VfGH vom 28.02.2012, B1644/10
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Leitsatz
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Ausweisung der Beschwerdeführerin wegen unrechtmäßigen Aufenthalts; keine hinreichende Berücksichtigung ihrer Interessen am Verbleib im Bundesgebiet
Spruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, der Beschwerde-führerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.400,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführerin, eine am geborene Staatsangehörige von Kenia, reiste gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem am in Kenia geborenen Sohn legal mit einem von bis gültigen Visum C in das österreichische Bundesgebiet ein.
2. Die Mutter der Beschwerdeführerin brachte für
diese am bei der Österreichischen Botschaft in Prag einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" ein; dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom rechtskräftig abgewiesen.
3. Nachdem die Beschwerdeführerin am einen österreichischen Staatsangehörigen geehelicht hatte, wurde ihr mit ein Aufenthaltstitel zum Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gewährt. Dieser Aufenthaltstitel wurde in der Folge verlängert, zuletzt bis zum . Ein weiterer Verlängerungsantrag vom wurde wegen verspäteter Antragstellung mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom rechtskräftig abgewiesen.
4. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen
Wien vom wurde die Beschwerdeführerin rechtskräftig gemäß § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Monaten verurteilt, wobei der Vollzug unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
5. Am brachte die Beschwerdeführerin ihre Tochter als österreichische Staatsangehörige zur Welt.
6. Am stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen, über den bislang noch nicht entschieden wurde.
7. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.
8. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen
Wien vom wurde die Beschwerdeführerin rechtskräftig gemäß §§269 Abs 1, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4, 99 Abs 1, 107 Abs 1 und 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, wobei sieben Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.
9. Der gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid eingebrachten Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom stattgegeben, es wurde der erstinstanzliche Bescheid behoben und die Angelegenheit an die Erstinstanz zurückverwiesen. Begründend führte die Berufungsbehörde - zusammengefasst - aus, dass sich die Erstbehörde im fortgesetzten Verfahren eingehender mit dem Gesundheitszustand der akut an HIV erkrankten Beschwerdeführerin und der Behandlungsmöglichkeit im Ausland zu befassen haben werde.
10. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde die Beschwerdeführerin abermals aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.
11. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Begründend führte die Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges wörtlich Folgendes aus:
"Die Berufungswerberin verfügt im Bundesgebiet über familiäre Bindungen zu ihren beiden Kindern - der knapp 15-jährige Sohn befindet sich in Obsorge der Stadt Wien und hält sich bei Pflegeeltern auf, die knapp 4-jährige Tochter befindet sich in der Obsorge der Mutter der Berufungswerberin - sowie zur eben angesprochenen Mutter, einem Bruder und einer Cousine. Es ist daher davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Maßnahme ein Eingriff in ihr Privat- und Familienleben verbunden ist. Dessen ungeachtet ist die gegen die Berufungswerberin gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele - hier:
zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sowie zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen - dringend geboten. Im Rahmen der Beurteilung der persönlichen Verhältnisse der Berufungswerberin ist auf ihren mehr als zwölfjährigen inländischen Aufenthalt Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig ist aber zu berücksichtigen, dass einer daraus ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukommt, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten der Berufungswerberin erheblich beeinträchtigt wird. Darüber hinaus ist der Aufenthalt der Berufungswerberin im Bundesgebiet seit Ablauf ihres letzten Aufenthaltstitels am unrechtmäßig. Anhaltspunkte für eine berufliche Integration der Berufungswerberin liegen im Akt nicht auf. Vor diesem Hintergrund mussten die privaten und familiären Interessen der Berufungswerberin gegenüber den - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen durch die Berufungswerberin sowie der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten. Unter diesem Blickwinkel gelangte die Berufungsbehörde zu der Auffassung, dass die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation der Berufungswerberin und ihrer Familie keinesfalls schwerer wiegen, als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Bei dieser Entscheidung wurde berücksichtigt, dass sich die Berufungswerberin mittlerweile in Österreich 'ein soziales Netzwerk und einen Freundeskreis' aufgebaut hat sowie 'ausreichend Deutsch spricht, um im Alltag kommunizieren' zu können. Auch, dass sich die 'sozialen Bindungen' während ihres Aufenthaltes in Österreich intensiviert haben und ihre Beziehung zu ihrer 'engen Freundin S[...] S[...]' und deren Familie 'inzwischen familienähnlich' geworden ist. Dazu ist auszuführen, dass das Vorbringen der Berufungswerberin lediglich aus Worthülsen besteht und völlig unsubstantiiert ist. Außer ihrer Freundin 'S[...] S[...]' und deren Familie, nennt die Berufungswerberin keine über ihre eigene Familie hinausgehenden sozialen Kontakte, sodass für die erkennende Behörde nicht nachvollziehbar bzw. überprüfbar ist, inwiefern sich die Berufungswerberin nachhaltig im Bundesgebiet integriert haben soll. Ganz im Gegenteil ist davon auszugehen, dass die Berufungswerberin, die erst im Alter von 22 Jahren nach Österreich gekommen ist und daher ihre Muttersprache fließend beherrscht, in ihrem Heimatland bestehende soziale Kontakte zu Freunden bzw. Familienmitgliedern auffrischen bzw. neue knüpfen wird können. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass die Berufungswerberin bereits kurze Zeit nach ihrer Eheschließung den Kontakt zu ihrem (österreichischen) Ehegatten verloren hat. Die Berufungswerberin behauptet zwar, bereits im österreichischen Arbeitsmarkt integriert gewesen zu sein, jedoch ihre Arbeit verloren zu haben als ihre Firma schließen habe müssen, jedoch wurde diese Behauptung von ihr nicht durch die Vorlage entsprechender Beweismittel nachgewiesen. In Kenia könnte die Berufungswerberin auch wieder ihrem erlernten Beruf als Schneiderin nachgehen.
