OGH vom 20.12.2017, 10Ob53/17t

OGH vom 20.12.2017, 10Ob53/17t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Schramm, Dr. Grohmann, Dr. Fichtenau und Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Dlaska, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Helmut N*****, vertreten durch Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwalt in Seiersberg, wegen 137.863,94 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 91/17b-23, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 17 Cg 105/15a-19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das klagende Bankunternehmen schloss im Jahr 2007 mit dem Beklagten einen Verbraucherkreditvertrag ab und räumte diesem einen zum endfälligen Einmalkredit in Höhe von 165.000 EUR, ausnutzbar in Schweizer Franken, ein. Die Zinsen waren quartalsweise fällig. Als Tilgungsträger diente eine fondsgebundene Lebensversicherung, deren Abtretung an die Klägerin vereinbart wurde. Zur Besicherung des Kredits wurde zu Gunsten der Klägerin eine Simultanhöchstbetragshypothek über 200.000 EUR auf Liegenschaften des Beklagten eingetragen. Betreffend eine Liegenschaft, mit der untrennbar Wohnungseigentum verbunden ist, wurde eine Pfandbestellungsurkunde über 70.000 EUR errichtet, die jederzeit im ersten Geldlastenrang verbücherungsfähig sein sollte; ohne Zustimmung der Klägerin sollte die Pfandliegenschaft weder belastet noch ganz oder teilweise veräußert werden. Vereinbart wurde die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin und deren Allgemeine Privatkreditbedingungen. Letztere sehen in Pkt 9 eine Kündigung aus wichtigem Grund vor, insbesondere im Fall einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse durch die die Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin gefährdet ist (ua bei Zahlungseinstellung, Konkurseröffnung oder Exekutionsführung) sowie im Fall der Nicht- oder nicht rechtzeitigen Zahlung von Raten vereinbarter Lebensversicherungs- und/oder der Feuerversicherungsprämien und/oder vereinbarter Ansparpläne, die für die Kredit/Darlehenstilgung vorgesehen sind.

Ab verpflichtete sich der Beklagte gegenüber der Klägerin eine monatliche Kapitalrate in Höhe von 240 CHF auf den Kredit zu leisten, gleichzeitig wurde die monatliche Prämienzahlung für den Tilgungsträger von 670 EUR auf 385 EUR reduziert.

Im Jänner 2015 stellt die Klägerin den Kredit zur sofortigen Rückzahlung fällig. Im Oktober 2015 brachte sie die vorliegende Klage ein.

Die Vorinstanzen sprachen übereinstimmend aus, dass das auf den verbleibenden Kreditsaldo gerichtete Klagebegehren mit 137.863,94 EUR zu Recht bestehe und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Es liege ein wichtiger Grund für die vorzeitige Auflösung des Kreditvertrags vor.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

1. Der Kreditvertrag kann, soweit er ein Dauerschuldverhältnis begründet, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes jederzeit gelöst werden; ein solcher liegt vor, wenn einer Partei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses billigerweise nicht zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0019365). Das Vertrauen des Kreditinstituts muss darin erschüttert sein, dass der zur sofortigen Rückzahlung fällig gestellte Kredit nicht mehr ordnungsgemäß bedient werde und insoweit eine vermögensrechtliche Gefährdung zu befürchten ist (RIS-Justiz RS0019365 [T1]). Ein „allgemeiner Vertrauensverlust“ reicht nicht aus. Vielmehr ist Voraussetzung, dass aufgrund einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers die Kreditrückzahlung gefährdet ist (RIS-Justiz RS0019365 [T4]). Dies ist nicht so sehr nach juristischen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und der Verkehrsauffassung zu beurteilen (RIS-Justiz RS0105348).

