OGH vom 22.01.1987, 8Ob703/86
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am verstorbenen, zuletzt in 9020 Klagenfurt, Wulfengasse 15, wohnhaft gewesenen Pensionistin Elisabeth B***, infolge Revisionsrekurses des erblasserischen Sohnes Helmut B***, Pensionist, 9020 Klagenfurt, Wulfengasse 15, vertreten durch Dr. Hugo Schally, und Dr. Anton Knees, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom , GZ 1 R 548/86-32, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom , GZ 1 A 5/85-28, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Elisabeth B*** hat in ihrem Testament vom ihren Sohn Helmut B*** zum Alleinerben eingesetzt. Nach dem Inhalt der mit diesem Sohn erstellten Todfallsaufnahme hat die Erblasserin lediglich wertlose Fahrnisse hinterlassen. Das Erstgericht sprach hierauf aus, daß eine Verlassenschaftsabhandlung mangels eines Nachlaßvermögens nicht stattfinde (§ 72 Abs 1 AußStrG). Mit Schriftsatz vom beantragte der zweite erblasserische Sohn Dkfm. Kurt B*** die Einleitung der Verlassenschaftsabhandlung im Sinne des § 72 Abs 2 AußStrG. Die Erblasserin habe im Zeitpunkt ihres Todes über zahlreiche Wertgegenstände, insbesondere eine voll eingerichtete Wohnung mit wertvollen Möbeln, Teppichen, Bildern, Porzellan- und Silbergegenständen, Gold- und Silbermünzen, über Schmuck sowie über ein Sparbuch und ein Schließfach bei der Bank für Kärnten verfügt. Der Wert dieses Nachlasses übersteige den Betrag von 20.000 S bei weitem (ON 3 und 4 dA). Am beantragte Dkfm. Kurt B*** die Errichtung eines Nachlaßinventars. Helmut B*** sprach sich dagegen aus, weil die Erblasserin in der von ihm gemieteten Wohnung gelebt habe und er noch zu Lebzeiten der Erblasserin Eigentümer des gesamten Inventars geworden sei. Verschiedene Gegenstände, die sich nach den Angaben Dkfm. B*** in der Wohnung befunden hätten, seien tatsächlich nicht vorhanden gewesen. Die Erblasserin selbst habe keine wertvollen Gegenstände besessen.
Erbserklärungen wurden bisher noch nicht abgegeben. Mit Beschluß vom (ON 28 dA) ordnete das Erstgericht die Inventarisierung des Nachlasses an (Punkt 1) des Spruches) und trug es dem erblasserischen Sohn Helmut B*** auf, die Inventarisierung und Schätzung bestimmt angeführter Nachlaßgegenstände insoweit zu gestatten, als sich diese in der Wohnung Klagenfurt, Wulfengasse 15, befänden (Punkt 2) des Spruches). Die Einleitung des Verlassenschaftsverfahrens und die Anordnung der Inventarisierung auf Antrag des Noterben Dkfm. Kurt B*** gründete das Erstgericht auf die §§ 72 Abs 1, 92 Abs 1 AußStrG und § 804 ABGB. Zur Begründung des Auftrages an den erblasserischen Sohn Helmut B***, die Inventarisierung der angeführten Nachlaßgegenstände insoweit zu gestatten, als sie sich in seinem Besitz befänden, führte das Erstgericht aus, daß das Vorhandensein dieser Gegenstände durch die Aussagen der Auskunftspersonen Dkfm. Kurt B***, Alice B*** und Kurt B*** ausreichend glaubhaft gemacht, von Helmut B*** jedoch teilweise bestritten worden sei.