zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 28.02.2011, B1645/10

VfGH vom 28.02.2011, B1645/10

19320

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung der Berufung einer Gemeindegutsagrargemeinschaft gegen die Aufhebung verschiedener Beschlüsse durch die Agrarbehörde erster Instanz mangels Beiziehung eines Gemeindevertreters; keine verfassungswidrige Bevorzugung der Gemeinde als Mitglied der Agrargemeinschaft durch Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes betreffend die Organe der Agrargemeinschaften und die Einräumung bestimmter Rechte der Gemeinde bei Entscheidungen über den Substanzwert

Spruch

I. Die Beschwerde wird, soweit sie gegen den ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides gerichtet ist, zurückgewiesen.

II. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft ist durch den zweiten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird in diesem Umfang abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Agrargemeinschaft durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

III. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft ist schuldig, der mitbeteiligten Gemeinde zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 2.400,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.

Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft fasste in den Ausschusssitzungen am und verschiedene Beschlüsse, ohne dem Ausschuss gemäß § 35 Abs 7 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 einen Vertreter der mitbeteiligten Gemeinde beizuziehen.

Mit Bescheid vom , AgrB-R741/462-2010, behob das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz über Antrag der mitbeteiligten Gemeinde die am zu den TOP 1

(Beschlussfassung über die Jahresrechnung 2009), TOP 2

(Beschlussfassung über den Jahresvoranschlag 2010), TOP 3 (Beschlussfassung über die Bestellung von Literatur) und TOP 5 (Beschlussfassung über eine Verpachtung) gefassten Beschlüsse sowie die am zu den TOP 1 (Beschlussfassung über einen Grundverkauf), TOP 3 (Beschlussfassung über einen Wegbau) und TOP 4 (Beschlussfassung über einen Wegbau) gefassten Beschlüsse.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Agrargemeinschaft Berufung an die belangte Behörde, die darüber mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wie folgt entschieden hat:

"Der Berufung wird teilweise Folge gegeben, der angefochtene Bescheid vom im Umfang der Aufhebung der beiden Beschlussfassungen des Ausschusses der Agrargemeinschaft […] vom zu den Tagesordnungspunkten


Tabelle in neuem Fenster öffnen
3)
(Wegbau 'Hocheben') und
4)
(Wegbau 'Krinne bis Koppeneck')

behoben und das Antragsbegehren der Gemeinde […] in diesem Umfang als unbegründet abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde der Agrargemeinschaft, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums, ferner des Rechts auf ein faires Verfahren sowie des Rechts auf Selbstverwaltung, sowie schließlich die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet wird. Beantragt wird, den angefochtenen Bescheid "seinem gesamten Umfang nach" aufzuheben.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gemeinde erstatteten eine Gegenschrift bzw. eine Äußerung und beantragen die Zurückweisung bzw. Abweisung der Beschwerde.

II.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (TFLG 1996), LGBl. 74/1996 idF LGBl. 7/2010, lauten wie folgt:

"§33

Agrargemeinschaftliche Grundstücke

(1) Agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind Grundstücke, die von allen oder mehreren Mitgliedern einer Gemeinde oder von den Mitgliedern einer Nachbarschaft, einer Interessentschaft, einer Fraktion oder einer ähnlichen Mehrheit von Berechtigten kraft einer mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundenen oder einer persönlichen (walzenden) Mitgliedschaft gemeinschaftlich und unmittelbar für land- und forstwirtschaftliche Zwecke auf Grund alter Übung genutzt werden. Als gemeinschaftliche Nutzung gilt auch eine wechselweise sowie eine nach Raum, Zeit und Art verschiedene Nutzung.

(2) Agrargemeinschaftliche Grundstücke sind, unbeschadet der Rechte aus einer bereits vollendeten Ersitzung, insbesondere:

a) - b) […]

c) Grundstücke, die

1. im Eigentum einer Gemeinde stehen und zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes von Stammsitzliegenschaften dienen oder

2. vormals im Eigentum einer Gemeinde gestanden sind, durch Regulierungsplan ins Eigentum einer Agrargemeinschaft übertragen wurden, vor dieser Übertragung der Deckung des Haus- und Gutsbedarfes von Stammsitzliegenschaften gedient haben und nicht Gegenstand einer Hauptteilung waren (Gemeindegut);

d) […]

(3) - (4) […]

(5) Der Substanzwert eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes ist jener Wert, der nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibt. Der Substanzwert steht der Gemeinde zu. Die Substanz eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes wird insbesondere auch dann genutzt, wenn dieses veräußert, wenn dieses als Schottergrube, Steinbruch und dergleichen verwendet, wenn es verpachtet oder wenn darauf eine Dienstbarkeit oder ein Baurecht begründet wird. Die Agrarbehörde hat auf Antrag der betroffenen Gemeinde oder Agrargemeinschaft nach Abs 2 litc Z. 2 festzustellen, ob eine bestimmte Tätigkeit die Nutzung der Substanz oder die land- und forstwirtschaftliche Nutzung eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes betrifft oder in welchem Verhältnis die beiden Nutzungsarten von dieser Tätigkeit betroffen sind.

