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OGH vom 05.12.2000, 10ObS144/00z

OGH vom 05.12.2000, 10ObS144/00z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf und die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Dr. Carl Hennrich (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Georg N*****, Student, ***** vertreten durch Dr. Heinz Kallan, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vertreten durch Dr. Paul Bachmann ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Waisenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 250/99t-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 31 Cgs 201/98k-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am verstarb der Vater des Klägers. Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde de am geborenen Kläger eine Waisenpension ab zugesprochen. Im Juni 1997 absolvierte der Kläger die Reifeprüfung. Am zog er sich bei einem Sportunfall schwere Kopfverletzungen zu. Der Kläger hätte am den Präsenzdienst antreten sollen; nach Ableistung des Präsenzdienstes hätte er ein Studium beginnen wollen.

Bis zum Unfall vom war der Kläger ohne Einschränkungen in der Lage, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ab dem Unfall bis zum bestand hingegen beim Kläger völlige Erwerbsunfähigkeit. Vom bis zum waren dem Kläger wieder leichte Arbeiten zumutbar; er war jedoch in diesem Zeitraum noch nicht in der Lage, zu studieren, weil an sein Konzentrationsvermögen und seine intellektuelle Leistungsbreite noch keine großen Anforderungen gestellt werden konnten. Der Kläger wurde am aufgrund seines Unfalls zum Wehrdienst für untauglich erklärt. Am (Sommersemester 1998) begann der Kläger sein Studium der Betriebswirtschaft.

Mit Bescheid vom sprach die beklagte Partei aus, dass dem Kläger für den Zeitraum bis keine Waisenpension gebühre; ab gebühre ihm eine Waisenpension in der Höhe von S 3.898,10. Gleichzeitig wurde der Überbezug von S 8.046,90 zurückgefordert und die Aufrechnung erklärt. Die beklagte Partei begründete den Bescheid damit, dass im Zeitraum bis weder eine Schul- oder Berufsausbildung noch eine Erwerbsunfähigkeit vorgelegen sei. Der Zahlungsempfänger habe erkennen müssen, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebühre.

Dagegen richtet sich die Klage des Klägers, die Waisenpension in gesetzlicher Höhe auch für die Zeit vom bis zu gewähren. Der Kläger habe sein Studium wegen unfallbedingter Konzentrationsstörungen erst im Februar 1998 beginnen können. In der Zeit zwischen Reifeprüfung und Studienbeginn habe die Kindeseigenschaft gemäß § 128 GSVG weiter bestanden. Im Dezember 1997 sei der Kläger erwerbsunfähig gewesen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass beim Kläger keine Erwerbsunfähigkeit vorgelegen sei.

Das Erstgericht stellte mit Urteil fest, dass das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger eine Waisenpension in gesetzlicher Höhe zu bezahlen, im Zeitraum bis und ab dem Grunde nach zu Recht bestehe, und verpflichtete die beklagte Partei bis zur Erlassung eines die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides zu einer vorläufigen Zahlung von S 3.800 monatlich; das Mehrbegehren, eine Waisenpension auch für den Zeitraum bis zu gewähren, wurde hingegen abgewiesen.

Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen ging das Erstgericht rechtlich davon aus, dass die Kindeseigenschaft des Klägers grundsätzlich mit Ablegung der Reifeprüfung erloschen sei. Die Kindeseigenschaft bestehe nur dann weiter, wenn im nächsten Wintersemester ein die Arbeitskraft überwiegend beanspruchendes Studium aufgenommen werde. Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 128 Abs 2 Z 2 GSVG sei nicht vorgelegen, weil der Kläger nach 4 Monaten wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar gewesen sei. Dem Kläger gebühre daher für den Zeitraum bis keine Waisenpension. Die beklagte Partei sei jedoch nicht berechtigt gewesen, die Waisenpension für den Zeitraum bis zurückzufordern, weil der Kläger den Überbezug weder durch bewusst unwahre Angaben noch durch bewusstes Verschweigen oder Verletzung der Melde- und Auskunftspflichten verursacht habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei. Der Kläger habe zunächst für die Sommerferien 1997 durch die Absicht, nach der Reifeprüfung den Präsenzdienst zu absolvieren und anschließend mit einem Studium zu beginnen, seine Kindeseigenschaft gewahrt. Unter Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 128 Abs 2 Z 2 GSVG werde zwar keine dauernde Erwerbsunfähigkeit verstanden, sie müsse jedoch gemäß § 132 Abs 1 Z 1 GSVG mindestens 6 Monate dauern, um relevant zu sein; dies sei jedoch nicht der Fall. Der geltend gemachte Zeitraum liege auch nicht zwischen Reifeprüfung und dem nächstmöglichen Studienbeginntermin.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens auch für den Zeitraum bis abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass jener Teil des Ersturteils, mit dem es feststellte, dass das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger eine Waisenpension in gesetzlicher Höhe zu bezahlen, im Zeitraum bis und ab dem Grunde nach zu Recht bestehe, und die beklagte Partei bis zur Erlassung eines die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides zu einer vorläufigen Zahlung von S 3.800 monatlich verpflichtete, mangels Berufung der beklagten Partei in Teilrechtskraft erwuchs. Auf diesen Teil der Entscheidung, insbesondere auch die Fassung der Form des Spruches ist daher nicht mehr einzugehen. Nach dem gesamten Inhalt des Ersturteils ging jedoch auch das Erstgericht davon aus, dass die Voraussetzungen für den Anspruch bereits ab nicht mehr bestanden. Das teilweise "stattgebende" Ergebnis erklärt sich nur daraus, dass das Erstgericht für den Zeitraum bis das Vorliegen eines Rückforderungstatbestandes verneinte.

Nach § 138 GSVG haben die Kinder im Sinne des § 128 Abs 1 Z 1 bis 4 und Abs 2 GSVG Anspruch auf Waisenpension nach dem Tod des (der) Versicherten. § 128 Abs 2 Z 1 GSVG idF des SRÄG 1992, BGBl 1992/474, ist in allen Fällen anzuwenden, in denen das Kind das 18. Lebensjahr nach dem vollendet (§ 257 Abs 3 GSVG). Gemäß § 128 Abs 2 Z 1 GSVG idF des SRÄG 1992 besteht die Kindeseigenschaft auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn und solange sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Dies war bei dem am geborenen Kläger im hier relevanten Zeitraum vom bis nicht der Fall.

Für die Zeit des Präsenzdienstes ist die Kindeseigenschaft im Sinne des § 128 Abs 2 Z 1 GSVG grundsätzlich nicht anzunehmen (Teschner/Widlar, GSVG, Anm 11b zu § 128; SSV-NF 5/108 mwN, 10 ObS 68/99v). Die Kindeseigenschaft hätte beim Kläger in der Zeit zwischen der Reifeprüfung im Juni 1997 bis zum Antritt des Präsenzdienstes nur unter der Voraussetzung weiter bestanden, wenn er tatsächlich am den Präsenzdienst angetreten und dann im Anschluss an den Präsenzdienst ein Studium im unmittelbar darauf folgenden Semester aufgenommen hätte (Teschner/Widlar, ASVG, Anm 6b zu § 252). Dies war jedoch nicht der Fall. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Nichtantritt des Präsenzdienstes ausschließlich deshalb erfolgte, weil der Kläger nach seinem Unfall für untauglich befunden wurde.

Die Kindeseigenschaft hätte beim Kläger nach der Reifeprüfung allenfalls auch unter der Voraussetzung weiter bestanden, wenn er an Stelle seines ursprünglichen Vorhabens, im Herbst 1997 den Präsenzdienst anzutreten, gleich im Wintersemester 1997/98 ein Studium begonnen hätte (Teschner/Widlar, ASVG, Anm 6b zu § 252; Radner/Windhager/Engl/Traunmüller/Gahleitner, Bauernsozialversicherung, Anm 13 zu § 119 BSVG;10 ObS 68/99v). Bei der Ablegung der Reifeprüfung und der Aufnahme eines Hochschulstudiums im nächsten Wintersemester handelt es sich nämlich praktisch um eine durchgehende Schulausbildung, die nur während der Ferien kurzfristig ausgesetzt wird und sohin die Kindeseigenschaft gemäß § 128 Abs 2 Z 1 GSVG fortbestehen lässt (SSV-NF 2/68; 10 ObS 77/99t; RIS-Justiz RS0089658); aber auch dies war beim Kläger nicht der Fall. Auch hier spielt es für das Fortbestehen der Kindeseigenschaft durch eine Schul- oder Berufsausbildung über das 18. Lebensjahr hinaus keine Rolle, dass die Entscheidung, vorerst noch kein Studium anzutreten, durch einen schweren Unfall beeinflusst wurde. Der Kläger befand sich daher im hier relevanten Zeitraum vom bis in keiner Schul- oder Berufsausbildung.