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem von Helmut B*** gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs nicht Folge. Das Rekursgericht erachtete den Rekurs ungeachtet des Umstandes, daß Helmut B*** noch keine Erbserklärung abgegeben habe, als zulässig, ihn jedoch nicht als berechtigt. Die Notwendigkeit der Errichtung eines Inventars ergebe sich aus der Vorschrift des § 92 Abs 1 AußStrG, weil von einer zufolge des § 804 ABGB berechtigten Person, nämlich von einem Noterben, darum angesucht worden sei. Das Inventar solle einen - vorläufigen - Überblick über die Zusammensetzung und den Gesamtwert der Verlassenschaft bieten und auch eine Entscheidungshilfe dafür sein, ob der Erbe eine Erbserklärung abgeben oder die Erbschaft ausschlagen wolle. Dies sei vor allem für den Rekurswerber selbst von Bedeutung, der als Testamentserbe bis heute noch gar keine Erbserklärung abgegeben habe. Gemäß §§ 97 und 104 AußStrG habe das Abhandlungsgericht zu prüfen, welche beweglichen und unbeweglichen Sachen sich zur Zeit des Todes des Erblassers in dessen Besitz, also nicht in seinem Eigentum, befunden hätten und daher in das Inventar aufzunehmen seien, wobei Besitz im Sinne des § 309 ABGB, also nicht bloß Innehabung, gemeint sei. Die Frage, ob eine bestimmte Sache im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in dessen Besitz gewesen und daher in das Inventar aufzunehmen sei, sei vom Abhandlungsgericht - ohne Verweisung auf den Rechtsweg - unter Umständen in einem förmlichen Beweisverfahren so weit zu klären, als dies mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens möglich sei. Die Aufnahme einer Sache in das Inventar habe für die Frage des Eigentums und die allenfalls im Prozeßweg vorzunehmende Pflichtteilsberechnung keinen Einfluß. Es werde also weder durch die Aufnahme noch durch die Nichtaufnahme einer Sache in das Inventar in die Rechte des Noterben (oder des Erben) eingegriffen. Werde von einem Dritten Eigentum an bestimmten Sachen, die sich im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in dessen Besitz befunden hätten, behauptet, sei dieses Recht aber nicht klar, dann sei die betreffende Sache gemäß § 97 AußStrG in das Inventar unter Angabe ihres Wertes aufzunehmen; sie sei nur dann nicht zu bewerten, wenn das Eigentumsrecht des Dritten (der auch der Erbe sein könne) klar erscheine, also durch Urkunden bewiesen werde. Solange die Zugehörigkeit einer Sache zum Nachlaß (also der Besitz des Erblassers daran) strittig sei, sei sie nicht in das Inventar aufzunehmen. Über all diese Fragen habe das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluß noch nicht entschieden. Es habe lediglich die Vornahme der Inventur angeordnet und dem Rekurswerber (ua) als Mieter der Wohnung, in der die Erblasserin zuletzt gewohnt habe, aufgetragen, die Durchführung der Inventur zu dulden. Wenn es dabei bestimmte Gegenstände bezeichnet habe, so bedeute das noch nicht eine Vorwegnahme der erst aufgrund der vom Gerichtskommissär durchzuführenden Inventur gemäß § 109 AußStrG vorzunehmenden Prüfung und der gemäß § 113 Abs 1 AußStrG darüber zu treffenden Entscheidung. Das Erstgericht habe nur das "Vorhandensein" der im angefochtenen Beschluß angeführten Gegenstände als bescheinigt angesehen, jedoch nicht festgestellt, daß sie sich im Besitz der Erblasserin befunden hätten oder daß sie in das Inventar aufzunehmen seien. Alle Ausführungen des Rekurses zu Fragen, ob sich verschiedene Gegenstände im Besitz der Erblasserin befunden hätten, ob sie Eigentum des Rekurswerbers seien und ob der Noterbe seinen Pflichtteilsanspruch im Rechtsweg durchzusetzen habe, gingen daher ins Leere.