(6) Ob ein Grundstück ein agrargemeinschaftliches Grundstück ist, hat im Zweifel die Agrarbehörde zu entscheiden. Die gemeinderechtlichen Bestimmungen bleiben unberührt.

(7) […]

§34

Agrargemeinschaften

(1) Die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist (Stammsitzliegenschaften), bildet einschließlich jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteilsrechte zustehen, sowie bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs 2 litc einschließlich der substanzberechtigten Gemeinde, eine Agrargemeinschaft.

(2) […]

(3) Agrargemeinschaften sind Körperschaften des öffentlichen Rechtes.

(4) […]

§35

Organe der Agrargemeinschaften

(1) - (6) […]

(7) Bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs 2 litc ist dem Ausschuss und der Vollversammlung jedenfalls ein von der Gemeinde entsandter Vertreter beizuziehen. In Angelegenheiten, die den Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke (§33 Abs 5) betreffen, kann ein Organbeschluss nur mit Zustimmung der Gemeinde rechtswirksam gefasst werden. Die Gemeinde kann in derartigen Angelegenheiten den Organen der Agrargemeinschaft Aufträge erteilen und, falls diese nicht befolgt werden, die Agrarbehörde anrufen; diesfalls ist § 37 Abs 1 litb mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Agrarbehörde die Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke des Gemeindegutes im Interesse der Gemeinde zu beurteilen hat.

(8) Dem Obmann obliegt die Einberufung der Vollversammlung und des Ausschusses. Jedenfalls hat der Obmann bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs 2 litc diese Organe auf Verlangen der substanzberechtigten Gemeinde binnen einem Monat einzuberufen. […]

(9) - (10) […]

§36

Satzungen

(1) Die Satzungen der Agrargemeinschaften (§34 Abs 2) haben insbesondere Bestimmungen zu enthalten über:

a) Name, Sitz und Zweck der Agrargemeinschaft, bei Agrargemeinschaften, die im Sinn des § 33 Abs 2 litc Z. 2 auf Gemeindegut bestehen, einschließlich der Bezeichnung 'Gemeindegutsagrargemeinschaft';

b) - g) […]

(2) Agrargemeinschaften, die im Sinn des § 33 Abs 2 litc Z. 2 auf Gemeindegut bestehen, haben zwei voneinander getrennte Rechnungskreise für die Einnahmen und Ausgaben aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit der Agrargemeinschaft (Rechnungskreis I) und die Einnahmen und Ausgaben aus dem Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke (Rechnungskreis II) zu führen. In die die Rechnungskreise I und II betreffenden Aufzeichnungen und Belege ist den Organen der Gemeinde auf Verlangen jederzeit Einsicht zu gewähren. Die aus dem Rechnungskreis II erfließenden Erträge stehen der substanzberechtigten Gemeinde zu und können von dieser jederzeit entnommen werden.

(3) […]

§37

Aufsicht über die Agrargemeinschaften; Streitigkeiten

(1) Die Agrargemeinschaften unterliegen der Aufsicht durch die Agrarbehörde. Die Aufsicht erstreckt sich auf

a) die Einhaltung dieses Gesetzes und der Regulierungspläne einschließlich der Wirtschaftspläne und Satzungen sowie

b) die Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke und des sonstigen Vermögens der Agrargemeinschaften.

(2) - (5) […]

(6) Beschlüsse, die gegen dieses Gesetz oder gegen den Regulierungsplan einschließlich eines Wirtschaftsplanes oder einer Satzung verstoßen und dabei wesentliche Interessen der Agrargemeinschaft, ihrer Mitglieder oder bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs 2 litc der Gemeinde verletzen, sind von der Agrarbehörde aufzuheben. Drei Jahre nach der Beschlussfassung ist eine Aufhebung nicht mehr zulässig.

(7) Über Streitigkeiten zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis sowie über Streitigkeiten zwischen einer Gemeinde und einer Agrargemeinschaft nach § 33 Abs 2 litc in Angelegenheiten, die den Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke betreffen, hat auf Antrag die Agrarbehörde unter Ausschluss des Rechtsweges zu entscheiden. Solche Anträge sind schriftlich bei der Agrarbehörde einzubringen und zu begründen. Richten sich solche Anträge gegen Beschlüsse der Vollversammlung, so sind sie innerhalb von zwei Wochen nach der Beschlußfassung, richten sie sich gegen Beschlüsse oder Verfügungen anderer Organe der Agrargemeinschaft, so sind sie innerhalb von zwei Wochen nach der satzungsgemäßen Bekanntmachung einzubringen. Anträge von Mitgliedern, die einem Beschluß zugestimmt haben oder die trotz ordnungsgemäßer Einladung an der Beschlußfassung nicht teilgenommen haben, sind nicht zulässig. Die Agrarbehörde hat Beschlüsse (Verfügungen) von Organen der Agrargemeinschaft aufzuheben, wenn sie gegen dieses Gesetz oder gegen den Regulierungsplan einschließlich eines Wirtschaftsplanes oder einer Satzung verstoßen, und dabei wesentliche Interessen des Antragstellers verletzen.

