation nach ständiger Rechtsprechung nur dann auszusprechen, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS-Justiz RS0046589; RS0046324).
Haben die Parteien eine Gerichtsstandsver-einbarung geschlossen, ist eine Delegation wegen bloßer Zweckmäßigkeitsgründe unstatthaft, soferne nicht nachträglich Umstände eintreten, auf die bei Abschluss der Vereinbarung nicht Bedacht genommen werden konnte (RIS Justiz RS0046198).
Die Klägerin hat sich zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts selbst auf die im Tankstellenpachtvertrag, in den sie mit allen Rechten und Pflichten eingetreten sei, enthaltene Zuständigkeitsvereinbarung berufen, sie kann ihren Delegierungsantrag nunmehr nicht mit einer Unwirksamkeit dieser Vereinbarung begründen. Es liegt keine Arbeits- und Sozialrechtssache vor, sodass § 9 Abs 1 ASGG nicht zum Tragen kommt. Die Klägerin hat auch keine nachträglich aufgetretenen, bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung noch nicht vorhersehbaren Umstände behauptet, die eine Delegation begründen könnten.
Letztlich ist aber auch eine eindeutige, beiden Streitteilen zugute kommende Zweckmäßigkeit der Delegation nicht ersichtlich. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass sie für eine Mehrheit der im Verfahren zu vernehmenden Personen zur Verkürzung des Anreisewegs zum Gericht führen würde, umgekehrt müssten aber zwei der Zeugen der Beklagtenseite aus dem Wiener Raum nach Vorarlberg reisen. Für zwei weitere Zeugen, die zwar in Tirol wohnen, sich aber angeblich berufsbedingt häufig am Sitz der Beklagten aufhalten, ist ein besonderer Vorteil zumindest nicht evident. Gründe, die einer Vernehmung auswärtiger Zeugen im Wege einer Videokonferenz entgegenstehen würden, sind nicht bekannt. Der zu erwartenden Kostenersparnis auf Klagsseite stünde ein Mehraufwand auf der Beklagtenseite gegenüber.
Der Antrag war daher abzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0080NC00075.14T.1209.000