OGH vom 25.09.2014, 9Ob53/14f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** V*****, vertreten durch Dr. Herbert Pflanzl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Q***** SteuerberatungsgmbH, *****, vertreten durch Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen 26.664 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 81/14w 14, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 2 Cg 147/13m 10, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.540,44 EUR (darin 256,74 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger betrieb in Salzburg ein Reinigungsunternehmen. Die Beklagte führte die steuerliche Beratung, die Buchhaltung, die Lohnverrechnung und die An- und Abmeldungen bei der zuständigen Gebietskrankenkasse durch.
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom wurde über den Kläger eine Strafe wegen Verletzung des § 3 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verhängt. Der Kläger hatte nämlich acht Arbeiter beschäftigt, für die weder eine Beschäftigungsbewilligung, noch eine Zulassung als Schlüsselkraft, eine Entsendebewilligung, eine Anzeigebestätigung, eine gültige Arbeitserlaubnis, ein Befreiungsschein, eine „Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt”, ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG” oder ein Niederlassungsnachweis vorlag. Die Strafe wurde mit 40.000 EUR bemessen und der Kläger auch zum Ersatz eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens von 4.000 EUR verpflichtet.
Der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung damit war das Straferkenntnis noch nicht vollstreckbar (§ 24 VStG iVm § 64 Abs 1 AVG) , in der er die Aufhebung dieses Erkenntnisses und die „Stornierung“ der Strafe begehrte (unstrittiger Inhalt der Blg./ D), gab der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg mit seinem Erkenntnis vom in der Schuldfrage keine Folge, setzte aber die Strafe auf 24.000 EUR und den Kostenbeitrag auf 2.400 EUR herab.
Der vom Kläger gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde, in der er die Aufhebung des Straferkenntnisses begehrte (unstrittiger Inhalt Blg./ F), wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom zwar aufschiebende Wirkung zuerkannt (unstrittig, Blg./ G). Mit Erkenntnis vom wies der Verwaltungsgerichtshof allerdings die Beschwerde als unbegründet zurück.
Im Verwaltungsstrafverfahren rechtfertigte sich der Kläger unter anderem damit, dass ihn kein Verschulden an der von ihm nicht bestrittenen Verwaltungsübertretung treffe, weil er sich auf die Rechtsauskunft der Beklagten verlassen habe (dürfen).
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadenersatz in Höhe der verhängten Geldstrafe und des Kostenbeitrags. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage des Verjährungsbeginns eines in der Verhängung einer Verwaltungsstrafe gelegenen Schadens zugelassen. Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit seines Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO nicht. Dem gegenüber bestritt die Revisionsgegnerin das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Allein aus dem Umstand, dass eine Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, kann nämlich noch nicht abgeleitet werden, dass die Entscheidung von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhinge (RIS Justiz RS0102181). Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
Die von der Rechtsprechung zum Beginn der Verjährungsfrist vertretenen Grundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl insbesondere 1 Ob 203/11a und 1 Ob 162/10w):
Die Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt zu laufen, wenn dem Geschädigten der Schaden und die Person des Schädigers bekannt geworden sind. Lehre und Rechtsprechung legen diese Bestimmung dahin aus, dass dies der Fall ist, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten so weit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann, also in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RIS Justiz RS0034524; M. Bydlinski in Rummel ³ § 1489 Rz 3; Mader/Janisch in Schwimann, ABGB³ § 1489 Rz 9; R. Madl in Kletečka/Schauer , ABGB ON1.01 § 1489 Rz 7). Das bedingt die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und bei verschuldensabhängiger Haftung auch die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen (RIS Justiz RS0034524 [T27; T 29]; RS0034603; RS0034951; RS0034524 [T14; T 27; T 29]). Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen nicht. Erst objektives Bekanntsein der maßgeblichen Tatumstände bedeutet Kenntnis des Schadens (RIS Justiz RS0034547; Dehn in KBB 4 § 1489 Rz 3). Immer hängt aber die Frage, wann eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann, von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0034524 [T23]). Bei der Frage, wann die Voraussetzungen für den Beginn der Verjährungsfrist gegeben sind, handelt es sich nämlich um eine typische Einzelfallbeurteilung (zuletzt 8 Ob 66/14k).