(8) In Verfahren nach den Abs 3 und 4 ist nur die Agrargemeinschaft Partei. In Verfahren nach den Abs 6 und 7 sind jedenfalls die Agrargemeinschaft und die den Antrag stellenden Mitglieder Parteien; bei Streitigkeiten zwischen einer Gemeinde und einer Agrargemeinschaft nach § 33 Abs 2 litc ist auch die Gemeinde Partei.

[…]

§ 40

Veräußerung und Belastung von Grundstücken, Ausübung und Erlöschen von Teilwaldrechten

(1) Die Veräußerung und die dauernde Belastung agrargemeinschaftlicher Grundstücke und anderer im Eigentum einer Agrargemeinschaft stehender Grundstücke sowie der Verzicht auf dingliche Rechte, die zugunsten von agrargemeinschaftlichen Grundstücken oder zugunsten einer Agrargemeinschaft bestehen, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Agrarbehörde. Einer solchen Genehmigung bedarf es nicht, wenn agrargemeinschaftliche oder andere im Eigentum einer Agrargemeinschaft stehende Grundstücke (Grundstücksteile) mit einer Fläche von höchstens 2.000 m² veräußert werden und es sich dabei nicht um Gemeindegut im Sinn des § 32 Abs 2 litc Z. 2 und nicht um Teilwälder handelt.

(2) Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn

a) ein Beschluss des zuständigen Organs der Agrargemeinschaft vorliegt,

b) eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der Agrargemeinschaft oder der Stammsitzliegenschaften nicht eintritt,

c) bei einer Veräußerung oder dauernden Belastung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinn des § 33 Abs 2 litc Z. 2 die substanzberechtigte Gemeinde zustimmt und

d) bei einer Veräußerung von Grundstücken im Sinn des § 33 Abs 2 litd der Teilwaldberechtigte zustimmt.

(3) Bei Agrargemeinschaften, die im Sinn des § 33 Abs 2 litc Z. 2 auf Gemeindegut bestehen, sind jene Grundstücke des Regulierungsgebietes, die für die Errichtung von infrastrukturellen Vorhaben oder Anlagen, an deren Errichtung ein öffentliches Interesse besteht, benötigt werden, der Gemeinde gegen Entschädigung der darauf lastenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen von der Agrargemeinschaft in das bücherliche Eigentum zu übertragen. Die Gemeinde hat der Agrargemeinschaft die geplante Inanspruchnahme nachweislich anzuzeigen. Das zuständige Organ der Agrargemeinschaft hat binnen einem Monat nach dieser Anzeige den für die Übertragung des bücherlichen Eigentums erforderlichen Beschluss zu fassen. Fasst das zuständige Organ der Agrargemeinschaft diesen Beschluss nicht fristgerecht, so hat die Agrarbehörde, wenn es sich um Vorhaben oder Anlagen im Sinn des ersten Satzes handelt, der Gemeinde auf Antrag die beanspruchten Grundstücke durch Bescheid gegen Entschädigung der darauf lastenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte in das bücherliche Eigentum zu übertragen.

(4) - (7) […]"

III.

1. Prozessvoraussetzungen

Mit dem ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides (Aufhebung von Beschlüssen des Ausschusses der Agrargemeinschaft) wurde der Berufung der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft teilweise (in diesem Umfang aber dem Berufungsantrag entsprechend) Folge gegeben. Da die Rechtsposition der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft in diesem Punkt nicht zu deren Nachteil verändert wurde, mangelt es ihr insoweit an der formellen Beschwer (vgl. etwa VfSlg. 13.433/1993 mwN). Die Beschwerde ist daher, soweit sie sich gegen den ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides richtet, als unzulässig zurückzuweisen.

Soweit die Beschwerde gegen den zweiten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides gerichtet ist, ist sie zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft behauptet zunächst, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz deswegen verletzt zu sein, weil die belangte Behörde die Bestimmung des § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 lediglich unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 und "ohne jegliches bzw. jedenfalls ohne ausreichendes Ermittlungsverfahren" auf sie angewendet und dadurch Willkür geübt habe. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft sei keine Agrargemeinschaft im Sinne des § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010, weil die mitbeteiligte Gemeinde aufgrund einer der Regulierung vorangehenden (im Jahr 1962 getroffenen) privatrechtlichen Vereinbarung über Gemeindegut verfügt und der Regulierungsplan diese Vereinbarung lediglich nachvollzogen habe, sodass mangels Verfassungswidrigkeit der Eigentumsübertragung kein atypisches Gemeindegut vorliege. Das Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 habe diese privatrechtliche Vereinbarung offensichtlich nicht berücksichtigt und beruhe daher auf einem unrichtig festgestellten Sachverhalt, sodass auch eine Bindung an die Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes nicht bestehe. Weil daher nicht rechtskräftig feststehe, dass es sich bei der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft um eine solche im Sinne des § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 handle, seien die Bestimmungen des TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 über die Gemeindegutsagrargemeinschaft auf die beschwerdeführende Agrargemeinschaft auch nicht anzuwenden.

