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OGH vom 20.11.2007, 11Os112/07s

OGH vom 20.11.2007, 11Os112/07s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer, in der Strafsache gegen Roman K***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , GZ 435 Hv 2/07w-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Seidl, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Bernhauser zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Roman K***** wird von der Anklage, er habe ungeachtet des Verbots nach § 12 WaffG eine Waffe, nämlich ein Klappmesser, besessen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gemäß § 143 erster Strafsatz StGB wird über den Angeklagten für das ihm weiterhin zur Last liegende Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren verhängt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Roman K***** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (II) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (II) schuldig erkannt. Danach hat er am in Wien

I. Heinz B***** dadurch, dass er ein ausgeklapptes Messer mit ca 20 cm mit der Bemerkung: „Geh kum her do amoi" in Bauchhöhe gegen ihn richtete und ihn mit dem Messer in das Innere des Wettlokals verfolgte, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, fremde bewegliche Sachen, nämlich seine Kellnergeldbörse mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte;

II. das zu Punkt I genannte Klappmesser, mithin eine Waffe besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur den Schuldspruch I bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO, welcher indes keine Berechtigung zukommt.

Die Kritik an der Formulierung der Hauptfrage I nach dem Verbrechen des versuchten schweren Raubes, welche die vom Beschwerdeführer für erforderlich gehaltene Angabe der Uhrzeit der Raubtat nicht enthält, ist unbegründet.

Nach § 312 StPO sind nämlich Individualisierungsmerkmale wie Tatzeit und -ort nur insoweit in die (Haupt-)Frage aufzunehmen, als es zur deutlichen Bezeichnung der Tat (oder - hier nicht aktuell - für die Entscheidung über die Entschädigungsansprüche) notwendig ist. Vorliegend wurde das Tatgeschehen ausreichend und verwechslungssicher beschrieben, sodass die Gefahr neuerlicher Verfolgung und Verurteilung wegen dieser Tat nicht besteht. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zu einer erschöpfenden Umschreibung der Tat durch Anführung rechtlich bedeutungsloser Nebenumstände ist aus dem Gesetz nicht abzuleiten (vgl 14 Os 40/07z; Schindler, WK-StPO § 312 Rz 47).

Bei der nach § 313 StPO gestellten Zusatzfrage I waren bloß die gesetzlichen Gründe anzugeben, die den in Betracht kommenden Straflosigkeitsgrund im konkreten Fall hätten begründen können (WK-StPO § 313 Rz 23); einer Konkretisierung bedurfte es angesichts der unmissverständlichen Bezugnahme auf die in der Hauptfrage I ausreichend individualisierte Tat nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlass konnte sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, dass dem Schuldspruch II wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG ein vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachter, sich aber zu seinem Nachteil auswirkender materieller Nichtigkeitsgrund (§ 345 Abs 1 Z 11 lit a StPO) anhaftet, welcher demnach von Amts wegen wahrzunehmen war (§§ 344, 290 Abs 1 StPO). Dem zum Schuldspruch II ergangenen Wahrspruch zufolge hat der Angeklagte am in Wien, wenn auch nur fahrlässig, ein ausgeklapptes Messer mit ca 20 cm Länge, „mithin eine Waffe", besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war. „Waffen" sind gemäß § 1 WaffG Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, (Z 1) die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkungen zu beseitigen oder herabzusetzen oder (Z 2) bei der Jagd oder beim Schießsport zur Abgabe von Schüssen verwendet zu werden.

Diesem technischen Waffenbegriff unterliegen neben allen Schusswaffen insbesondere auch Hieb-, Stich- und Stoßwaffen, wie zB Säbel, Degen, Stilette, Dolche sowie verbotene Waffen, wie Totschläger, Schlagringe, Stahlrute, Gummiknüppel, Springmesser und Fallmesser (vgl für viele: Ellinger/Wieser WaffG 1996 S 34 f). Andere Messer als Spring- und Fallmesser, nämlich „gewöhnliche" Messer mit stumpfen Rücken, wie etwa Brot-, Tisch- und Küchenmesser, Jagdmesser, Hirschfänger, Pfadfindermesser und insbesondere Taschenmesser aller Art, selbst dann, wenn sie eine Feststellungsvorrichtung für die Klinge besitzen (sogenannnte „Fixiermesser") sind hingegen nicht als Waffen iS des Waffengesetzes, sondern als Gebrauchsgegenstände anzusehen, weil sie nicht ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen (SSt 41/25; Eder-Rieder in WK2 § 143 Rz 16 mwN; Ellinger/Wieser aaO S 35; Hauer/Kepplinger WaffG 1996 S 21; Grosinger/Szirba/Szymanski, Das österreichische Waffenrecht3 § 1 Anm 6, uva; aM hinsichtlich „Klappmesser" offenbar Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 143 Rz 16 [wobei die dort zitierte Judikatur bloß die - anders gelagerte; s dazu unten - Waffenqualität