Die Berufungswerberin ist HIV positiv und behauptet, eine notwendige Behandlung könne in Kenia nicht gewährleistet werden bzw. wäre für sie nicht finanzierbar. Laut Mitteilung des Vertrauensarztes der österreichischen Botschaft in Nairobi ist eine HIV-Erkrankung in Kenia behandelbar und eine medikamentöse Behandlung in Regierungs- und Missionsspitälern derzeit grundsätzlich kostenfrei. Sogar für 'Selbstzahler' sind die Medikamentenkosten erschwinglich. Notwendige Medikamente sind durchaus erhältlich, wobei 'first line Medikamente' auf Bestellung zu bekommen sind, obgleich auch sehr teuer. Bis dato, so der Vertrauensarzt weiter, habe es keinen ernsten Engpass gegeben.
Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist das Erfordernis einer medizinischen Betreuung im Heimatland des Auszuweisenden auf das Bestehen einer (wenn auch nur eingeschränkt) zugänglichen medizinischen Basisversorgung in seinem Heimatland abzusenken. Es ist daher vorliegend ausreichend, wenn die Berufungswerberin in Kenia - wie ausgeführt - eine Behandlungsmöglichkeit für ihre Erkrankung vorfindet, auch wenn diese nicht dem selben Standard wie in Österreich entspricht.
Jedenfalls wurden von der Berufungswerberin die Bestimmungen des seit in Geltung stehenden Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes angesichts der Tatsache, dass sie sich seit Ablauf ihres letzten Aufenthaltstitels unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, in gravierender Weise missachtet. Auch die Einbringung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen kann ihre Lage nicht verbessern, da mit der Einbringung eines solchen Antrages kein vorläufiges Aufenthaltsrecht verbunden ist. Die Hinwegsetzung der Berufungswerberin über maßgebliche fremdenrechtliche Normen bewirkt jedenfalls eine Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Dem genannten öffentlichen Interesse liefe es grob zuwider, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen wurden (Nichtausreise trotz unrechtmäßigen Aufenthaltes nach verspäteter Einbringung eines Verlängerungsantrages), den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erzwingen könnte.
Darüber hinaus ist zu bemerken, dass der Kontakt der Berufungswerberin zu ihren Kindern auch durch Besuche in Kenia - wenn auch unter erschwerten Umständen - aufrecht erhalten werden kann.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer zugunsten der Berufungswerberin sprechender Umstände, kann ein weiterer Aufenthalt ihrer Person auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden."
12. In der dagegen an den Verfassungsgerichtshof erhobenen, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art 3 und 8 EMRK geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Begründend wird hinsichtlich der behaupteten
Verletzung in Art 3 EMRK - auf das Wesentliche zusammengefasst - ausgeführt, dass die Behörde auf die konkreten Umstände des Einzelfalles nicht eingegangen sei. Eine Umstellung bzw. Unterbrechung der Behandlung stelle auf Grund des Fortschrittes der Erkrankung und der Notwendigkeit der in Österreich durchgeführten Behandlung eine gesundheitliche Bedrohung bis hin zur Lebensbedrohung dar; der Vertrauensarzt der Österreichischen Botschaft in Kenia könne mangels Kenntnis um den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin naturgemäß keine Einschätzung dazu abgeben. Eine Ausweisung sei auch angesichts der sanitären und medizinischen Situation in Kenia sowie unter Berücksichtigung, dass die Beschwerdeführerin dort ohne finanzielle oder soziale Unterstützung auskommen müsse, unzulässig.
Hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung in Art 8 EMRK wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörde bei ihrer Interessenabwägung mehrere erhebliche Umstände außer Acht gelassen habe: Die Behörde übersehe etwa, dass die in Österreich bestehenden familiären Bindungen - Kinder, Mutter, Bruder, Cousine - keineswegs unbeachtlich seien. Der intensive Kontakt zu den in Österreich lebenden Kindern würde durch die Ausweisung jäh unterbunden. Darüber hinaus halte sich die Beschwerdeführerin bereits seit 1998 im österreichischen Bundesgebiet auf und habe ihre sozialen Kontakte naturgemäß intensiviert; die angebotene Zeugeneinvernahme sei unterlassen worden. Die Nichtverlängerung des Aufenthaltstitels habe sich lediglich auf Grund einer verspäteten Antragstellung ergeben; diesbezüglich habe die Beschwerdeführerin nachvollziehbar dargelegt, dass diese Verspätung auf eine verständliche psychisch belastete Situation infolge der schweren Erkrankung und der damit einhergehenden Zerrüttung der Ehe zurückzuführen sei. Die Beschwerdeführerin habe sich in Folge aus eigenem um eine Legalisierung ihres Aufenthaltes bemüht und einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gestellt. Die Beschwerdeführerin sei in der Vergangenheit einer Arbeitstätigkeit nachgegangen und verfüge aktuell über einen Arbeitsvorvertrag. Sie sei zwar nicht krankenversichert, jedoch würden ihre Behandlungskosten von der Aidshilfe Wien getragen. Eine Reintegration in Kenia sei auf Grund der Erkrankung und in Ermangelung dort vorhandener sozialer und familiärer Bindungen erschwert. Die Strafgerichte hätten bei den zwei Verurteilungen nur sehr milde Strafen verhängt; seit der zweiten Verurteilung lebe sie im Einklang mit den strafrechtlichen Vorschriften.
13. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor; von der Erstattung einer Gegenschrift wurde ausdrücklich Abstand genommen.
II. Rechtslage
Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen §§53 Abs 1 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I 100 idF BGBl. I 122/2009, (im Folgenden: FPG) lauten wie folgt:
"Ausweisung
Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel
§53. (1) Fremde können mit Bescheid ausgewiesen
werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
(2) - (3) [...]
[...]
Schutz des Privat- und Familienlebens
§66. (1) Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung,
insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.
(3) Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist
jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§45 und 48 oder §§51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Wie die belangte Behörde zutreffend festhält, hält sich die Beschwerdeführerin rechtswidrig im Bundesgebiet auf, weshalb die Ausweisung zu Recht auf § 53 Abs 1 FPG gestützt wurde. Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist die Ausweisung gemäß § 66 Abs 1 FPG dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
2. Ein Eingriff in das durch Art 8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Recht ist dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art 8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat; ein solcher Fall liegt nur vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn sie der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art 8 Abs 1 EMRK widersprechenden und durch Art 8 Abs 2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hat (vgl. VfSlg. 11.638/1988, 15.051/1997, 15.400/1999, 16.657/2002).
Eine unzureichende Berücksichtigung des Kindeswohles kann zur Unzulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und somit zu einer Verletzung des Art 8 EMRK führen (vgl. EGMR , Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, newsletter 2006, 26 = ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562, sowie insbesondere jüngst EGMR , Fall Nunez, Appl. 55.597/09, newsletter 3/2011, 169).
3. Im Lichte dessen vermag die Begründung des angefochtenen Bescheides die Entscheidung der belangten Behörde nicht zu tragen, hat die Behörde es doch unterlassen, das Kindeswohl angemessen zu berücksichtigen.
3.1. Die belangte Behörde geht offenkundig davon aus, dass - da der Beschwerdeführerin die Obsorge für ihre Kinder nicht (mehr) zukommt - der Schutz des durch Art 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemindert wäre. Dies trifft nicht zu: Maßgeblich sind vielmehr das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und die Intensität der Beziehung, wobei zu berücksichtigen ist, dass aus einer rechtmäßigen Ehe hervorgehende Kinder ab dem Zeitpunkt der Geburt ipso iure Teil des betreffenden Familienverhältnisses werden (vgl. etwa VfSlg. 16.777/2003 und die dort genannte Judikatur des EGMR).
3.2. Selbst wenn die Kinder nicht mit der Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt leben, hätte die Behörde ermitteln müssen, welche konkreten Auswirkungen die Ausweisung der Beschwerdeführerin auf die Beziehungen zu ihren Kindern und so auch auf das Kindeswohl hat. Zur Beantwortung dieser Frage hätte die belangte Behörde - allenfalls auch im Wege einer Anfrage bei dem zuständigen Jugendwohlfahrtsträger - die tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich des Familienlebens zu ermitteln gehabt.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Da es dem angefochtenen Bescheid an einer entsprechend konkreten und fallbezogenen Begründung mangelt, wurde die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,- enthalten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.