2.1.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

2.1.2. Die Rechtsansicht der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft, die Anwendung der Bestimmungen des TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 über die "Gemeindegutsagrargemeinschaft" setze die bescheidförmige Feststellung des Vorliegens atypischen Gemeindegutes voraus, trifft nicht zu: Das Gesetz sieht eine bescheidförmige Feststellung, ob ein Grundstück ein agrargemeinschaftliches Grundstück - hier eines gemäß § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 - ist, nur für den Zweifelsfall vor (vgl. § 33 Abs 6 Satz 1 TFLG 1996). Die Anwendbarkeit der Regelungen über die "Gemeindegutsagrargemeinschaft" hängt aber allein vom Vorliegen der im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen ab. Ein Feststellungsbescheid nach § 33 Abs 6 Satz 1 TFLG 1996 hätte nicht konstitutive, sondern lediglich deklarative Wirkung.

2.1.3. Abgesehen davon hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 bereits ausgesprochen, dass die beschwerdeführende Agrargemeinschaft aus atypischem Gemeindegut hervorgegangen ist. Dieser Ausspruch war Gegenstand der rechtlichen Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes, mithin Ausdruck seiner Rechtsanschauung, an die die Verwaltungsbehörden gemäß § 87 Abs 2 VfGG gebunden sind.

2.1.4. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft bringt dazu vor, dass eine Bindung an das Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 deswegen nicht bestehe, weil sich seit der Erlassung dieses Erkenntnisses die Sach- und Rechtslage geändert hätte. Richtig ist daran die Prämisse, dass die in § 87 Abs 2 VfGG angeordnete Bindungswirkung bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage wegfallen kann (vgl. nur VfSlg. 15.124/1998 mwN), nicht aber die Schlussfolgerung:

2.1.5. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft übersieht, dass sich die Rechtslage durch die Novelle LGBl. 7/2010 der Sache nach nicht geändert hat: Der Landesgesetzgeber hat mit dieser Novelle die Vorschrift des § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes angepasst. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , B639/10, B640/10, bestätigt, dass der im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 definierte Begriff des Gemeindegutes mit jenem des § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 identisch ist. In Ermangelung einer Änderung der Rechtslage besteht daher die Bindungswirkung des Erkenntnisses VfSlg. 18.446/2008 fort.

2.1.6. Eine Änderung der Sachlage könnte die in § 87 Abs 2 VfGG angeordnete Bindungswirkung nur dann wegfallen lassen, wenn sie seit Erlassung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes eingetreten wäre. Dass dies für eine - nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft - im Jahr 1962 abgeschlossene privatrechtliche Vereinbarung nicht zutrifft, bedarf keiner näheren Erörterung.

2.1.7. Das Vorbringen der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft, es bestehe deswegen keine Bindung an die im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes, weil dieses Erkenntnis auf Grundlage eines mangelhaft festgestellten Sachverhalts gefällt wurde, trifft nicht zu:

Richtig ist, dass die unter Punkt 2.1.3. wiedergegebene Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes mit Blick auf den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt zum Ausdruck gebracht wurde. Diesbezüglich hat jedoch die beschwerdeführende Agrargemeinschaft im Verfahren zu VfSlg. 18.446/2008 Feststellungsmängel nicht geltend gemacht. Vielmehr war - wie der Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis auch ausdrücklich festgehalten hat - in keinem Verfahrensstadium davon die Rede, dass es sich etwa nicht um Gemeindegut gehandelt habe oder dass (rechtswidrigerweise) beabsichtigt gewesen sei, aus dem Gemeindegut eine "reine Agrargemeinschaft" zu machen.

Entgegen den Ausführungen der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft folgt aus der Behauptung von Feststellungsmängeln keineswegs, dass das Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 unbeachtlich wäre. Feststellungsmängel müssten unter dieser Prämisse erst gar nicht geltend gemacht werden. Folgte man der Rechtsansicht der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft, so würde dies dazu führen, dass die bloße Behauptung eines dem jeweils angefochtenen Bescheid anhaftenden Feststellungsmangels es erlauben würde, einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes jede Bindungswirkung abzusprechen. Dies aber wäre nicht nur mit § 87 Abs 2 VfGG unvereinbar, sondern darüber hinaus mit der Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit im System des rechtsstaatlichen Grundprinzips der österreichischen Bundesverfassung nicht in Einklang zu bringen (vgl. dazu auch VfSlg. 4126/1961).

2.1.8. Vor diesem Hintergrund ist die Vorgangsweise der belangten Behörde, die beschwerdeführende Agrargemeinschaft mit Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 als "Gemeindegutsagrargemeinschaft" zu behandeln, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Mit Blick auf § 87 Abs 2 VfGG ist sie vielmehr geboten.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat daher nicht stattgefunden.

2.2. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft erhebt des Weiteren Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit verschiedener Bestimmungen des TFLG 1996, die durch die Novelle LGBl. 7/2010 in das Gesetz eingefügt wurden und die rechtliche Stellung der "Gemeindegutsagrargemeinschaften" im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes neu gestalten.

