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VfGH vom 14.10.1993, B1633/92

VfGH vom 14.10.1993, B1633/92

Sammlungsnummer

13587

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch die Erteilung eines wasserpolizeilichen Auftrags an die Grundeigentümer ohne Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit und Adäquanz dieses Auftrags im Hinblick auf die im öffentlichen Interesse gelegene Beseitigung des konsenslosen Zustands

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird daher aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zu Handen des Beschwerdevertreters die mit S 15.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Den Beschwerdeführern wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Z 512.639/01-I 5/92, der Auftrag gemäß § 138 Abs 1 lita Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) erteilt, "den gesetzmäßigen Zustand auf in ihrem Eigentum befindlichen ... Grundstücken durch Anhebung des Niveaus mit bodenständigem und sanitär einwandfreiem Material ... herzustellen", da sie einen bereits bestehenden "konsenslosen Zustand, der mit einer Einwirkung auf das Grundwasser verbunden ist, zwar nicht herbeigeführt, aber aufrechterhalten haben". In der Begründung wird darauf hingewiesen, daß "die Berufungswerber ... somit nicht als subsidiär haftende Grundeigentümer gemäß § 138 Abs 4 WRG 1959 für die Schotterentnahme herangezogen (werden), sondern als diejenigen, die einen konsenslosen Zustand, nämlich die Einwirkung auf das Grundwasser durch die zu tief erfolgte Baggerung, übernommen haben und aufrechterhalten".

In ihrer gegen den genannten Bescheid gerichteten Beschwerde gemäß Art 144 B-VG machen die Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung von Rechten wegen Anwendung des - nach Ansicht der Beschwerdeführer - verfassungswidrigen § 138 Abs 1 WRG 1959 geltend.

2. Die Beschwerdeführer begründen die behaupteten Rechtsverletzungen im wesentlichen wie folgt:

2.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums sei insbesondere deswegen verletzt, da den Beschwerdeführern durch denkunmögliche Anwendung der Bestimmung des § 138 Abs 1 lita WRG 1959 Kosten in der Höhe von S 14,400.000,-- erwachsen. Mit § 138 Abs 4 WRG 1959, der durch die Wasserrechtsgesetznovelle 1990, BGBl. 252/1990, eingefügt wurde, sei "die subsidiäre Grundeigentümerhaftung für eigenmächtig vorgenommene Neuerungen etc. im Sinne des § 138 Abs 1 WRG eingeführt und normiert" worden. Auf Grund der klaren Bestimmung des § 138 Abs 4 WRG 1959 könne ein Grundeigentümer, "der den konsenslosen Zustand durch Übertretung einer Bestimmung des Wasserrechtsgesetzes nicht selbst herbeigeführt hat", nicht derjenige sein, der gemäß § 138 Abs 1 WRG 1959 zu verhalten sei, eigenmächtig vorgenommene Neuerungen auf seine Kosten zu beseitigen oder unterlassene Arbeiten nachzuholen. "Ein Liegenschaftseigentümer kann in einem solchen Fall nur subsidiär nach Maßgabe der Bestimmungen des § 138 Abs 4 WRG in Anspruch genommen werden." Die Bestimmung des § 138 Abs 1 lita WRG 1959 sei damit denkunmöglich angewendet worden.

2.2. Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz erachten sich die Beschwerdeführer deswegen verletzt, "weil die belangte Behörde ... dem Gesetz einerseits fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, andererseits Willkür übt, und zwar durch denkunmögliche Gesetzesanwendung und durch Verletzung von Treu und Glauben". Die Beschwerdeführer hätten die Liegenschaften, auf die sich der wasserpolizeiliche Auftrag bezieht, teils 1972, teils erst 1988 erworben. Zu dem wasserpolizeilich beanstandeten Zustand sei es auf Grund gewerberechtlich in den Jahren 1964 und 1969 genehmigter Schotterentnahmen und Trockenbaggerungen durch einen Dritten gekommen. Das wasserpolizeiliche Auftragsverfahren sei auch ursprünglich im Jahre 1986 gegen die R J Schotterwerke OHG wegen konsensloser Naßbaggerung eingeleitet worden, während die nunmehrigen Beschwerdeführer als Grundeigentümer erst im Rahmen einer Wasserrechtsverhandlung am am Verfahren als Parteien beteiligt und gleichzeitig die R J Schotterwerke OHG aus dem wasserpolizeilichen Auftragsverfahren entlassen worden sei. Die Beschwerdeführer hätten anläßlich der Auflassung der Betriebsanlage durch die R J Schottenwerke OHG im Jahre 1978 bei der Gewerbebehörde auf Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes gedrängt, die Gewerbebehörde sei jedoch "ihrer Verpflichtung im Sinne des § 83 GewO im Zusammenhang mit § 374 (richtig: § 74) GewO 1973 nicht nachgekommen". Es widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes und stelle damit Willkür dar, wenn Jahre nach den Versäumnissen der Gewerbebehörde die Beschwerdeführer als Grundstückseigentümer auf Grund eines - wasserrechtlich - konsenslosen Zustandes zur Herstellung des gesetzlichen Zustandes herangezogen würden, während gegen die Betreiber der für diesen konsenslosen Zustand ursächlichen Schotteranlage selbst "kein wasserpolizeiliches Auftragsverfahren auf Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes eingeleitet" bzw. dieses nunmehr eingestellt wurde, zumal die Beschwerdeführer "einen Teil der Liegenschaften erst rund 10 Jahre nach Einstellung der Betriebsanlage" erwarben.