Das Gericht zweiter Instanz wies schließlich noch darauf hin, daß im weiteren Verlauf des Verfahrens der Gerichtskommissär mit der Aufnahme des Inventars zu betrauen sein und dieser dabei nach den §§ 98 und 109 AußStrG vorzugehen haben werde, weil unbestritten sei, daß die Erblasserin zuletzt in der Wohnung des Rekurswerbers gelebt habe und zur Inventur die Wohnung des Rekurswerbers betreten werden müsse, was nicht verwehrt werden dürfe. Nach Überreichen des Inventars durch den Gerichtskommissär werde das Erstgericht dieses gemäß § 109 AußStrG zu prüfen und dann - unter Berücksichtigung allfälliger Einwände der Beteiligten - über seine Genehmigung im Sinne des § 113 Abs 1 AußStrG zu entscheiden haben. Sollte sich die Überschuldung des Nachlasses herausstellen, wären die Kosten der Inventur dem Antagsteller zur Last zu legen. Nicht zuletzt werde der Rekurswerber aber im Sinne des § 120 Abs 1 AußStrG zur Abgabe der Erbserklärung aufzufordern sein.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der auf die Anfechtungsgründe der Nichtigkeit und offenbaren Gesetzwidrigkeit gestützte Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes Helmut B*** mit dem Antrag, "den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Antrag des Antragsgegners abzuweisen bzw. seine Ansprüche auf den Rechtsweg zu verweisen"; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Eine Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO erblickt der Revisionsrekurswerber darin, daß das Rekursgericht die erstgerichtliche Entscheidung bestätigt habe, obwohl es in der Begründung ausgeführt habe, daß eine Sache, solange deren Zugehörigkeit zum Nachlaß strittig sei, nicht in das Inventar aufzunehmen und eine Sache nicht zu bewerten sei, wenn das Eigentumsrecht eines Dritten, der auch Erbe sein könne, klar erscheine, also durch Urkunden bewiesen werde. Da er bei seiner Einvernahme zwei Bestätigungen seiner Mutter vom und vorgelegt habe, sei es unerklärlich, wie das Rekursgericht dem Rekurs nicht habe Folge geben können. Es ließe sich daher kein gedanklicher Konnex zwischen der Begründung und dem Spruch herstellen, sodaß die Fassung des Rekurses (gemeint wohl der Rekursentscheidung) so mangelhaft sei, daß dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne. Dem kann nicht gefolgt werden.
Der auch für das außerstreitige Verfahren geltende Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist nur dann gegeben, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet wäre, daß sie sich nicht überprüfen läßt (EFSlg 47.258 ua). Maßgeblich ist die Entscheidung als logische Gesamtheit. Das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, daß das Erstgericht nur das "Vorhandensein" der im angefochtenen Beschluß angeführten Gegenstände als bescheinigt angesehen, nicht jedoch festgestellt hat, daß diese Gegenstände sich im Besitz der Erblasserin befunden haben oder daß sie in das Inventar aufzunehmen seien. Dementsprechend hat das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß auch nur als Anordnung der Vornahme der Inventur, verbunden mit dem Auftrag an den Revisionsrekurswerber als Mieter der Wohnung, in der die Erblasserin zuletzt gewohnt hat, deren Durchführung zu dulden. Aus den übrigen Ausführungen des Rekursgerichtes ergibt sich weiters, daß es die erstgerichtliche Entscheidung nicht als Vorwegnahme der erst aufgrund der vom Gerichtskommissär durchzuführenden Inventur gemäß § 109 AußStrG vorzunehmenden Prüfung und der gemäß § 113 Abs 1 AußStrG darüber zu treffenden Entscheidung verstanden hat. Dem entsprechen auch die in die Rekursentscheidung aufgenommenen Anregungen an das Erstgericht über den weiteren Gang des Verlassenschaftsverfahrens, aus welchen sich ergibt, daß dem Erstgericht noch die Entscheidung darüber obliegen wird, welche Gegenstände in das Inventar tatsächlich aufgenommen werden. Ausgehend von der in diesem Sinn vorgenommenen Auslegung des erstgerichtlichen Beschlusses und damit auch des diesen bestätigenden Spruches der rekursgerichtlichen Entscheidung kann somit keine Rede davon sein, die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz wäre derart mangelhaft, daß deren Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne. Im übrigen ist noch darauf hinzuweisen, daß auch im Außerstreitverfahren ein bloßer Widerspruch zwischen Spruch und Gründen der Entscheidung nicht deren Nullität bewirken könnte (7 Ob 212/73).
