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VfGH vom 30.11.1995, b1691/95

VfGH vom 30.11.1995, b1691/95

Sammlungsnummer

14369

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch die Abweisung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mangels Bestätigung der Unbedenklichkeit durch das Arbeitsmarktservice; keine eigenständige Überprüfung der Feststellungen des Arbeitsmarktservice und keine nachvollziehbare Begründung des Bescheides durch die Berufungsbehörde

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden des Beschwerdevertreters die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, welcher nach seinen Angaben die jugoslawische Staatsangehörigkeit besitzt, brachte am beim Amt der OÖ Landesregierung einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufenthaltsG ein, in dem er im wesentlichen angab (und durch beigebrachte Bestätigungen belegte), daß er eine Beschäftigung (in seinem erlernten Beruf) als Maurer anstrebe, daß ein bestimmtes Bauunternehmen (bei dem sein Bruder als Zimmerer beschäftigt ist) ihn im Fall einer Arbeitsbewilligung anstellen würde sowie daß er bei seinem Bruder, der ein Haus in Enns besitze, Unterkunft fände. Der Landeshauptmann trat den Antrag (im Hinblick auf die ErmächtigungsV LGBl. 47/1993) der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land mit dem Bemerken zur Entscheidung ab, daß eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Landesarbeitsamtes (gemeint: der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice) jedenfalls erforderlich sei. Die Bezirkshauptmannschaft führte sodann ein Ermittlungsverfahren durch, in dem sie (ua.) eine Anfrage an die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice im Sinn des § 5 Abs 2 AufG (unter dieser Kurzbezeichnung ist hier und im folgenden stets das AufenthaltsG, BGBl. 466/1992, idF des Arbeitsmarktservice-Begleitgesetzes, BGBl. 314/1994, mithin in der Fassung vor der mit in Kraft getretenen Novelle BGBl. 351/1995 zu verstehen) richtete. Die Landesgeschäftsstelle teilte hiezu mit einem unter Verwendung eines Vordrucks ausgefertigten Schreiben vom ohne weitere Begründung mit, daß die Unbedenklichkeit für die Berufsgruppe nicht bestätigt werde.

Mit Bescheid vom wies die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land namens des Landeshauptmannes den Antrag unter Bezugnahme auf § 5 Abs 2 und § 1 Abs 1 AufG ab und begründete dies damit, daß die Unbedenklichkeit vom Landesarbeitsamt (gemeint: der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice) nicht bestätigt worden sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher er ua. vorbrachte, daß er sich gegenüber Gruppen anderer Fremder als diskriminiert erachte, die vom AufG ausgenommen seien und keiner Beschäftigungsbewilligung bedürften.

2. Der Bundesminister für Inneres wies dieses Rechtsmittel mit dem (sodann am zugestellten) Bescheid vom unter Bezugnahme auf § 5 Abs 2 AufG ab und führte zur Begründung (nach einer inhaltlichen Wiedergabe dieser Gesetzesbestimmung) an, daß die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Unbedenklichkeit nicht bestätigt habe, woraus sich für die Behörde die gesetzliche Verpflichtung ergeben habe, den Antrag abzulehnen; selbst wenn eine Ermessensentscheidung zulässig wäre, könnte die Behörde zu keinem anderen Ergebnis gelangen, denn es seien vom Beschwerdeführer keine nennenswerten persönlichen Interessen vorgebracht worden, die eine Entscheidung zu seinen Gunsten herbeiführen hätten können.

3. Gegen den Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde nach Art 144 B-VG, in welcher der Beschwerdeführer eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere einen Verstoß gegen das BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, geltend macht und die Bescheidaufhebung begehrt.

Der belangte Bundesminister für Inneres legte die Verwaltungsakten vor und beantragte - ohne auf das Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen - die Abweisung der Beschwerde.

II. Die Beschwerde, deren meritorischer Erledigung Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen, ist gerechtfertigt.

