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VfGH vom 12.10.1994, B1659/94

VfGH vom 12.10.1994, B1659/94

Sammlungsnummer

13925

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Feststellung des Nichteintretens der Zivildienstpflicht infolge Versäumung der einmonatigen Frist zur Abgabe der Zivildiensterklärung; keine Einbeziehung der Tage des Postenlaufes in diese an den Abschluß des Stellungsverfahrens anknüpfende verfahrensrechtliche Frist

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer, zu Handen seiner Rechtsvertreter, die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der - 1989 zum Wehrdienst als tauglich befundene - Beschwerdeführer gab am eine an das Militärkommando Niederösterreich gerichtete Zivildiensterklärung zur Post; sie langte am beim Militärkommando ein.

Daraufhin erließ der Bundesminister für Inneres (BMI) den folgenden, mit datierten Bescheid:

"Gem. § 5a Abs 4 in Verbindung mit § 5a Abs 3 Z 2 ZDG idF BGBl. Nr. 187/94, wird festgestellt:

Ihre Zivildiensterklärung vom kann wegen Fristversäumnis gem. § 76a Abs 2 Z 1 ZDG, BGBl. Nr. 187/1994, Zivildienstpflicht nicht eintreten lassen.

B e g r ü n d u n g :

Gem. § 76a Abs 2 Z 1 ZDG können Wehrpflichtige, die weder Angehörige des Präsenzstandes nach § 1 Abs 3 WG noch seit mehr als zwei Wochen zu einem Präsenzdienst einberufen sind, eine Zivildiensterklärung gem. §§2 und 5 Abs 2 ZDG nur innerhalb eines Monates ab dem der Kundmachung des ZDG idF

BGBl. Nr. 187/1994 folgenden Tag, dies war der , einbringen; die Monatsfrist hat mit zu laufen begonnen. Ihre im Spruch genannte Erklärung wurde erst nach Fristablauf eingebracht.

Da gem. § 5a Abs 3 Z 2 ZDG Zivildiensterklärungen mangelhaft sind, wenn die Frist für die Abgabe der Zivildiensterklärung abgelaufen ist, dies hier der Fall war und gem. § 5a Abs 4 ZDG der Nichteintritt der Zivildienstpflicht bei mangelhaften Zivildiensterklärungen festzustellen ist, war spruchgemäß zu entscheiden."

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

3. Der BMI als jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde begehrt. Er begründet dies damit, daß der Beschwerdeführer (der vom bis Grundwehrdienst sowie in den Jahren 1992 und 1993 Kaderübungen geleistet habe) am zu einer weiteren Kaderübung (vom 23. Juni bis ) einberufen worden sei. Er sei "bereits an dem der Zustellung seines Einberufungsbefehles nächstfolgenden Tag nach der Verfassungsbestimmung des § 76a Abs 2 Z 1 ZDG nicht mehr antragsberechtigt" gewesen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird u.a. dann verletzt, wenn eine Verwaltungsbehörde zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (s. zB. VfSlg. 13210/1992, 13280/1992).

2. Ein solcher Fehler ist dem BMI hier vorzuwerfen:

a) Die im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehende (in Verfassungsrang stehende) Übergangsbestimmung des § 76a Abs 2 Z 1 des Zivildienstgesetzes 1986 - ZDG, BGBl. 679, idF der Novelle BGBl. 187/1994, (im folgenden: ZDG nF), lautet:

"§76 a. (Verfassungsbestimmung) (1)...

(2) Innerhalb eines Monats ab dem der Kundmachung dieses Bundesgesetzes (sc. der ZDG-Novelle 1994) folgenden Tag (also innerhalb eines Monats ab ) können


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1.
taugliche Wehrpflichtige, die weder Angehörige des Präsenzstandes nach § 1 Abs 3 WG noch seit mehr als zwei Wochen zu einem Präsenzdienst einberufen sind, eine Zivildiensterklärung gemäß §§2 und 5 Abs 2 einbringen;
2.
...

(3) ..."