Als Verfahrensverstoß des Rekursgerichtes, dem das Gewicht einer Nichtigkeit beizumessen sei, macht der Revisionsrekurswerber geltend, daß das Rekursgericht auf die von ihm im Rekurs erhobene Verfahrensrüge nicht eingegangen sei. Daß das Rekursgericht die Mängelrüge überhaupt übergangen hätte, behauptet der Revisonsrekurswerber nicht; der Rechtsmittelwerber räumt vielmehr selbst ein, daß das Rekursgericht die Mängelrüge aus rechtlichen Gründen nicht als relevant erachtet hat. Ausgehend von der vom Rekursgericht vorgenommenen und bereits dargestellten Auslegung des Inhaltes des Spruches des Erstgerichtes kann nicht gesagt werden, daß im vorliegenden Fall die dem Gericht im Sinne des § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG obliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben wäre, daß dadurch Grundprinzipien des Verfahrens außer acht gelassen worden wären (vgl. EFSlg 47.255 ua), was aber notwendig wäre, um von einem Verfahrensverstoß im Gewichte einer Nichtigkeit nach § 16 Abs 1 AußStrG sprechen zu können. Im übrigen begründen Verfahrensverstöße Nichtigkeit im Sinne der genannten Gesetzesstelle nur dann, wenn sie für die Sachentscheidung von ganz entscheidender Bedeutung sind (EFSlg 47.241 ua), was hier aber nicht der Fall ist. Schließlich macht der Revisionsrekurswerber noch geltend, aufgrund der Ausführungen des Rekursgerichtes könnten Gegenstände, die sich in seiner Wohnung befinden, gar nicht ins Inventar aufgenommen werden, weil sie in seinem Eigentum stünden, sodaß die Vornahme der Inventur als nutzlos zu bezeichnen sei; dann liege aber eine offenbare Gesetzwidrigkeit vor, weil die Anordnung der Vornahme der Inventur gegen die Grundprinzipien des Rechtes, nämlich gegen das in der Bundesverfassung als Grundrecht verankerte Gesetz zum Schutz des Hausrechtes verstoßen würde. Auch hier kann dem Revisionsrekurswerber nicht gefolgt werden. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur bei Verletzung materiellrechtlicher Vorschriften, nicht aber solcher verfahrensrechtlicher Natur vor (EFSlg 44.643, 47.212 uva). Eine unrichtige Anordnung im Zusammenhang mit der Inventarisierung - wie sie vom Revisionsrekurswerber geltend gemacht wird - könnte als verfahrensrechtliche Maßnahme somit keine offenbare Gesetzwidrigkeit begründen. Fraglich könnte bloß sein, ob der dem Revisionsrekurswerber hier vom Erstgericht erteilte Auftrag einen Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nullität darstellt. Dies ist aber nicht der Fall. Nach § 98 AußStrG haben sich die Gerichtsabgeordneten über den Zustand des Vermögens des Erblassers ua durch Untersuchung von Urkunden, durch eigene Besichtigung der Güter und Fahrnisse vollständige Aufklärung zu verschaffen; dazu können sie sich aber - abgesehen von den im Gesetz selbst aufgezählten Möglichkeiten - auch anderer "schicklicher" Mittel bedienen; nötigenfalls dürfen sie - zufolge der hier sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 40 AußStrG - sogar Schränke und Behältnisse des Erblassers eröffnen und besichtigen. In diesen Bestimmungen findet der angefochtene Beschluß des Erstgerichtes durchaus Deckung. Zufolge Art 9 Abs 1 Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl.1867/142, ist das Hausrecht wohl unverletzlich. Abs 2 der genannten Bestimmung erklärt jedoch das Gesetz vom 27.Oktober 1862, RGBl.1862/88, zum Schutz des Hausrechtes als Bestandteil des Staatsgrundgesetzes. Nach diesem Gesetz ist aber sogar die Durchsuchung einer Wohnung nicht völlig ausgeschlossen; sie ist nämlich in der Regel kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehls zulässig. Es kann daher keine Rede davon sein, daß dem Erstgericht bei Fassung des bekämpften Beschlusses ein Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nichtigkeit im Sinne eines Verstoßes gegen ein Grundprinzip des österreichischen Rechtes unterlaufen wäre. Schließlich übersieht der Revisionsrekurswerber auch in diesem Zusammenhang, daß die Vorinstanzen über die Frage, ob und welche Gegenstände letztlich in das Inventar aufzunehmen sind, noch nicht abgesprochen haben.
Mangels Vorliegens einer der im § 16 AußStrG aufgezählten Anfechtungsgründe erweist sich der Revisionsrekurs als unzulässig, weshalb er zurückgewiesen werden mußte.