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OGH vom 24.07.2014, 8Nc41/14t

OGH vom 24.07.2014, 8Nc41/14t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner als weitere Richter in der beim Arbeits- und Sozialgericht Wien zu AZ 18 Cga 14/14f anhängigen Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. A***** R*****, vertreten durch Dr. Michael Kramer, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die beklagte Partei D***** KG, *****, vertreten durch Torggler Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 26.676,83 EUR brutto sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Antrag der klagenden Partei, anstelle des Arbeits- und Sozialgerichts Wien das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen, wird abgewiesen.

2. Die Schriftsätze der klagenden Partei vom 30. Juni, 10. Juli und sowie die Schriftsätze der beklagten Partei vom 30. Juni, 7. Juli und werden zurückgewiesen.

3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 519,84 EUR (darin 86,64 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer aufgetragenen Stellungnahme vom zu ersetzen.

Text

Begründung:

Am brachte der Kläger gegen die in Tirol ansässige Beklagte unter Inanspruchnahme des Wahlgerichtsstands nach § 4 Abs 1 ASGG beim Arbeits- und Sozialgericht Wien Klage auf Zahlung von 26.676,83 EUR brutto an Gehaltsbonus für das Jahr 2013 ein. Zu diesem Zeitpunkt waren bei diesem Gericht bereits zwei weitere Verfahren zwischen den selben Parteien anhängig, und zwar über eine Klage auf Anfechtung der von der Beklagten zum ausgesprochenen Kündigung des Klägers (6 Cga 82/13s) und über eine Klage auf Zahlung von Bonus und Sachbezügen für das Jahr 2012 (6 Cga 119/13g). Zur Begründung des Wahlgerichtsstands brachte der Kläger jeweils vor, sein Arbeitsort und Lebensmittelpunkt seien während des aufrechten Dienstverhältnisses in Wien gelegen.

Im vorliegenden Verfahren haben die Parteien vorbereitende Schriftsätze gewechselt, eine vorbereitende Tagsatzung hat noch nicht stattgefunden. Am gab der Kläger, der zunächst von einer Wiener Rechtsanwaltskanzlei vertreten wurde, einen Vollmachtswechsel bekannt und stellte gleichzeitig den Antrag auf Delegierung des Verfahrens an das Landesgericht Innsbruck. Er habe seinen Lebensmittelpunkt wegen der Beendigung des Dienstverhältnisses inzwischen zurück nach Tirol verlegt. Er befinde sich zudem im Krankenstand, müsse sich Ende Juni 2014 einer Operation unterziehen und entsprechend ärztlicher Empfehlung das Zurücklegen langer Fahrtstrecken vermeiden.

Die beantragte Delegation sei aus Gründen der Verfahrensökonomie und Kostenersparnis zweckmäßig, weil nun beide Streitteile ihren Aufenthalt bzw Sitz in Tirol hätten, außerdem komme die Ladung von insgesamt acht in Tirol wohnhaften Zeugen „in Frage“, deren Vernehmung der Kläger im fortgesetzten Verfahren beantragen wolle.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Delegationsantrags. Der Kläger habe den Gerichtsstand Wien für alle seine Verfahren selbst gewählt. Zwar habe er auch im anhängigen Kündigungsanfechtungsverfahren eine Delegierung beantragt, allerdings nicht im weiteren Verfahren 6 Cga 119/13g, das die Zahlung angeblich rückständiger Entgeltbestandteile zum Gegenstand habe und daher zweckmäßigerweise mit dem vorliegenden Verfahren verbunden werden könnte.

Sowohl die Kanzlei der Beklagtenvertreter als auch der Wohnort eines der beiden bisher beantragten Zeugen lägen im Raum Wien. Ein Vertretungswechsel auf Seiten des Klägers könne die Delegation ebensowenig rechtfertigen wie das vage Inaussichtstellen weiterer Zeugenbeweisanträge. Der Kläger verfolge mit dem beabsichtigten Gerichtswechsel offenkundig sachferne, prozesstaktische Motive.

Auch das Erstgericht sprach sich gegen den Antrag aus. Der Wohnsitzwechsel des Klägers ändere nichts an der örtlichen Zuständigkeit des von ihm gewählten Gerichts. Der angekündigte Beweisantrag auf Vernehmung einer größeren Zahl von in Tirol wohnhaften Zeugen spreche zwar einerseits für eine Delegation aus prozessökonomischen Gründen, andererseits sei aber die Möglichkeit einer Vernehmung durch Videokonferenz ins Auge zu fassen. Insgesamt erscheine eine mögliche Verbindung der vorliegenden Rechtssache mit dem zweiten beim Arbeits- und Sozialgericht Wien zwischen den Streitteilen anhängigen Leistungsverfahren (6 Cga 119/13g), in dem kein Delegationsantrag gestellt wurde, besser geeignet, eine Verfahrensbeschleunigung und Verringerung der Verfahrenskosten herbeizuführen, als die Übertragung an ein anderes Gericht.

