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OGH vom 08.09.2009, 10ObS142/09v

OGH vom 08.09.2009, 10ObS142/09v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Christa Brezna (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerda Hörhan-Weiguni (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Bernhard L*****, vertreten durch Mag. Christian Pilz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, vertreten durch Das Haus des Rechts Destaller-Mader, Rechtsanwälte in Graz, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (Streitwert 2.673,52 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 31/09d-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 28 Cgs 53/09t-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Antrag des Klägers, beim Verfassungsgerichtshof die Überprüfung der §§ 2 und 5 KBGG wegen Verfassungswidrigkeit zu beantragen, wird zurückgewiesen.

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Vater des am geborenen Simon S*****, der am geborenen Elena Lola R*****, des am geborenen Laurenz H***** und der am geborenen Klara Marianne S*****. Für den unehelich geborenen Simon S***** bezog zunächst die Kindesmutter MMag. Barbara S***** in der Zeit vom bis Kinderbetreuungsgeld. Nachdem sie sich mit dem Bezugswechsel zugunsten des Klägers einverstanden erklärt hatte, beantragte der Kläger am die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für seinen Sohn Simon S***** für die Zeit vom bis . Bei dieser Antragstellung gab der Kläger die Geburt seiner unehelichen Tochter Elena R***** am nicht bekannt. Dem Kläger wurde daraufhin von der beklagten Partei Kinderbetreuungsgeld für den mj Simon S***** für die Zeit vom bis zuerkannt. Nachdem sich auch die Mutter der mj Elena R*****, Dr. Julia R*****, mit einem Bezugswechsel zugunsten des Klägers ab einverstanden erklärt hatte, beantragte der Kläger am bei der beklagten Partei die Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes für seine mj Tochter Elena R*****. Nachdem der beklagten Partei die Tatsache der Geburt der Tochter des Klägers, Elena R*****, am bekannt geworden war, widerrief sie mit Bescheid vom die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes an den Kläger für dessen Sohn Simon S***** für die Zeit vom bis und verpflichtete gleichzeitig den Kläger zur Rückzahlung der für den genannten Zeitraum empfangenen Leistung in Höhe von 2.673,52 EUR. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger rechtzeitig Klage mit dem sinngemäßen Begehren auf Abstandnahme von der Rückforderung, weil er alle gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes erfülle, da er im selben Ausmaß wie die Mutter für seinen im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohn Simon S***** sorge. Auch die Bestimmung des § 5 Abs 5 KBGG stehe seinem Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nicht entgegen, weil es sich bei seiner Tochter Elena R***** nicht um ein weiteres Kind von MMag. Barbara S***** handle.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung der zu Unrecht empfangenen Leistung. Die Bestimmung des § 5 Abs 5 KBGG beziehe sich auf die jeweils Anspruchsberechtigten und lasse den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für Mütter enden, wenn sie ein weiteres Kind zur Welt brächten, und für Väter, wenn ihnen ein weiteres Kind geboren werde. Daher habe der Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld für seinen Sohn Simon S***** durch die Geburt seiner leiblichen Tochter Elena R***** am geendet. Der Kläger sei somit zur Rückzahlung des für seinen Sohn Simon S***** für den Zeitraum vom bis zu Unrecht empfangenen Kinderbetreuungsgeldes verpflichtet.