Ebenso hätte die belangte Behörde durch denkunmögliche

Anwendung der Bestimmung des § 138 Abs 1 lita WRG 1959 Willkür

geübt, da mit dem angefochtenen Bescheid nicht die subsidiäre

Grundeigentümerhaftung im Sinne des § 138 Abs 4 WRG 1959 idF der

WRG-Novelle 1990 in Anspruch genommen wurde. "Die Anwendung der

Bestimmung des § 138 Abs 1 lita WRG im gegenständlichen Fall

... ist denkunmöglich und in dem Sinn willkürlich im Sinne des

Gleichheitsgrundsatzes, zumal es sich um eine qualifizierte

Rechtswidrigkeit handelt." Im übrigen hätte die belangte Behörde

"der Bestimmung des § 138 Abs 1 lita WRG fälschlich einen

gleichheitswidrigen Inhalt (unterstellt) und ... auch sonst

generell Willkür im Sinne der Verletzung des

Gleichheitsgrundsatzes" geübt.

2.3. Die Verletzung von Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen generellen Norm begründen die Beschwerdeführer damit, daß gemäß § 138 Abs 1 lita WRG 1959 die Wasserrechtsbehörde, sohin kein Tribunal im Sinne des Art 6 EMRK hinsichtlich der Beseitigung eigenmächtig vorgenommener Neuerungen bzw. Unterlassungen von Handlungen zuständig sei. Die Verpflichtung zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes gemäß § 138 Abs 1 lita WRG 1959 sei "eine Unrechtsfolge bei Zuwiderhandeln gegen wasserrechtliche Vorschriften, die letztlich neben der Verwaltungsstrafe im engeren Sinn auch als Strafe im weiteren Sinn ... zu sehen ist", zumal "die Kosten der Wiederherstellung einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung ... in der Regel wesentlich höher sind als die Verwaltungsstrafen oder auch Schadenersatz gegenüber bestimmten Dritten".

Die Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Zustandes gemäß § 138 Abs 1 lita WRG 1959 sei insofern mit der Abschöpfung der Bereicherung gemäß § 20a StGB zu vergleichen, welche als Sanktion sui generis eine Nebenstrafe darstelle.

"Die Bestimmung des § 138 Abs 1 lita WRG im Zusammenhang mit der Wortfolge 'von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten'" widerspreche damit der Verfassungsbestimmung des Art 6 EMRK, "weil letztlich über die Maßnahmen im Sinne des § 138 Abs 1 lita WRG im Sinne des Art 6 MRK ein unabhängiges Tribunal zu entscheiden hätte und nicht eine abhängige Verwaltungsbehörde".

3. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft beantragte in seiner Gegenschrift, die Beschwerde abzuweisen.

Die belangte Behörde habe ihren Bescheid "ausdrücklich nicht auf § 138 Abs 4 WRG 1959 gestützt, die Beschwerdeführer somit nicht als subsidiär haftende Grundeigentümer herangezogen, sondern als diejenigen, die eine Neuerung im Sinne des § 138 Abs 1 WRG 1959 zu verantworten haben. Trotz der durch die WRG-Novelle 1990 eingeführten Bestimmung des § 138 Abs 4 WRG 1959 kann ein Liegenschaftseigentümer unter Heranziehung des § 138 Abs 1 WRG 1959 zur Beseitigung einer Neuerung dann verhalten werden, wenn er selbst diese Neuerung setzt." Diese Neuerung bestehe im gegenständlichen Fall in der Beibehaltung des durch Baggerungen geschaffenen Zustandes und den damit verbundenen Einwirkungen auf das Grundwasser.