iSd § 143 zweiter Fall StGB im Blick hatte: RZ 1993/31 = 13 Os 62,

63/92-7 sowie JUS 1993/6/1208 = 12 Os 39/93-10]).

Anders als beim strafrechtlichen (funktionalen) Waffenbegriff, der nach hM und stRsp neben Waffen im technischen Sinn (nach § 1 WaffG) auch solche Gegenstände umfasst, die diesen nach ihrer Anwendbarkeit und Wirkung gleichkommen (WK² § 143 Rz 18 mwN), ist nach der Legaldefinition des § 1 WaffG für die Qualifikation eines Gegenstandes als Waffe im Sinne des Waffengesetzes nur die objektive Zweckwidmung maßgeblich, die subjektive Zweckwidmung durch den Inhaber des Gegenstandes spielt dabei keine Rolle (vgl ).

Dem Verdikt der Laienrichter zufolge handelte es sich um ein „ausgeklapptes Messer". Besondere Eigenschaften des Messers, die über jene eines gewöhnlichen Gebrauchsgegenstandes hinausgehen (etwa eine im Bereich der Spitze dolchartig ausgebildete Klinge [Fabrizy StGB9 Anm 1 zu § 1 WaffG] oder eine Vorrichtung zum Aufspringen der Klinge [„Spring- und Fallmesser"]), wurden im Wahrspruch nicht angeführt, weshalb fallbezogen keine Waffe iSd Waffengesetzes und damit kein dem § 50 Abs 1 Z 3 WaffG subsumierbarer Sachverhalt vorliegt. Auch dem Akteninhalt sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass das in Rede stehende Messer (dessen sich der Angeklagte bereits entledigt haben soll [S 133, 381]) sonstige dem besonderen Waffenbegriff entsprechende Eigenschaften aufgewiesen hätte (s S 73, 127, 133, 379 f und 385), sodass gemäß §§ 344, 288 Abs 2 Z 3 StPO sofort mit einem Freispruch vorzugehen war.

Bei der damit erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe für den aufrecht gebliebenen Schuldspruch wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB waren, ausgehend von einem Strafrahmen von fünf bis zu fünfzehn Jahren, sieben einschlägige Vorstrafen als erschwerend zu werten. Der Angeklagte war erstmals im Alter von sechzehn Jahren straffällig geworden: Für das Verbrechen des versuchten Einbruchsdiebstahls wurde er im Jahr 1986 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. 1988 wurde über ihn wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt eine Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt, die zunächst bedingt nachgesehen, später aber vollzogen wurde. Im Jahre 1990 wurde er wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten verurteilt, aus deren Vollzug er bedingt entlassen wurde, doch wurde diese bedingte Entlassung schließlich widerrufen. 1994 erhielt er für das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten und wurde 1997 bisher letztmalig wegen einer gravierenden Straftat, nämlich wegen des Verbrechens des schweren Raubes unter Verwendung einer Waffe (Messer) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. In der Folge wurden über ihn wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2002) und des versuchten Diebstahls (2005) Geldstrafen verhängt. Als strafmildernd ist insbesondere der Umstand zu berücksichtigen, dass die Tat beim Versuch verblieben ist, sowie das Geständnis des Angeklagten. Stellt man weiters eine gewisse intellektuelle Minderbegabung des Angeklagten in Rechnung, dann kann mit einer die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe von fünf Jahren nicht wesentlich übersteigenden Freiheitsstrafe von sechs Jahren noch das Auslangen gefunden werden, um dem Unrechtsgehalt der Tat und der täterbezogenen Schuld, aber auch spezial- und generalpräventiven Bedürfnissen gerecht zu werden.

Im Hinblick auf die Strafneubemessung war der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.