1. Der Verfassungsgerichtshof verweist zunächst auf die Entscheidungsgründe seines in einem Gesetzesprüfungsverfahren gefällten Erk. G65/95 ua. vom , in dem er sich eingehend mit dem Erfordernis einer verfassungskonformen Auslegung des § 5 Abs 2 AufG (in der auch hier maßgebenden Fassung des Arbeitsmarktservice-Begleitgesetzes, BGBl. 314/1994, mithin in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. 351/1995) auseinandergesetzt hat. In diesem Erkenntnis ist vor allem dargetan, daß die zur Entscheidung über die beantragte Aufenthaltsbewilligung in erster Instanz berufene Behörde die von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hinsichtlich des Tatbestandselements, ob allfällige Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung unter dem Gesichtspunkt der Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes bestehen, gegebene Begründung in ihren Bescheid zu übernehmen hat. Der im Instanzenzug zuständige Bundesminister für Inneres ist zur Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides jedoch auch insoweit zuständig, als dieser auf die diesbezügliche Feststellung der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zurückgeht; anders als im erstinstanzlichen Verfahren ist also der als Berufungsbehörde einschreitende Bundesminister auch nicht an diese Feststellung gebunden.

Nimmt man diese Rechtsauffassung zum Maßstab für die Beurteilung des mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Bescheides, so führt sie zum Ergebnis, daß der als Berufungsbehörde entscheidende Bundesminister für Inneres auf dem Boden einer verfehlten, nämlich dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellenden Auslegung seiner Aufgabe nicht nachgekommen ist, den erstinstanzlichen Bescheid in dem für die Antragsabweisung maßgeblichen Bereich zu überprüfen und eine eigenständige, nachvollziehbare Begründung zu liefern. Dieser dem Bundesminister in der rechtsirrigen Annahme, auch die Berufungsbehörde sei an die Feststellung der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gebunden, unterlaufene Fehler ist aber nicht bloß - wie eben erwähnt wurde - Ausdruck eines verfassungswidrigen Gesetzesverständnisses. Er reicht - wie die folgenden, unter Bedachtnahme auf die Judikatur des Gerichtshofs zum Gleichheitsgebot sowie zum BVG BGBl. 390/1973 angestellten Erwägungen nachweisen - auch in die Verfassungssphäre:

In ständiger Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung bekämpfter Bescheide unter dem Aspekt des nur österreichischen Staatsbürgern gewährleisteten Gleichheitsrechtes den Standpunkt eingenommen, daß eine Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes (ua.) dann vorliegt, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg. 13303/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen). Dies muß nach Ansicht des Gerichtshofs umsomehr im Fall gelten, daß die Behörde - wenngleich durch eine unzutreffende Rechtsauffassung irregeführt - von einer inhaltlichen Begründung ihres Bescheides überhaupt absieht. Ein solcher - im Hinblick auf das Gleichheitsgebot in die Verfassungssphäre reichender - Fehler ist auch in Ansehung eines Bescheides wahrzunehmen, der einen Fremden zum Adressaten hat. Wie der Verfassungsgerichtshof nämlich ebenfalls schon ausgesprochen hat (s. B2318/94 vom mit Bezugnahme auf B1911/93 vom ), enthält ArtI Abs 1 des BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen, mithin - über Art 7 B-VG hinausgehend und diesen gleichsam erweiternd - ein (auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes) Gebot der Gleichbehandlung von Fremden; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist. Diesem Gleichbehandlungsgebot, welches dem Fremden durch die bezogene Verfassungsvorschrift des BVG BGBl. 390/1973 als subjektives Recht gewährleistet ist, widerstreitet ein inhaltlich begründungsloser Bescheid aber nicht anders als gemäß der dargestellten Judikatur dem nur österreichischen Staatsbürgern gewährleisteten Gleichheitsrecht.

Der angefochtene Bescheid ist sohin aufzuheben, weil er den Beschwerdeführer in dem durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.

2. Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf das Beschwerdevorbringen im einzelnen einzugehen; dies gilt insbesondere für die bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs 2 AufG vorgebrachten Bedenken, zu denen ebenfalls auf das schon zitierte Erk. G65/95 hingewiesen sei.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG, vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 3.000 S auf die Umsatzsteuer.

III. Dieses Erkenntnis wurde gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.