Das Erstgericht wies ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt das Klagebegehren ab und verpflichtete den Kläger zur Rückzahlung des für den Zeitraum vom bis zu Unrecht bezogenen Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von 2.673,52 EUR binnen 14 Tagen. In rechtlicher Hinsicht verwies es auf § 5 Abs 5 KBGG, wonach der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit einem neuen Anspruch für ein weiteres Kind ende. Bei nachfolgenden Geburten während des Kindesbetreuungsgeld-Bezugszeitraums ende der Anspruch für das zuerst geborene Kind demnach mit dem Tag, der der Geburt des nachfolgenden Kindes vorangehe. Ab dem Tag der Geburt des nachfolgenden Kindes beginne ein neuer Anspruch für dieses weitere Kind; es müsse ein neuer Antrag für dieses Kind gestellt werden. Daraus ergebe sich, dass - abgesehen von den in § 2 KBGG geregelten Voraussetzungen - Kinderbetreuungsgeld immer nur für das jüngste Kind gebühre. Werde in der Zeit des Bezugs ein weiteres Kind geboren, so ende der Anspruch für das ältere Kind. Hingegen bleibe der Anspruch der Mutter von Simon S***** auf Kinderbetreuungsgeld durch die Geburt der leiblichen Tochter des Klägers, Elena R*****, unberührt. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es teilte im Wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichts und verwies darüber hinaus darauf, dass der Leistungsbezieher gemäß § 31 Abs 1 KBGG zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen insbesondere dann zu verpflichten sei, wenn er im Falle der Einstellung, Herabsetzung, des Widerrufs oder der Berichtigung einer Leistung den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein Anspruch eines Vaters auf Kinderbetreuungsgeld auch dann wegfalle, wenn das „weitere Kind" von einer anderen Frau geboren werde, nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt weiterhin den Standpunkt, § 5 Abs 5 KBGG gehe von der Situation aus, dass bei Kindern einer Mutter Kinderbetreuungsgeld immer nur für das jüngste Kind gebühre. Er lebe jedoch in aufrechter Mehrfachbeziehung mit sechs Kindern von sechs Frauen, weshalb hier § 5 KBGG keine Anwendung finde. Das KBGG bezwecke das Wohl des Kindes und die Entlastung der Mutter, weshalb er Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für seinen Sohn Simon S***** für den strittigen Zeitraum vom bis habe.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Nach den Gesetzesmaterialien (RV 620 BlgNR XXI. GP 54 f) soll durch das Kinderbetreuungsgeld die Betreuungsleistung der Eltern anerkannt und teilweise abgegolten und gleichzeitig - im Sinne einer größeren Wahlfreiheit bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Art der Kinderbetreuung - die mit einer außerhäuslichen Betreuung eines Kindes verbundene finanzielle Belastung teilweise abgegolten werden. Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich Eltern bzw ein Elternteil, der die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 1 bis 5 KBGG kumulativ erfüllt. Gemäß § 2 Abs 2 KBGG ist ein gleichzeitiger Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch beide Elternteile ausgeschlossen. Nach § 5 Abs 5 erster Satz KBGG idF BGBl I 2001/103 (Stammfassung) endet der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit einem neuen Anspruch für ein weiteres Kind. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 620 BlgNR XXI. GP 60) endet bei nachfolgenden Geburten während des Kinderbetreuungsgeld-Bezugszeitraums der Anspruch für das zuerst geborene Kind mit dem Tag, der der Geburt des nachfolgenden Kindes vorangeht. Ab dem Tag der Geburt des nachfolgendes Kindes beginnt ein neuer Anspruch für dieses weitere Kind. Der Gesetzgeber ging somit bei der Regelung des § 5 Abs 5 KBGG ganz offensichtlich davon aus, dass das Kinderbetreuungsgeld für das jeweils jüngste Kind, also für das Kind, das den höchsten Betreuungsaufwand verursacht, gebühren soll, während er für ältere Kinder keine Veranlassung sah, zusätzlich zu anderen Familienleistungen und Beihilfen auch noch Leistungen nach dem KBGG vorzusehen. Es ist daher nochmals festzuhalten, dass das Kinderbetreuungsgeld nur für das jeweils jüngste Kind eines Anspruchsberechtigten gebührt.