2.2.1. Zunächst wird die Verfassungswidrigkeit des § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 und des § 33 Abs 5 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 behauptet.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom , B639/10, B640/10, ausgesprochen, dass diese Vorschriften mit der Bundesverfassung in Einklang stehen. Die Beschwerde zeigt keine verfassungsrechtlichen Aspekte auf, die den Verfassungsgerichtshof zu einem Abgehen von dieser Ansicht veranlassen würden.

2.2.2. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft behauptet weiters die Verfassungswidrigkeit des § 35 Abs 7 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010, weil durch diese Vorschrift die Gemeinde als Mitglied der Agrargemeinschaft in unsachlicher Weise bevorzugt werde.

2.2.2.1. Nach § 35 Abs 7 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 ist bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs 2 litc Z 2 leg.cit. dem Ausschuss und der Vollversammlung jedenfalls ein von der Gemeinde entsandter Vertreter beizuziehen (vgl. Satz 1 leg.cit.), kann in substanzwertrelevanten Angelegenheiten ein Organbeschluss nur mit Zustimmung der Gemeinde rechtswirksam gefasst werden (vgl. Satz 2 leg.cit.) und kann die Gemeinde in derartigen Angelegenheiten den Organen der Agrargemeinschaft Aufträge erteilen und im Fall der Nichtbefolgung dieser Aufträge die Agrarbehörde anrufen (vgl. Satz 3 leg.cit.).

2.2.2.2. Die zuletzt genannte Bestimmung in § 35 Abs 7 Satz 3 TFLG 1996 wurde weder von der belangten Behörde angewendet, noch ist sie vom Verfassungsgerichtshof anzuwenden; sie ist daher nicht präjudiziell (zur Präjudizialität von Rechtsvorschriften zB VfSlg. 11.401/1987, 11.979/1989, 14.708/1995, 15.634/1999 und 15.673/1999).

Das gegen die übrigen Bestimmungen des § 35 Abs 7 TFLG 1996 erhobene Sachlichkeitsbedenken teilt der Verfassungsgerichtshof nicht (zu den Bedenken mit Blick auf die Art 120a ff. B-VG siehe unten 2.2.2.7.).

2.2.2.3. Im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 wurde ausgesprochen, dass der über die Summe der Nutzungsrechte hinausgehende Substanzwert des Gemeindegutes der Gemeinde zusteht und das Substanzrecht der Gemeinde als Anteil an der Agrargemeinschaft zur Geltung gebracht werden können muss. Vor diesem Hintergrund erachtet es der Verfassungsgerichtshof für sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber die Mitwirkung der substanzberechtigten Gemeinde an den Sitzungen der Organe einer Agrargemeinschaft nach § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 anordnet (§35 Abs 7 Satz 1 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010).

2.2.2.4. Auch gegen die Regelungen, denen zufolge substanzwertrelevante Organbeschlüsse nur mit Zustimmung der Gemeinde gefasst werden können (Satz 2), hegt der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft vernachlässigt in ihrer gegenteiligen Argumentation den Umstand, dass der Substanzwert ausschließlich der Gemeinde zusteht (vgl. bereits VfSlg. 18.446/2008). Die übrigen Mitglieder der Agrargemeinschaft verfügen demgegenüber in Ansehung des Substanzwerts über keinerlei Rechte. Die Einräumung eines Zustimmungsrechts der Gemeinde ist daher sachlich gerechtfertigt.

2.2.2.5. Dass - wie die beschwerdeführende Agrargemeinschaft vorbringt - durch § 35 Abs 7 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 die Eigentümerbefugnisse der Agrargemeinschaft, deren Rechtsposition auch den Schutz des Art 5 StGG und des Art 1 1. ZPEMRK genießt (vgl. , B640/10), eingeschränkt werden, trifft zwar zu, ruft aber (auch) keine Bedenken unter dem Blickwinkel der Eigentumsgarantie hervor, weil der Substanzwert in den Fällen des § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 stets der Gemeinde zugeordnet ist. Dieser Anspruch der Gemeinde auf den Substanzwert des Gemeindegutes stellt aber gleichermaßen eine durch die Eigentumsgarantie geschützte Rechtsposition dar, die auch das subjektive Recht der umfassenden Dispositionsbefugnis über alle vom Eigentumsschutz erfassten Rechte gewährleistet (Korinek, in:

Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht III [Loseblatt 2002] Art 5 StGG Rz 26 aE; vgl. auch EGMR , Fall Papamichalopoulos, Appl. 14.556/89, Z 39 ff.). Es ist daher verfassungsrechtlich geboten, den Anspruch der Gemeinde auf den Substanzwert des Gemeindegutes - hier im Wege der Einräumung von Zustimmungs- und Einwirkungsrechten - zu wahren, weil ansonsten der Gemeinde die Ausübung ihrer Eigentümerbefugnisse verfassungswidrig vorenthalten werden würde (vgl. VfSlg. 18.446/2008).