Seit der Entscheidung eines verstärkten Senats (1 Ob 621/95 = SZ 68/238) wird in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass die kurze Verjährungsfrist nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginnt (RIS Justiz RS0083144), dagegen nicht schon mit dem schädigenden Ereignis (bei Vorhersehbarkeit des künftigen Schadenseintritts). Besteht Ungewissheit darüber, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist, und ist über diese Frage ein Rechtsstreit anhängig, ist auf die Rechtskraft der Gerichtsentscheidung bzw den Ausgang eines Verwaltungsverfahrens abzustellen, weil erst dann der Schadenseintritt (= die Zahlungspflicht des Regressberechtigten) „unverrückbar“ feststeht (1 Ob 162/07s; 7 Ob 140/10d; 9 ObA 107/12v; 4 Ob 145/12w) und ausreichend sichere Informationen für eine Schadenersatzklage verfügbar sind (RIS Justiz RS0083144 [T14]; 7 Ob 140/10d; 1 Ob 162/10w mwN). Eine ausreichende Kenntnis vom Schaden kann allerdings im Einzelfall auch gegeben sein, wenn bereits vorher gesicherte Verfahrensergebnisse vorliegen oder der Geschädigte erdrückende Beweise ignoriert (1 Ob 12/05d mwN; 1 Ob 138/05h; 10 Ob 111/07g; 2 Ob 158/09p; 1 Ob 183/11k; RIS Justiz RS0083144 [T22]; Dehn in KBB 4 § 1389 ABGB Rz 3; Mader/Janisch in Schwimann , ABGB³, § 1489 Rz 9; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ § 1489 Rz 21). Ist nach den gegebenen Umständen nicht offensichtlich, dass ausreichende Kenntnis vom Schaden erst nach Beendigung eines anhängigen behördlichen Verfahrens vorliegen kann, hat der Geschädigte im Falle eines Verjährungseinwands darzulegen, aus welchen Gründen er vorher über einen bereits erfolgten Schadenseintritt noch im Unklaren sein konnte (1 Ob 12/05d).
Aufgrund der besonderen Umstände im Anlassfall lagen gesicherte Verfahrensergebnisse über das Entstehen des Schadens jedenfalls bereits mit der die erstinstanzliche Verurteilung des Klägers bestätigenden Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg und damit lange vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vor. Der Kläger hat nämlich im gesamten Verwaltungsstrafverfahren die Verwaltungsübertretung an sich gar nicht bestritten, sondern sich im Wesentlichen nur damit zu entschuldigen versucht, dass ihn kein Verschulden treffe, weil er sich auf die Rechtsauskunft der Beklagten verlassen habe (dürfen). Dem Kläger blieb es zwar unbenommen, auch noch eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof als außerordentliches Rechtsmittel gegen das Straferkenntnis zu ergreifen, zur Feststellung des Schadens und des Schädigers war diese aber nicht unbedingt notwendig: Dass die schadensverursachende Handlung wie vom Kläger behauptet durch die Auskunft des beklagten Steuerberatungsunternehmens veranlasst wurde und ihm damit die Verhängung einer Verwaltungsstrafe drohte, musste ihm nämlich schon ab Beginn des gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens bekannt sein. Spätestens mit der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg musste ihm aber jedenfalls klar sein, dass sein Einwand, er habe sich in einem schuldausschließenden Irrtum befunden, auf Grundlage der herrschenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht geeignet sein konnte, eine Änderung des verurteilenden Straferkenntnisses herbeizuführen. Aus welchen Gründen der Kläger dennoch über die Entstehung des Schadens noch im Unklaren hätte sein können, wird von ihm nicht dargetan. Insofern ist er seiner Behauptungspflicht auch nicht nachgekommen.
Die Kenntnis der Schadenshöhe ist nicht Voraussetzung des Verjährungsbeginns (RIS Justiz RS0034440). In Fällen, in denen wie beim gegenständlichen Sachverhalt aufgrund gesicherter Verfahrensergebnisse keine Ungewissheit mehr darüber bestehen konnte, ob überhaupt ein Schaden eingetreten ist, sondern der Schaden nur der Höhe nach noch nicht (abschließend) beurteilt werden kann, ist eine Feststellungsklage erforderlich, um den Ablauf der Verjährungsfrist zu verhindern (vgl RIS Justiz RS0038853).
Auf weitere Fragen, insbesondere ob eine Verwaltungsstrafe auf den schädigenden Vertragspartner überhaupt überwälzt werden kann, sowie zum Einwand der Verfristung gemäß § 8 Abs 4 der (vereinbarten) Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhandberufe (AAB) musste daher nicht mehr eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS Justiz RS0035979).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0090OB00053.14F.0925.000