Durch die Novelle zum Kinderbetreuungsgeldgesetz, BGBl I 2007/76, wurde die Bestimmung des § 5 Abs 5 erster Satz KBGG dahin neu formuliert, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit Ablauf jenes Tages endet, welcher der Geburt eines weiteres Kindes bzw der Adoption (In-Pflege-Nahme) eines jüngeren Kindes vorangeht. Diese mit in Kraft getretene Neufassung diente lediglich der Klarstellung, dass das Kinderbetreuungsgeld jedenfalls endet, wenn ein weiteres Kind geboren bzw ein jüngeres Kind adoptiert oder in Pflege genommen wird. Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das ältere Kind endet unabhängig davon, ob die Eltern für das nun jüngste Kind tatsächlich Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nehmen oder nicht (vgl RV 229 BlgNR XXIII. GP 5). Wie bereits dargelegt wurde, war aber auch die hier maßgebende Bestimmung des § 5 Abs 5 erster Satz KBGG in der Stammfassung bereits dahin zu verstehen, dass bei nachfolgenden Geburten während des Kinderbetreuungsgeld-Bezugszeitraums der Anspruch für das zuerst geborene Kind spätestens mit dem Tag, welcher der Geburt des nachfolgendes Kindes vorangeht, endet (10 ObS 118/07m). Der Verfassungsgerichtshof hat in der Regelung über den Anspruchsverlust nach § 5 Abs 5 KBGG keine Verfassungswidrigkeit erblickt. Auch wenn die Betreuungsleistung und der finanzielle Aufwand für mehrere Kinder höher sei, müsse der Gesetzgeber nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs die Höhe der Leistungen im Einzelfall oder für bestimmte Fallgruppen nach Maßgabe der Verhältnisse nicht unterschiedlich bemessen. Die Bevorzugung der Mehrlingsgeburten durch den Mehrlingszuschlag sei durch die besondere Lage solcher Eltern sachlich gerechtfertigt (vgl VfSlg 17.954 = DRdA 2007/47, 468 [Pfeil]). Im Anschluss an dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs hat auch der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen (vgl 10 ObS 9/07g = SSV-NF 21/4; 10 ObS 8/07k und 10 ObS 118/07m) den Anspruchsverlust für das ältere Kind grundsätzlich bejaht und auch einen gleichzeitigen Bezug des Kinderbetreuungsgeldes durch die leiblichen Eltern für zwei verschiedene Kinder abgelehnt. Diese dargelegten Erwägungen kommen nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen auch im vorliegenden Fall zum Tragen. Ein Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld für seinen älteren leiblichen Sohn Simon endete daher mit dem der Geburt seiner jüngeren leiblichen Tochter Elena vorangehenden Tag (). Daraus ergibt sich aber, dass der Kläger das ihm von der beklagten Partei in Unkenntnis der Geburt seiner jüngeren Tochter Elena für seinen älteren Sohn im Zeitraum vom bis gewährte Kinderbetreuungsgeld zu Unrecht bezogen hat, weshalb er gemäß § 31 Abs 1 KBGG zur Rückzahlung dieser Leistung verpflichtet ist. Ein Anspruch der leiblichen Mutter des mj Simon S***** auf Kinderbetreuungsgeld blieb hingegen, wie auch die beklagte Partei im Verfahren ausdrücklich eingeräumt hat, durch die Geburt der leiblichen Tochter des Klägers, Elena R*****, unberührt (vgl auch Ehmer ua, KBGG2 70). Gegen dieses Ergebnis bestehen, wie der erkennende Senat ebenfalls bereits ausgeführt hat (vgl 10 ObS 9/07g = SSV-NF 21/04; 10 ObS 8/07k und 10 ObS 118/07m), unter Berücksichtigung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs und des grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Gewährung von Familienleistungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. An dieser Beurteilung vermag auch das zuletzt ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , G 81/06 ua (= VfSlg 18.109), nichts zu ändern, weil darin vom Verfassungsgerichtshof eine Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs 5 KBGG nur im Hinblick auf die Regelung für Mehrlingskinder (§ 3a KBGG) festgestellt wurde (vgl 10 ObS 118/07m). Der Oberste Gerichtshof sieht sich somit zu der vom Kläger beantragten Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst. Da der Kläger die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nur anregen kann, war sein diesbezüglicher Antrag zurückzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0054189 ua). Die Revision musste somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Umstände, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.