2.2.2.6. Der Verfassungsgerichtshof teilt auch die Bedenken der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft, wonach § 35 Abs 7 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 wegen Widerspruchs zu Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG verfassungswidrig sei, nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erstreckt sich der historische Inhalt des Kompetenztatbestandes "Bodenreform" wesensgemäß auch auf zivilrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Bodenreform (vgl. VfSlg. 8151/1977, 11.856/1988, 12.415/1990). Auch fallen Angelegenheiten der Regulierung von Agrargemeinschaften unter Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG (siehe zB VfSlg. 6508/1971 mwN). Auf der Grundlage dieser Verfassungsvorschrift können daher auch Regelungen getroffen werden, die - wie hier § 35 Abs 7 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 - die Modalitäten der Willensbildung innerhalb einer Agrargemeinschaft zum Gegenstand haben.

2.2.2.7. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft behauptet ferner, § 35 Abs 7 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 stehe in Widerspruch zu den Art 120a ff. B-VG. Auch diese Behauptung trifft, soweit sie sich überhaupt auf eine präjudizielle Vorschrift bezieht (oben 2.2.2.2.), nicht zu.

Agrargemeinschaften nach dem TFLG 1996 sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (§34 Abs 3 TFLG 1996), deren Mitgliederkreis von Gesetzes wegen zwingend festgelegt ist (§34 Abs 1 TFLG 1996) und die in ihrem Wirkungsbereich der Aufsicht durch die Agrarbehörde unterliegen (§37 TFLG 1996). Zwar kommen Agrargemeinschaften nach dem TFLG 1996 keine hoheitlichen Befugnisse zu, jedoch überträgt ihnen das Gesetz die Besorgung eines Ausschnittes aus der öffentlichen Verwaltung, sodass Agrargemeinschaften nach dem TFLG 1996 im Verständnis des Art 120a Abs 1 B-VG öffentliche Aufgaben wahrnehmen (so auch zum Vbg. FlVG - vor In-Kraft-Treten der Art 120a ff. B-VG - VfSlg. 13.975/1994; ebenso ). Sie sind daher Selbstverwaltungskörper im Sinne der Art 120a ff. B-VG.

Die Regelungen des § 35 Abs 7 Satz 1 und 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 verstoßen nicht gegen diese Verfassungsvorschriften, insbesondere nicht gegen Art 120c Abs 1 B-VG, wonach die Organe der Selbstverwaltungskörper aus dem Kreis ihrer Mitglieder nach demokratischen Grundsätzen zu bilden sind.

Die Organe der Agrargemeinschaft sind die Vollversammlung, der Ausschuss und der Obmann (§35 Abs 1 TFLG 1996). Die Mitglieder des Ausschusses sind von der Vollversammlung aus ihrer Mitte für die Dauer von fünf Jahren zu wählen (§35 Abs 3 Satz 2 TFLG 1996). Die Ausschussmitglieder haben unmittelbar nach ihrer Wahl aus ihrer Mitte den Obmann und dessen Stellvertreter zu wählen (§35 Abs 4 Satz 1 TFLG 1996). Dieses Verfahren der Organkreation entspricht demokratischen Grundsätzen (vgl. zur indirekten Organbestellung VfSlg. 17.023/2003).

Die Gemeinde ist nach Maßgabe des § 34 Abs 1 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 Mitglied der Agrargemeinschaft. Durch diese Regelung wird der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Regelung der Eigentumsverhältnisse im Zusammenhang mit Agrargemeinschaften und insbesondere dem Gemeindegut (VfSlg. 18.446/2008) Rechnung getragen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber bei der Abgrenzung des Mitgliederkreises eines Selbstverwaltungskörpers ein großer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (zuletzt VfSlg. 18.731/2009).

§ 35 Abs 7 Satz 1 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 bestimmt, dass bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs 2 litc Z 2 leg.cit. dem Ausschuss und der Vollversammlung jedenfalls ein von der Gemeinde entsandter Vertreter "beizuziehen" ist. Soweit sich diese Regelung auf die Vollversammlung bezieht, ist § 35 Abs 7 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 von Vornherein unbedenklich, ist doch die Gemeinde als Mitglied der Agrargemeinschaft (§34 Abs 1 TFLG 1996) schon aufgrund des § 35 Abs 2 TFLG 1996 zur Vollversammlung einzuladen. Unbedenklich ist diese Vorschrift aber auch insoweit, als sie die Beiziehung eines von der Gemeinde entsandten Vertreters in den Ausschuss verlangt. Der Ausdruck "beiziehen" meint nämlich nicht, dass der Gemeindevertreter kraft Gesetzes Mitglied des Ausschusses ist; letzteres wäre zwar denkbar, dies allerdings nur aufgrund einer Wahl gemäß § 35 Abs 3 Satz 2 TFLG 1996. "Beiziehen" meint lediglich, dass der Gemeindevertreter zu den Ausschusssitzungen einzuladen und berechtigt ist, daran teilzunehmen. § 35 Abs 7 Satz 1 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 regelt folglich nicht die "Bildung" der Organe der Agrargemeinschaft und kann daher von Vornherein nicht mit Art 120c Abs 1 B-VG in Konflikt geraten. Dies gilt auch für die Regelung des Satzes 2 dieser Vorschrift.

