OGH vom 23.02.2006, 8ObA10/06p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Glawischnig sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Johannes Denk als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Rudolf K*****, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und andere, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei W***** AG, *****, vertreten durch Dr. Robert Schaar, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 5.997,06 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 96/05z-27, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 32 Cga 180/04p-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war durch mehr als drei Jahre bis zum bei der Beklagten als Versicherungsangestellter im Außendienst beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Arbeitnehmerkündigung. Seit ist der Kläger als selbständiger Versicherungsmakler berufstätig. Auf das Dienstverhältnis fand der Rahmenkollekivvertrag für Angestellte des Außendienstes der Versicherungsunternehmen (KVA) Anwendung. § 6 dieses Kollektivvertrages „Provisionszahlung nach Auflösung des Dienstverhältnisses" lautet auszugsweise:
1) Die vereinbarte Folgeprovision bleibt dem Angestellten unter der Bedingung einer ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses bei dem gleichen Dienstgeber durch mindestens drei Jahre gemäß den folgenden Bestimmungen gewahrt, längstens jedoch bis zum Ablauf der ursprünglich vereinbarten Dauer der von ihm selbständig vermittelten Versicherungsverträge nach Maßgabe des Prämieneinganges; dabei werden nach Beendigung des Dienstverhältnisses eingetretene Prämienzuwächse nicht berücksichtigt. Keineswegs gebührt Folgeprovision, und zwar auch nicht zum Teile für Versicherungen, die dem Angestellten zur Betreuung oder Bearbeitung zugewiesen worden sind.
2.) Insoweit dem Angestellten eine Folgeprovision unter Berücksichtigung des Abs 1 zusteht, beträgt diese nach Endigung des Dienstverhältnisses längstens bis zu seinem Tode 50 % jener Folgeprovision, auf die der Angestellte Anspruch hätte, wenn noch ein Dienstverhältnis bestünde.
...
Tabelle in neuem Fenster öffnen
3.) | ... | |||||||||
4.) | Kündigt der Dienstnehmer das Dienstverhältnis und betätigt er sich sodann für ein anderes Versicherungsunternehmen, so behält er den Anspruch auf die Hälfte der ihm gemäß Abs 2 zustehenden Folgeprovisionen. | |||||||||
Der Kläger begehrt die Zahlung des Betrages von EUR 5.997,06 brutto an restlicher Provision. Er habe nach Beendigung des Dienstverhältnisses Anspruch auf 50 % der Folgeprovisionen, die Beklagte habe ihm aber nur 25 % ausbezahlt. | ||||||||||
Die Beklagte bestritt und wendete ein, dass der Kläger das Dienstverhältnis selbst aufgekündigt habe und als selbständiger Versicherungsmakler für andere Versicherungsunternehmen tätig werde. Gemäß § 6 Abs 4 des Kollektivvertrages habe er nur Anspruch auf 25 % der Folgeprovisionen. | ||||||||||
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der Kläger sei seit nicht mehr als Arbeitnehmer, sondern als selbständiger Unternehmer tätig und in keinen Verband eines bestimmten Versicherungsunternehmens mehr eingebunden. Es treffe ihn somit keine „Treuepflicht" Versicherungsverträge eines bestimmten Unternehmens zu vertreiben; er sei lediglich gegenüber seinen „privaten" Kunden verpflichtet, für sie eine optimale Versicherungslösung zu finden. Die gegenständliche Kollektivvertragsbestimmung (§ 6 Abs 4) stelle darauf ab, ob der Kläger als Dienstnehmer für ein anderes Versicherungsunternehmen tätig sei. Dies sei aber gerade bei einem selbständigen Versicherungsunternehmer nicht der Fall. | ||||||||||
Das Berufungsgericht änderte über Berufung der beklagten Partei das Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Kollektivverträge seien in ihrem normativen Teil nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten (§§ 6 und 7 ABGB) auszulegen. Für den Normadressaten könne nur der in der Norm objektive erkennbare Wille des Normgebers maßgebend sein. In erster Linie sei daher der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrages ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen. Der Text der gegenständlich zu beurteilenden Bestimmung knüpfe nicht an das Bestehen eines Dienstverhältnisses zu einem anderen Versicherungsunternehmen an, sondern sehe die Reduktion der Folgeprovision dann vor, wenn sich der Dienstnehmer, der selbst gekündigt habe, in der Folge für ein anderes Versicherungsunternehmen betätige. Unter „betätigen" könne nach dem Wortsinn sowohl eine unselbständige wie auch eine selbständige Tätigkeit und damit auch die Tätigkeit eines selbständigen Versicherungsmaklers verstanden werden. Sowohl das Erstgericht als auch der Kläger selbst gehen davon aus, dass letzterer als selbständiger Versicherungsmakler für seine Kunden das jeweils beste Angebot herauszufinden habe und er daher seine Kunden je nach Fall an verschiedene Versicherungsunternehmen vermittle. Damit „betätige" sich der Kläger auch für das jeweilige Versicherungsunternehmen, dem der Versicherungsvertrag zukomme und das dem Kläger dafür auch eine Provision gewähre. Es komme daher im gegenständlichen Fall die Bestimmung des § 6 Abs 4 KVA zum Tragen, sodass der Kläger nur Anspruch auf 25 % der Folgeprovision habe. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, da soweit überblickbar, Judikatur zur Auslegung des § 6 Abs 4 KVA nicht vorliege und die Auslegung dieser Bestimmung über den gegenständlichen Rechtsstreit hinaus Bedeutung habe. | ||||||||||
