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OGH vom 30.08.2018, 9Ob52/18i

OGH vom 30.08.2018, 9Ob52/18i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Dr. Stefan Glaser, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei Mag. A*****, vertreten durch Bruckmüller RechtsanwaltsGmbH in Linz, wegen 10.282,59 EUR und Feststellung (Streitwert 3.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 3/18k-26, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Ried im Innkreis vom , GZ 3 C 409/17a-19, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 1.017,90 EUR (darin enthalten 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO; RIS-Justiz RS0042392) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

2. Nach § 1301 ABGB können für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen verantwortlich werden, „indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen udgl oder auch nur durch Unterlassen der besonderen Verbindlichkeit das Übel zu verhindern, dazu beigetragen haben“. Nach § 1302 ABGB haften in einem solchen Falle, wenn die Beschädigung vorsätzlich zugefügt worden ist, alle für einen und einer für alle.

3. § 1302 ABGB stellt zwar bei der Anordnung der Solidarhaftung trotz Bestimmbarkeit der Anteile auf die vorsätzliche Mittäterschaft ab. Die Solidarhaftung ist aber nach der Rechtsprechung auch schon dann gerechtfertigt, wenn zwar kein gemeinschaftlicher Schädigungsvorsatz bestand, zwischen den mehreren Personen aber Einvernehmen über die Begehung einer rechtswidrigen Handlung herrschte und diese Handlung für den eingetretenen Schaden konkret gefährlich war (vgl RIS-Justiz RS0109825).

Gemeinschaftlichkeit im Sinne des § 1301 ABGB kann also auch dann vorliegen, wenn zwischen den Tätern zwar kein Einvernehmen über die Schädigung gegeben ist, wohl aber über die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens, bei dessen Verwirklichung eine nicht beabsichtigte Schädigung erfolgt (RIS-Justiz RS0109824). Der Vorsatz im Sinne des § 1302 Satz 2 ABGB braucht sich also nicht auf den vollen Schadenserfolg zu erstrecken, sondern muss nur auf eine Rechtsverletzung oder Schädigung gerichtet sein, um die Haftung auch für weitere, daraus entspringende Schäden zu begründen (RIS-Justiz RS0112574).

Der Vorwurf, vorsätzlich gemeinsam ein unerlaubtes Ziel verfolgt zu haben, rechtfertigt es, alle Beteiligten zunächst ohne weitere Prüfung ihrer Kausalität für den entstandenen Schaden verantwortlich zu machen (RIS-Justiz RS0112574). Nur in den Fällen, in denen sich die mangelnde Kausalität des Verhaltens des in Anspruch genommenen „Mittäters“ ausdrücklich nachweisen lässt, wird die Haftung nach §§ 1301, 1302 ABGB ausgeschlossen (2 Ob 97/16b).

4. Die Anwendung dieser vom Obersten Gerichtshof zur Haftung von Mittätern entwickelten Grundsätze im Einzelfall stellt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (5 Ob 34/17m). Das betrifft auch die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, welches innerhalb einer Gruppe gesetzte Verhalten eine Zurechnung begründen kann.

Anderes würde im Interesse der Rechtssicherheit nur gelten, wenn dem Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Das ist hier aber nicht der Fall.

Das Berufungsgericht qualifizierte den Beklagten als verantwortlichen Mittäter, weil zwar kein Einvernehmen über die konkrete Schädigung des Klägers (Körperverletzung), wohl aber über die gemeinsame Durchführung einer rechtswidrigen, im Hinblick auf den eingetretenen Schaden konkret gefährlichen Handlung bestanden hat.

Der Beklagte lief zusammen mit anderen (insgesamt 5–10 Personen) nach einem Fußballspiel geschlossen auf den Parkplatz, auf dem Fahrzeuge der Anhänger der gegnerischen Mannschaft parkten. Der überwiegende Teil dieser Gruppe attackierte daraufhin Personen, die um einen Fanbus der gegnerischen Mannschaft standen oder schon im Bus waren. Der Kläger, der als Polizeibeamter vor Ort war und in das Geschehen eingriff, wurde dabei von einem der Angreifer, jedoch nicht dem Beklagten, verletzt.

In einer Gruppe auf Fans des gegnerischen Fußballclubs loszustürmen ist ein Verhalten, das jedenfalls geeignet ist, Aggressionen und Tätlichkeiten zu fördern. Verletzungen, sei es von gegnerischen Fans, Unbeteiligten oder einschreitenden Sicherheitskräften, sind in einer solchen Situation wahrscheinlich oder zumindest vorhersehbar. Die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, dass daher eine solidarische Haftung auch des Beklagten für die Verletzungsfolgen besteht, ist jedenfalls vertretbar.

Wenn der Beklagte in der Revision versucht, seine Beteiligung zu verharmlosen („Laufen über einen Platz“, „zufällig in der Nähe befindliche Person“), übergeht er, dass das nach einem bewussten Richtungswechsel gezielte Losstürmen auf Anhänger eines gegnerischen Vereins ganz offenkundig den Zweck hatte, diese Personen durch ein bedrohliches Verhalten zumindest einzuschüchtern, zu vertreiben oder, was letztlich auch geschehen ist, sogar körperlich anzugreifen. Insofern ist auch der in der Revision gezogene Vergleich zu friedlichen Demonstranten unangebracht. Personen, die sich zufällig am Ort einer Eskalation befinden, an dieser aber nicht beteiligt sind, können nicht mit solchen gleichgesetzt werden, die eine Eskalation provozieren, auch wenn sie dann nicht selbst tätlich eingreifen.

Richtig hat das Berufungsgericht auch darauf verwiesen, dass der Nachweis mangelnder Kausalität in einem solchen Fall nicht auf die unmittelbare Schädigung zu beziehen ist, sondern auf die gemeinsame Durchführung des Vorhabens (hier Losstürmen), das letztlich zum Schaden geführt hat. Diesbezüglich wurde vom Beklagten aber nicht einmal ein Vorbringen erstattet.

5. Sowohl zum Kausalzusammenhang als auch zu seiner „Unterbrechung“ durch Eingreifen eines Dritten besteht umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs (vgl insb RIS-Justiz RS0022918; RS0022575; RS0022621). Danach durchbricht das Dazwischentreten eines Dritten den Kausalzusammenhang, wenn mit einem derartigen Handeln eines Dritten und mit dem dadurch bedingten Geschehnisablauf nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen war.

Dass das Verhalten des Beklagten und der anderen Personen aus seiner Gruppe geeignet war, zu Tätlichkeiten zu führen, wurde bereits ausgeführt. Auch aus diesem Argument ist daher für den Beklagten nichts zu gewinnen.

6. Die Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00052.18I.0830.000

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