2.2.3. Ferner behauptet die beschwerdeführende Agrargemeinschaft die Verfassungswidrigkeit des § 36 Abs 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010, die ihrer Ansicht nach neuerlich eine Bevorzugung der Gemeinde als Mitglied der Agrargemeinschaft bewirke. Auch mit dieser Behauptung ist sie nicht im Recht.

2.2.3.1. Diese Vorschrift sieht die Einrichtung zweier Rechnungskreise sowie ein diesbezügliches Einsichts- und Entnahmerecht der Gemeinde vor.

2.2.3.2. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft vertritt zunächst die Ansicht, dass die Einrichtung getrennter Rechnungskreise "an sich unsachlich" sei. Diese Ansicht trifft nicht zu: Es ist nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber zur Bestimmung der den Substanzwert betreffenden Einnahmen und Ausgaben eine getrennte, insbesondere auch die Kontrolle durch die substanzberechtigte Gemeinde ermöglichende Rechnungslegung verlangt.

2.2.3.3. Auch der Ansicht der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft, dass das Einsichtsrecht gleichheitswidrig sei, weil die Gemeinde "täglich, ja sogar stündlich derartige Einsicht nehmen" könne, tritt der Verfassungsgerichtshof nicht bei: Die in § 36 Abs 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 geregelten Kontrollrechte stellen sich als notwendige Ergänzung des Anspruches der Gemeinde auf den Substanzwert dar. Kontrollrechte dieser Art sind in der Rechtsordnung nicht selten und verfassungsrechtliche Bedenken sind dagegen aus Anlass dieser Beschwerde nicht entstanden. Die - nicht näher begründeten - Bedenken der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft, es könne "täglich, ja sogar stündlich derartige Einsicht" genommen werden, sind schon deswegen unbeachtlich, weil einer schikanösen Inanspruchnahme dieses Rechts regelmäßig das Rechtsmissbrauchsverbot entgegenstehen wird.

2.2.3.4. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft behauptet schließlich, dass das Entnahmerecht der Gemeinde gleichheitswidrig sei, weil der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 ausgesprochen habe, dass der Substanzwert über Anteilsrechte festzumachen sei, demgegenüber der Gesetzgeber aber nunmehr Erträge aus dem Substanzwert in gleichheitswidriger Weise der Gemeinde zugewiesen habe. Dazu genügt der Hinweis, dass der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 nicht nur davon gesprochen hat, dass das Substanzrecht der Gemeinde als Anteil an der Agrargemeinschaft zur Geltung gebracht werden können muss, sondern auch, dass der "Substanzwert des Gemeindegutes, der je nach Art der Nutzung möglicherweise freilich erst bei Eingriff in die Substanz oder bei Teilungen zutage tritt," der Gemeinde zusteht. Wenn daher gemäß § 36 Abs 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 Einnahmen und Ausgaben aus dem Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke in einem zweiten Rechnungskreis zu führen sind und die aus diesem Rechnungskreis erfließenden Erträge der substanzberechtigten Gemeinde zugewiesen werden und von dieser entnommen werden können, so trägt diese Regelung lediglich den in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes aufgestellten Kriterien Rechnung. Auch unter diesem Aspekt ist die Regelung des § 36 Abs 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

2.2.3.5. Ebenso wenig verletzt diese Regelung die Eigentumsgarantie. Die gegenteilige Ansicht der Agrargemeinschaft trifft aus den zu Punkt 2.2.2.5. genannten Gründen nicht zu.

2.2.3.6. Durch § 36 Abs 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 wird auch Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG nicht verletzt, umfasst doch dieser Kompetenztatbestand unter anderem Angelegenheiten der Regulierung einer Agrargemeinschaft (vgl. oben 2.2.2.6.), um die es auch in dieser Vorschrift geht.

2.2.3.7. Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft, § 36 Abs 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 sei wegen Widerspruchs zu Art 7 StGG verfassungswidrig, ist zu erwidern, dass diese Verfassungsvorschrift - sofern hier maßgeblich - nur ein Verbot enthält, Liegenschaften nach Art des geteilten Eigentums mit unablösbaren Leistungen zu belasten (Zellenberg, in: Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht III [Loseblatt 2000] Art 7 StGG Rz 12). Derartiges ordnet § 36 Abs 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 aber nicht an.

2.2.3.8. Auch der behauptete Verstoß des § 36 Abs 2 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 gegen Art 120c B-VG liegt nicht vor: Diese Vorschrift enthält keine Regelung der Organbildung oder der Finanzierung der Aufgaben der Agrargemeinschaft und kann daher nicht gegen Art 120c Abs 1 oder 2 B-VG verstoßen. Sie verletzt aber auch nicht Art 120c Abs 3 B-VG: Wenn die beschwerdeführende Agrargemeinschaft der Sache nach behauptet, sie könne über den Substanzwert (bzw. Erträgnisse aus dem Substanzwert) nicht mehr verfügen, übersieht sie neuerlich, dass der Substanzwert der Gemeinde zusteht (vgl. VfSlg. 18.446/2008 sowie § 33 Abs 5 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 und dazu , B640/10) und dieser Umstand Einschränkungen der Verfügungsbefugnisse der Agrargemeinschaft als bloß formale Eigentümerin nicht nur rechtfertigt, sondern sogar erfordert. Ein Verstoß gegen Art 120c Abs 3 B-VG ist darin nicht zu erblicken.