Die Tatsache, daß der vormalige Betreiber der Schottergrube weder von der Gewerbe- noch von der Wasserrechtsbehörde in Pflicht genommen worden sei, sei von der belangten Behörde nicht zu berücksichtigen gewesen und könne auch nicht als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gesehen werden, "da die Bestimmung des § 138 Abs 1 WRG 1959 eine kumulative Heranziehung nicht ausschließt, andererseits aber auch nicht erfordert".

Ein wasserpolizeilicher Auftrag zur Beseitigung einer Neuerung sei "nicht als Strafe zu sehen, da er kein Verschulden voraussetzt". Ein derartiger Auftrag sei auch "nicht jedenfalls möglich, sondern nur, wenn öffentliches Interesse (§105 WRG 1959) dies erfordert". Ein Vergleich mit einer Strafe müsse auch deshalb fehlgehen, "da Ziel des § 138 Abs 1 WRG 1959 lediglich die Herstellung des dem Gesetz entsprechenden Zustandes" sei. Dabei handle es sich keinesfalls um die Würdigung deliktischen Verhaltens. Die mit der Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes allenfalls verbundenen hohen Kosten seien kein Argument.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 138 Abs 1 WRG 1959 lautet:

"(1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

... ."

Der durch die WRG-Novelle 1990, BGBl. 252/1990, an § 138 WRG 1959 angefügte Abs 4 lautet:

"(4) Wenn das öffentliche Interesse die Beseitigung eigenmächtig vorgenommener Neuerungen, das Nachholen unterlassener Arbeiten oder die Sicherung von Ablagerungen oder Bodenverunreinigungen verlangt und der nach Abs 1 Verpflichtete nicht dazu verhalten oder zum Kostenersatz herangezogen werden kann, dann kann an seiner Stelle dem Liegenschaftseigentümer der Auftrag erteilt oder der Kostenersatz auferlegt werden, wenn er die eigenmächtige Neuerung, das Unterlassen der Arbeit oder die Bodenverunreinigung ausdrücklich gestattet hat oder wenn er der Ablagerung zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Dies gilt bei Ablagerungen auch für Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers, wenn sie von der Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mußten.

§31 Abs 6 findet in allen Fällen dieses Absatzes sinngemäß Anwendung. § 16 Abs 4 Forstgesetz 1975 bleibt unberührt."

Mit Rücksicht auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides am , sohin nach dem , hatte die belangte Behörde das WRG 1959 bereits idF der WRG-Novelle 1990 anzuwenden (ArtIV Abs 1 WRG-Novelle 1990).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur (/0244, 0245; , 84/07/0181; , 89/07/0055; ua.) die Auffassung vertreten, daß § 138 Abs 1 lita WRG 1959 einen wasserpolizeilichen Auftrag nicht nur gegenüber demjenigen rechtfertigt, der eine der wasserrechtlichen Bewilligung bedürftige punktuelle Maßnahme setzt, sondern auch gegenüber demjenigen, der das Fortdauern des durch die betreffende Maßnahme herbeigeführten Zustandes, also "die Aufrechterhaltung und Nutzung eines solcherart konsenslos geschaffenen Zustandes" zu verantworten hat, d.i. insbesondere der Eigentümer der Liegenschaft, auf der - von wem und wann auch immer - ein wasserrechtlich konsensloser Zustand geschaffen wurde. Auch nach Erlassung der WRG-Novelle 1990 hat der Verwaltungsgerichtshof () unter Berufung auf seine Vorjudikatur - ohne Berücksichtigung des neuen Abs 4 des § 138 WRG 1959 - ausgesprochen, daß "nicht nur die unmittelbare Herbeiführung eines wasserrechtlich bewilligungsbedürftigen Zustandes ohne diese Bewilligung eine Übertretung von Bestimmungen im Sinne des § 138 Abs 1 WRG 1959 dar(stellt), sondern auch die Aufrechterhaltung, Duldung oder Nutzung eines solcherart konsenslos geschaffenen und bestehenden Zustandes".