2.1 Ein wichtiger Grund zur Auflösung eines Kreditvertrags kann auch auf eine Gefährdung der Sicherheiten oder die vertragswidrige Nichterfüllung der bedungenen Sicherung gestützt werden (4 Ob 190/15t mwN: 10 Ob 21/03s; vgl auch 1 Ob 230/12y [zur Nichtbesparung eines vereinbarten Tilgungsträgers]), weil damit der Bank wegen des Vertrauensverlustes in den Kreditnehmer bzw wegen der aufgrund der Deckungslücke gefährdeten Kreditrückzahlung die Fortsetzung des Kreditverhältnisses unzumutbar wird (vgl auch 4 Ob 221/06p zu Klausel 9). Nach ständiger Rechtsprechung können auch Umstände ausreichen, die für sich allein noch keinen wichtigen Grund für die sofortige Vertragsbeendigung darstellen würden, wenn bereits in der Vergangenheit wiederholt massive Vertragsverletzungen geschehen sind, die so geartet waren, dass die nun eingetretenen weiteren Umstände eine (unveränderte) Weiterführung des Dauerschuldverhältnisses objektiv nicht mehr zumutbar machen (1 Ob 230/12y).

2.2 Ob ein wichtiger Grund vorliegt, der die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Rechtsverhältnisses bewirkt und zu dessen Auflösung berechtigt, ist in aller Regel eine Frage der Abwägung der Bestandsinteressen des einen Vertragspartners und des Auflösungsinteresses des anderen, der zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0042834; RS0111817).

3.1 Von den dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung weicht die Ansicht der Vorinstanzen nicht ab: Ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Kündigung liegt nach ihrer Ansicht vor allem darin, dass der Beklagte den Tilgungsträger, dessen Ansparung er mit dem Kreditgeber vereinbart hatte, nicht mehr bediente, was zur Folge hatte, dass der Lebensversicherungsvertrag aufgelöst wurde und der Tilgungsträger unterging. Laut den Vorinstanzen ergeben sich aus den Feststellungen auch weitere Vertragsverletzungen, wie insbesondere die Anmerkung gesetzlicher Pfandrechte gemäß § 27 Abs 2 WEG auf beiden Liegenschaften, die Einleitung von Zwangsversteigerungsverfahren wegen auch nur geringfügiger Forderungen sowie die Einstellung der Zahlung der 2012 vereinbarten monatlichen (zusätzlichen) Kapitaltilgungsraten von 250 CHF.

3.2. Ob – wie die Revisionswerberin geltend macht – Punkt 9 der Allgemeinen Privatkreditbedingungen sittenwidrig ist, ist im Revisionsverfahren nicht zu prüfen, weil dieser Einwand vom Erstgericht verneint und in der Berufung nicht mehr aufrecht erhalten wurde. Auch die Rechtsansicht des Erstgerichts, das Vorbringen der Klägerin in ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom sei als Aufkündigung im Sinn des Punktes 9 der Allgemeinen Privatkreditbedingungen zu interpretieren, blieb in der Berufung unbekämpft. Ein Vorbringen, die Aufkündigung wäre verspätet gewesen, wurde in der Berufung nicht erstattet. Hat die Rechtsrüge in zweiter Instanz nur einen bestimmten Aspekt aufgegriffen und das Ersturteil nicht aus dem nunmehr relevierten (tatsächlichen) Grund bekämpft, dann kann die diesbezügliche rechtliche Beurteilung im Revisionsverfahren nicht mehr angefochten werden (RIS-Justiz RS0043338).

4. Auch mit dem Vorbringen, die Rückführung des Kredits sei wegen der hohen Werthaltigkeit der als Sicherungsmittel dienenden Liegenschaften nicht gefährdet, weshalb dem Untergang des Tilgungsträgers keine Bedeutung zukomme und die Klägerin nach Endfälligkeit auf die Zwangsversteigerung der Liegenschaften verweisbar sei, zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision setzt sich nämlich weder mit dem Argument des Berufungsgerichts auseinander, aus dem Grundbuch seien erhebliche Belastungen der Liegenschaften zugunsten Dritter ersichtlich, noch wird zur Ansicht des Berufungsgerichts Stellung genommen, die in der Vergangenheit gegebenen Vertragsverletzungen, aber auch die Sorglosigkeit des Beklagten in eigenen finanziellen Angelegenheiten würden es für die Klägerin unzumutbar machen, nach Endfälligkeit ausschließlich auf den Erlös aus einer zwangsweisen Verwertung der Liegenschaften zu hoffen.

Dass der Revisionswerber – bezogen auf den Zeitpunkt der qualifizierten Aufkündigung im Dezember 2014 – mittlerweile alle seine offenen Verbindlichkeiten getilgt hätte (wie er behauptet), steht nicht fest.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00053.17T.1220.000

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