2.2.4. Die Verfassungswidrigkeit des § 37 Abs 6, 7 und 8 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 erkennt die beschwerdeführende Agrargemeinschaft darin, dass diese Vorschriften eine sachlich nicht zu rechtfertigende Bevorzugung der Gemeinde bewirken. Auch dieser Ansicht vermag der Verfassungsgerichtshof nicht beizutreten.

2.2.4.1. Es ist schon die Prämisse unzutreffend, dass § 37 Abs 6, 7 und 8 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 die substanzberechtigte Gemeinde bevorzuge. Es sind nämlich - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - nicht nur rechtswidrige Beschlüsse aufzuheben, die wesentliche Interessen der Gemeinde verletzen, sondern auch solche, die wesentliche Interessen der Agrargemeinschaft oder ihrer Mitglieder verletzen (vgl. Abs 6 leg.cit.; ähnlich Abs 7 leg.cit.:

"wesentliche Interessen des Antragstellers"). Dass der Gemeinde dann, wenn ein solches Verfahren ihre rechtlichen Interessen berührt, gemäß Abs 8 leg.cit. auch Parteistellung in diesem Verfahren zukommt, ist aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht nur unbedenklich, sondern geradezu geboten.

2.2.4.2. Eine - wie die beschwerdeführende Agrargemeinschaft es nennt - "Bevorzugung" der Gemeinde könnte sich lediglich aus § 35 Abs 7 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 ergeben, wonach die Interessen der Gemeinde - in dem dort geregelten Verfahren - vor der Agrarbehörde Vorrang haben. Dass diese Vorschrift aber verfassungskonform ist, wurde unter Punkt 2.2.2. bereits dargelegt.

2.2.5. Ein Eingehen auf die Verfassungskonformität der Regelung des § 40 Abs 3 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010 ist dem Verfassungsgerichtshof in diesem Verfahren mangels Präjudizialität dieser Vorschrift verwehrt.

2.2.6. Inwiefern die unter Punkt 2.2.2 bis 2.2.4. angeführten Vorschriften des TFLG 1996 gegen das rechtsstaatliche Grundprinzip der Bundesverfassung verstoßen sollen, wird in der Beschwerde nicht näher dargelegt und ist auch nicht erkennbar.

2.3. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft behauptet weiters eine Verletzung des Art 6 EMRK, die darin liegen soll, dass die Unparteilichkeit jener Mitglieder des Landesagrarsenates, die Landesbedienstete sind, nicht gewährleistet sei. Begründet wird dies damit, dass diese Mitglieder des Landesagrarsenates dem "politischen Wohlwollen nach Abschluss ihrer Amtszeit überlassen" seien. Mit dieser Behauptung ist die beschwerdeführende Agrargemeinschaft nicht im Recht.

2.3.1. Abgesehen davon, dass weder der Verfassungsgerichtshof noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bisher Bedenken gegen die Unabhängigkeit der Landesagrarsenate wegen der Mitgliedschaft von - weisungsfrei gestellten - Beamten hegten (VfSlg. 9430/1982, 18.446/2008; EGMR, Fall Ettl ua., Serie A Nr. 117 = ÖJZ 1988, 22 [Z37]), übersieht die Beschwerde, dass gegen die Bescheide der Landesagrarsenate Beschwerde nicht nur an den Verfassungsgerichtshof, sondern auch an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden kann. Damit aber ist gewährleistet, dass jedenfalls in der nachprüfenden Kontrolle des letztinstanzlichen Bescheides mit dem Verwaltungsgerichtshof ein Gericht entscheidet, das bei verfassungskonformer Wahrnehmung seiner Zuständigkeit den Anforderungen an ein unabhängiges und unparteiliches Tribunal nach Art 6 EMRK genügt (VfSlg. 18.446/2008; EGMR Fall Zumtobel, Serie A Nr. 268 = ÖJZ MRK 1993/45, 782 ff. = JBl 1994, 396 [Z31 f.]).

2.3.2. Dass die belangte Behörde die beschwerdeführende Agrargemeinschaft unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 als "Gemeindegutsagrargemeinschaft" behandelt und zu dieser Frage kein weiteres Ermittlungsverfahren durchführt, stellt mit Blick auf das zu Punkt 2.1. Gesagte keinen Verfahrensmangel dar. Dass der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft im Verfahren kein Gehör gewährt wurde, bringt sie nicht vor und ist auch nicht ersichtlich. Auch ist die Begründung: des angefochtenen Bescheides, warum dem Vorbringen der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft in diesem Punkt nicht gefolgt wird, unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK ausreichend.

2.4. Auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts ist nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde ist daher - soweit sie überhaupt zulässig ist - abzuweisen.

IV.

1. Die Kostenentscheidung ist in § 88 VfGG begründet. Der Schriftsatz der mitbeteiligten Gemeinde war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 400,-- enthalten.

2. Die Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.