2. Die vom Verwaltungsgerichtshof der Vorschrift des § 138 Abs 1 lita WRG 1959 entnommene "Zustandsstörerhaftung" des Liegenschaftseigentümers ist mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz des Eigentums nur dann vereinbar, wenn der auf § 138 Abs 1 lita WRG 1959 gestützte Eingriff der Wasserrechtsbehörde in die genannten Grundrechte auch die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen beachtet, unter denen derartige Eingriffe zulässig sind.

So hat der Verfassungsgerichtshof die gesetzliche, mit einem besonderen vermögensmäßigen Aufwand verbundene Verpflichtung von Liegenschaftseigentümern zur Erhaltung von Gebäuden in VfSlg. 7759/1976 auf Grund des Gleichheitssatzes dahin verstanden, "daß die Behörde bei den unter dem Gesichtspunkt der Ortsbilderhaltung und Ortsbildgestaltung zu erlassenden Anordnungen ... verpflichtet ist, die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Durchführung solcher Anordnungen zu überprüfen". Im selben Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof ferner auch die aus dem verfassungsgesetzlichen Eigentumsschutz hergeleiteten Bedenken, wonach durch die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen "die Eigentümer von Gebäuden in Schutzzonen zu einem aktiven Handeln mit einem damit verbundenen unbeschränkten unwirtschaftlichen vermögensmäßigen Aufwand verpflichtet werden könnten", mit der Begründung verworfen, daß "die vorgesehenen Verpflichtungen nur unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit ihrer Durchführung bestehen". Auch in VfSlg. 9929/1984 hat der Verfassungsgerichtshof im besonderen öffentlichen Interesse der Altstadterhaltung gelegene Nutzungsbeschränkungen von Liegenschaftseigentümern im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz für unbedenklich erachtet, "wenn die vorgesehenen Verpflichtungen nur unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit ihrer Durchführung bestehen". In VfSlg. 11019/1986 hat der Verfassungsgerichtshof schließlich angenommen, daß die Verpflichtung zur Erhaltung eines Denkmals dem Gleichheitsgebot widersprechen würde, "wenn dem Antragsteller die Erhaltung des Denkmals wirtschaftlich nicht zumutbar wäre". Auch ein Eingriff in das Eigentumsrecht durch denkunmögliche Anwendung des Gesetzes wurde in jenem Fall verneint, weil die "wirtschaftliche Zumutbarkeit der Erhaltung des Baudenkmals" jedenfalls Gegenstand des Verwaltungsverfahrens bildete.

In Übereinstimmung mit der Literatur (Aicher, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Enteignung, 9. ÖJT, 1985, 63 f; Fröhler-Oberndorfer, Positivplanung und Eigentumsrecht, 1979, 60 ff; Pernthaler, Raumordnung und Verfassung II, 1978, 320 ff; insoweit auch Korinek, ÖZW 1977, 29) ist sohin davon auszugehen, daß auch im besonderen öffentlichen Interesse gelegene Verpflichtungen, die mit einer erheblichen Vermögensbelastung verbunden sind, einem Liegenschaftseigentümer unabhängig von seinem persönlichen, die Verpflichtung auslösenden Verhalten nur auferlegt werden dürfen, wenn ihm dies unter Bedachtnahme auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wirtschaftlich zumutbar ist (vgl. dazu auch Art 1 I. ZPEMRK sowie EGMR, Urteil vom , "Sporrong u. Lönnroth", EuGRZ 1983, 523 ff (Z66 ff); Frowein-Peukert, EMRK-Kommentar, 1985, 271 ff).

Auch unter Berücksichtigung der im öffentlichen Interesse verfassungsrechtlich zugelassenen und gesetzlich vorgesehenen Schranken des (Liegenschafts-)Eigentums dürfen daher von Verfassungs wegen dem Eigentümer von hoher Hand keine Lasten auferlegt werden, die ihn mit Rücksicht auf ihre Schwere einerseits und seinem aus dem Eigentum gezogenen Nutzen andererseits unverhältnismäßig treffen und ihm daher wirtschaftlich nicht zumutbar sind.

3. Die in verfassungskonformer Auslegung dem § 138 Abs 1 WRG 1959 bereits vor der WRG-Novelle 1990 immanente Voraussetzung der Zumutbarkeit wasserpolizeilicher Aufträge an den Grundeigentümer bei eigenmächtig von Dritten ohne wasserrechtliche Bewilligung vorgenommenen Neuerungen wurde im Wege der WRG-Novelle 1990 durch Anfügung des Abs 4 an § 138 WRG 1959 für bestimmte Fälle entsprechend konkretisiert. Wie den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1152 BlgNR 17. GP, 35 in Verbindung mit 27) zu entnehmen ist, entspricht die Regelung der Haftung des Grundeigentümers nach § 138 Abs 4 WRG 1959 jener des ebenfalls durch die WRG-Novelle 1990 eingefügten § 31 Abs 4 WRG 1959.