Die Revision des Klägers ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt. |
Rechtliche Beurteilung
In rechtlicher Hinsicht kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Revisionsausführungen noch Folgenden entgegenzuhalten:
Der Maklervertrag zwischen Versicherungsmakler und Versicherer wird auf Grund der Rahmenprovisionsvereinbarung im Einzelfall geschlossen. Übermittelt der Versicherungsmakler das Anbot des Versicherungskunden auf Abschluss eines Versicherungsvertrages an den Versicherer, liegt darin zugleich ein Anbot des Maklers auf Abschluss eines Maklervertrages mit dem Versicherer, wobei es einer ausdrücklichen Annahmeerklärung nicht bedarf. Schon die Übersendung der Versicherungspolizze an den Versicherungsmakler zur Überprüfung, verwirklicht die schlüssige Annahme des Anbotes auf Abschluss des Maklervertrages (vgl 6 Ob 86/02v). Auch wenn es Hauptaufgabe des Versicherungsmaklers ist, dem Klienten mit Hilfe seiner Kenntnis und Erfahrung bestmöglichen, den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen und für seinen Kunden ein erfolgreiches Risk-Management bei möglichst günstiger Deckung im Einzelfall durchzuführen (RIS-Justiz RS0118893), treffen ihn jedenfalls eingeschränkte Aufklärungs- und Benachrichtigungspflichten gegenüber dem Versicherer. Er hat den Versicherer insbesondere über ihn bekannte oder erkennbare besondere Risiken zu informieren (7 Ob 315/03d). Dass die Aktivitäten des Versicherungsmaklers der zudem regelmäßig ein Doppelmakler (vgl § 27 MaklerG) ist, das „Betätigen" auch für den jeweiligen Versicherer beinhalten, ist damit evident.
Bei der Auslegung eines Kollektivvertrages ist in erster Linie der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrages ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (8 Ob 126/04v; 9 ObA 61/05v; RIS-Justiz RS0010089). Aus der mehrfachen Verwendung des Begriffes „Dienstverhältnis" und zwar in Abs 1, 2 und 3 des § 6 ergibt sich, dass die Kollektivvertragsparteien, hätten sie tatsächlich beabsichtigt, dass die Folgeprovision bei Selbstkündigung des Dienstnehmers nur für den Fall der „Betätigung" für ein anderes Versicherungsunternehmen im Rahmen eines Dienstverhältnisses gekürzt werden sollte, dies wohl auch in dieser Form - etwa durch die Wendung „betätigt er sich sodann im Rahmen eines Dienstverhältnisses für ein anderes Versicherungsunternehmen" oder einer ähnlichen Formulierung - zum Ausdruck gebracht hätten. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass § 6 Abs 4 KVA nach seinem Wortsinn („betätigt er sich sodann für ein anderes Versicherungsunternehmen ....") grundsätzlich jede Form des Tätigwerdens für ein anderes Versicherungsunternehmen daher auch - wie oben dargelegt - die Tätigkeit eines Versicherungsmaklers umfasst.
Soweit der Rechtsmittelwerber damit argumentiert, dass der Versicherungsmakler fast ausschließlich für den Versicherungsnehmer tätig sei, daher im Interesse seiner Kunden auch die Betreuung und Schadensabwicklung durchführe und es in diesem Fall unbillig wäre, die Provisionsansprüche zu kürzen, ist ihm entgegen zu halten, dass gerade das Tätigwerden des Versicherungsmaklers hauptsächlich im Interesse des Versicherungskunden zwangsläufig dazu führen muss, dass ein Versicherungskunde an einen Versicherer der im Einzelfall günstigere Konditionen aufweist, vermittelt wird. Worin hier der Vorteil des vormaligen Arbeitgebers des Versicherungsmaklers liegen soll, ist nicht ersichtlich.
Zusammengefasst ergibt sich daher, dass bereits die Auslegung nach dem Wortsinn zu dem eindeutigen Ergebnis führt, dass das „sich Betätigen für ein anderes Versicherungsunternehmen" nicht nur Tätigkeiten im Rahmen eines Dienstverhältnisses umfasst. Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Kollektivvertragsparteien eine andere Regelung als zweckentsprechender und praktisch durchführbarer angesehen hätten, ist nicht zu erkennen. Bei der Beschränkung der Folgeprovision auf die Dauer des Dienstverhältnisses handelt es sich grundsätzlich um eine zulässige Vereinbarung, die im Licht der - von der beklagten Partei in ihrer Revisionsbeantwortung aufgezeigten - konkurrenzierenden Tätigkeit des Versicherungsmaklers am (Versicherungs-)Markt durchaus sachgerecht erscheint (8 ObA 45/04g mwH).
Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.