Die Einbringung hat bei dem nach dem Wohnsitz des Wehrpflichtigen zuständigen Militärkommando (bzw. im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission) zu erfolgen (§5 Abs 2 ZDG nF). Die in der zuvor zitierten Übergangsbestimmung normierte einmonatige Frist ist am Montag, dem abgelaufen.

b) Der BMI geht im angefochtenen Bescheid offenbar davon aus, die Frist zur Abgabe der Zivildiensterklärung sei eine materiell-rechtliche und keine verfahrensrechtliche, weshalb es nicht darauf ankomme, ob die Erklärung innerhalb der Frist zur Post gegeben wurde (s. § 33 Abs 3 AVG, wonach die Tage des Postenlaufes nicht in die Frist eingerechnet werden), sondern ob sie am letzten Tag der Frist () bereits dem Militärkommando zugekommen sei.

c) Diese Annahme ist verfehlt:

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 10434/1985 ausgesprochen, daß die nach dem ZDG (in der damals geltenden Fassung) zur Verfügung stehende Frist zur Abgabe des Antrages auf Befreiung von der Wehrpflicht ("... nach Ablauf von zehn Tagen nach Zustellung des Einberufungsbefehls ...") keine materiell-rechtliche sei. Er begründete dies damit, daß diese Frist durch ein Verwaltungsverfahren ausgelöst werde, nämlich das Verfahren vor dem Militärkommando (das durch die Erlassung des Einberufungsbefehls - also eines Bescheides - abgeschlossen werde). Da verfahrensrechtliche Fristen solche seien, die entweder durch ein Verfahren ausgelöst werden oder in einem Verfahren laufen, liege somit eine verfahrensrechtliche Frist vor, weshalb die Tage des Postenlaufes nicht in die Frist einzurechnen seien.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, der Gesetzgeber der ZDG-Novelle 1994 habe in dieser Hinsicht eine Änderung der Rechtslage dahin bewirken wollen, daß nunmehr die Tage des Postenlaufes in die Frist einzurechnen sein sollten. Vielmehr knüpft auch der Einleitungssatz des § 2 Abs 1 ZDG nF (wonach der Wehrpflichtige die Zivildiensterklärung nur "innerhalb eines Monates nach Abschluß des Stellungsverfahrens" abgeben kann) den Beginn des Laufes der Frist für die Abgabe der Zivildiensterklärung an den Abschluß eines (anderen) Verfahrens. Der - im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendende - § 76a Abs 2 Z 1 ZDG nF ist eine Übergangsvorschrift, die für jene Zivildienstwerber gilt, welche vor dem Inkrafttreten der (hier maßgeblichen Teile der) ZDG-Novelle 1994 (also vor dem ) dem Stellungsverfahren unterzogen wurden. Diese Bestimmung sieht gleichfalls eine einmonatige Frist vor. Im Hinblick auf die Gleichartigkeit der beiden zuletzt genannten Bestimmungen ist - mangels ausdrücklicher Regelung im Gesetz - anzunehmen, daß die Frage, ob die Tage des Postenlaufes in die Frist einzurechnen sind oder nicht, in den von der Übergangsregelung des § 76a Abs 2 Z 1 ZDG nF erfaßten Fällen analog zu jener Regelung zu lösen ist, die für die Fälle nach § 2 Abs 1 Einleitungssatz ZDG nF gilt.

Daraus folgt, daß die Tage des Postenlaufes nicht in die einmonatige Frist iS des § 76a Abs 2 Z 1 ZDG nF einzubeziehen sind (§33 Abs 3 AVG).

Der Beschwerdeführer hat die Zivildiensterklärung am - sohin noch innerhalb der einmonatigen Frist, die am zu laufen begann - zur Post gegeben, also fristgerecht eingebracht.

Ausgehend von einer anderen - verfehlten - Rechtsmeinung kam der BMI der Sache nach zum Ergebnis, daß er über die Zivildiensterklärung nicht (positiv) abzusprechen habe.

Die in der Gegenschrift gegenüber der Begründung des bekämpften Bescheides ausgewechselte Begründung (nunmehr bezieht sich der BMI auf die am erfolgte Einberufung des Beschwerdeführers zu einer Kaderübung) ist unbeachtlich (vgl. zB. VfSlg. 12476/1990, S 195).

d) Der Beschwerdeführer wurde also durch den bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der Bescheid war infolgedessen aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG.

In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000 S enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.