Nach § 128 Abs 2 Z 2 GSVG besteht die Kindeseigenschaft auch dann nach der Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn und solange das Kind seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder seit dem Ablauf des in Z 1 genannten Zeitraumes (Schul- oder Berufsausbildung) infolge Krankheit oder Gebrechens erwerbsunfähig ist. Erwerbsunfähigkeit auf Grund geistiger oder körperlicher Gebrechen liegt vor, wenn jemand wegen des nicht mehr vorübergehenden Zustandes der körperlichen und geistigen Kräfte und nicht etwa nur wegen der ungünstigen Lage des Arbeitsmarktes oder wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nicht imstande ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen nennenswerten Erwerb zu erzielen (SSV-NF 6/102; RIS-Justiz RS0085536). Hiebei muss es sich keineswegs um eine "dauernde" Erwerbsunfähigkeit handeln (Teschner/Widlar, GSVG, Anm 1 zu § 133; RIS-Justiz RS0085556).

Bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit nach der hier maßgeblichen Gesetzesstelle kommt es also darauf an, ob das Kind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einem Erwerb nachgehen kann (SSV-NF 6/102). Ob dies beim Kläger der Fall ist, kann aber dahingestellt bleiben, weil noch eine weitere Voraussetzung erfüllt sein muss. Die Erwerbsunfähigkeit nach dieser Gesetzesstelle muss bereits vor den beiden genannten Zeitpunkten (Vollendung des 18. Lebensjahres oder Ablauf des in Z 1 genannten Zeitraumes) eingetreten sein und über diese Zeitpunkte hinaus andauern. Die ständige Judikatur sieht die Absicht des Gesetzgebers darin, Versorgungsansprüche eines Kindes zu erhalten, nicht aber Versorgungsansprüche für Personen neu zu schaffen, die erst später ihre Erwerbsfähigkeit verloren haben (10 ObS 209/00h; vgl Schrammel in Tomandl, SV-System 7. ErgLfg 129 mwN).

Nach den Feststellungen ist die (vorübergehende) Erwerbsunfähigkeit des Klägers erst mit dem Unfall vom eingetreten. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Kläger uneingeschränkt erwerbsfähig. Der Kläger war somit weder seit der Vollendung des 18. Lebensjahres () noch seit der Reifeprüfung im Juni 1997 erwerbsunfähig. Eine Erwerbsunfähigkeit kann beim Kläger frühestens mit dem Unfall vom eingetreten sein. Da die Kindeseigenschaft beim Kläger nach den Ausführungen zu § 128 Abs 2 Z 1 GSVG mangels Fortführung einer Schul- oder Berufsausbildung zunächst mit Ablegung der Reifeprüfung im Juni 1997 erloschen ist, fehlt auch der zeitliche Konnex zur behaupteten Erwerbsunfähigkeit des Klägers (vgl Teschner/Widlar, ASVG, Anm 13 zu § 252; SSV-NF 11/84). Damit fehlt es aber an einer wesentlichen Voraussetzung für die Bejahung des Klageanspruches im Zeitraum vom bis . Aus diesem Grund können weitere Überlegungen, ob die Dauer der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers ausreicht, um bereits von einer Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 128 Abs 2 Z 2 GSVG sprechen zu können, dahingestellt bleiben. Die Vorinstanzen haben daher das Begehren des Klägers im für das Revisionsverfahren relevanten Umfang zu Recht abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.