Rechtliche Beurteilung

I. Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (stRsp; RIS-Justiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RIS Justiz RS0046333).

Gegen den Willen der anderen Partei ist eine Delegierung nach der ständigen Rechtsprechung nur dann auszusprechen, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS Justiz RS0046589; RS0046324 ua).

Im Zeitpunkt der Klagseinbringung war dem Kläger die Kündigung seines Dienstverhältnisses und damit der Wegfall des Anlasses für seine Wohnsitzbegründung in Wien ebenso bereits bekannt wie der Wohnort jener Personen, die für ihn im Rechtsstreit als Zeugen in Betracht kommen würden. Er verfügte über alle nun ins Treffen geführten Informationen, die zugunsten einer Klage am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten in Innsbruck gesprochen hätten, hat sich aber dennoch für das Erstgericht entschieden. Mit einer Änderung der Verhältnisse lässt sich das Begehren, nun doch ein anderes als das selbst gewählte Gericht zur Verfahrensführung zu bestimmen, nicht begründen.

Der Kläger hat bisher erst zwei Zeugen tatsächlich zu konkreten Beweisthemen namhaft gemacht, von denen einer im Raum Wien wohnt. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die einer Vernehmung weiter entfernt wohnender Zeugen im Wege einer Videokonferenz entgegenstünden. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass eine Videokonferenz die Unmittelbarkeit des persönlichen Eindrucks eines Zeugen nicht immer in völlig gleicher Qualität vermitteln kann wie eine Einvernahme in körperlicher Gegenwart, hat der Gesetzgeber dies in Kauf genommen. Die Beweisaufnahme im Wege der Videokonferenz gilt nach § 277 ZPO als eine Form der unmittelbaren Beweisaufnahme (vgl Rechberger in Rechberger , ZPO 3 § 277 Rz 2).

Zu den konkreten Gründen, die gegen seine eigene Anreise aus Tirol sprechen würden, hat sich der Kläger nicht geäußert, insbesondere wurde nicht behauptet, dass sich die Einschränkung auf jede Form des Reisens und nicht nur auf das Lenken eines Fahrzeugs bezieht.

Auch ist dem Erstgericht und der beklagten Partei darin beizupflichten, dass eine Verbindung des vorliegenden Verfahrens mit dem bereits länger beim Erstgericht anhängigen und ebenfalls auf Zahlung rückständiger Entgeltbestandteile gerichteten Verfahren 6 Cga 119/13g, in dem bisher keine Delegation beantragt wurde, wesentlich eher geeignet erscheint, eine Vereinfachung und Kostenersparnis herbeizuführen. Die Beschäftigung zweier Gerichte in verschiedenen Bundesländern mit Ansprüchen aus dem selben Dienstverhältnis, zu deren Beurteilung zumindest teilweise die selben Tat- und Rechtsfragen zu lösen sind, würde praktisch zur Verdoppelung des Verfahrensaufwands führen.

Da eine Delegierung lediglich den Ausnahmefall bilden soll und bisher nicht hervorgekommen ist, dass mit der beantragten Übertragung des Verfahrens für beide Streitteile eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung oder Kostenreduzierung oder eine hinlängliche Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit einherginge, liegen die Voraussetzungen dafür nicht vor. Einzelne Vorteile auf Seiten des Antragstellers reichen zur Begründung der Delegierung nicht aus, wenn sich wie hier die andere Partei dagegen ausspricht. Der Antrag des Klägers ist daher abzuweisen.

II. Vor Entscheidung über einen Delegierungsantrag sind nach § 31 Abs 3 JN dem zuständigen Gericht und den Parteien unter Bestimmung einer Frist die zur Aufklärung nötigen Äußerungen abzufordern.

Eine Gegenäußerung des Antragstellers zur Stellungnahme ist nicht vorgesehen. Ebensowenig besteht im Zwischenverfahren eine rechtliche Grundlage für Ergänzungen des Antrags, der Gegenäußerung oder für gesonderte Anträge auf Zurückweisung von Eingaben der Gegenseite. Die im Spruch genannten Schriftsätze der Streitteile waren daher allesamt ungeprüft zurückzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO iVm § 58 ASGG. Der erfolglose Delegierungswerber hat dem Prozessgegner dessen notwendige Kosten seiner ablehnenden Äußerung zum Delegierungsantrag unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits zu ersetzen (RIS-Justiz RS0036025 [T1]).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0080NC00041.14T.0724.000