Im Einklang mit den Erläuterungen zur Regierungsvorlage sowie der zu § 138 WRG 1959 idF der WRG-Novelle 1990 ergangenen Literatur (Hauer, Die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Eigentümers belasteter Liegenschaften im Umweltrecht, 1992, 27 f; Rossmann, Wasserrechtsgesetz 1959, 1990, 306; Schmelz, Wasserrecht: Ende der unbeschränkten "Zustandsstörerhaftung"?, ecolex 1992, 603) ist sohin eine vermögensmäßige Belastung eines Grundeigentümers durch einen wasserpolizeilichen Auftrag nach § 138 WRG 1959 verfassungsrechtlich aus Gründen des Gleichheitssatzes und des Eigentumsschutzes schon wegen des diesem immanenten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur zulässig, wenn er wirtschaftlich dem Eigentümer zugemutet werden kann: Der Auftrag gegenüber dem Grundeigentümer setzt nicht nur ein entsprechendes öffentliches Interesse an der Beseitigung der eigenmächtig vorgenommenen Neuerungen voraus; er ist gemäß § 138 Abs 4 WRG 1959 zusätzlich zur mangelnden Belangbarkeit des Verursachers des rechtswidrigen Zustandes dem Liegenschaftseigentümer gegenüber nur zumutbar, wenn dieser "die eigenmächtige Neuerung, das Unterlassen der Arbeit oder die Bodenverunreinigung ausdrücklich gestattet hat oder wenn er der Ablagerung zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat".

4. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums wird unter anderem dann durch den Eingriff einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn diese ein an sich verfassungsmäßiges Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hat. Einer denkunmöglichen Anwendung eines Gesetzes ist gleichzuhalten, wenn die Anwendung auf einer verfassungswidrigen Auslegung des Gesetzes beruht, also insbesondere dann, wenn die Behörde dem angewendeten Gesetz einen Inhalt unterstellt, der, hätte ihn das Gesetz, dieses Gesetz - weil das Grundrecht selbst verletzend - verfassungswidrig machen würde (so zB VfSlg. 8765/1980, 10386/1985, 12100/1989 - unter Berufung auf Spielbüchler, Grundrecht und Grundrechtsformel, Festschrift Floretta, 1983, 306 f; vgl. auch VfSlg. 12098/1989 zur Erwerbsfreiheit und VfSlg. 10700/1985 sowie VfSlg. 11996/1989 zur Meinungsäußerungsfreiheit).

Die belangte Behörde vertrat sowohl bei Erlassung des angefochtenen Bescheides als auch in der vor dem Verfassungsgerichtshof erstatteten Gegenschrift die Auffassung, einen wasserpolizeilichen Auftrag an die Beschwerdeführer als Grundeigentümer lediglich gestützt auf § 138 Abs 1 lita WRG 1959 erlassen zu dürfen, ohne die Zumutbarkeit eines derartigen Auftrags gegenüber den Grundstückseigentümern gemäß dem Abs 4 des § 138 WRG 1959 prüfen zu müssen. Der Verfassungsgerichtshof kann es hier aus verfassungsrechtlicher Sicht dahingestellt sein lassen, ob gegenüber den Beschwerdeführern ein wasserpolizeilicher Auftrag ausschließlich auf Grund § 138 Abs 1 lita WRG 1959 oder unter Berücksichtigung des Abs 4 dieser Gesetzesbestimmung in Erwägung zu ziehen ist. Die Behörde hat nämlich auch § 138 Abs 1 lita WRG 1959 verfassungswidrig dahin verstanden, daß sie den Auftrag ohne Prüfung seiner wirtschaftlichen Zumutbarkeit und Adäquanz im Hinblick auf die vom öffentlichen Interesse zweifellos geforderte Beseitigung des konsenslosen Zustands erteilte. Sie hat damit dem Gesetz einen denkunmöglichen, weil verfassungswidrigerweise dem Schutz des Eigentums widersprechenden Inhalt unterstellt. Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Beschwerdeführer sohin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt. Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-

enthalten.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.