OGH vom 25.01.2019, 8Nc24/18y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Schwechat anhängig gewesenen Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Heinke Skribe + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei D*****, Deutschland, wegen 600 EUR sA, über den Antrag der klagenden Partei auf Ordination gemäß § 29 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag, das Bezirksgericht für Handelssachen Wien als für die Rechtssache örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller begehrte als Kläger vor dem Bezirksgericht Schwechat vom beklagten Flugunternehmen mit Sitz in den USA eine Ausgleichszahlung nach der VO (EG) Nr 261/2004 (Fluggastrechte-VO). Er habe einen von der Beklagten ausgeführten Flug am von WienSchwechat via Prag nach New York gebucht. Der Anschlussflug sei verspätet gewesen, sodass er sein Endziel mit mehr als dreistündiger Verspätung erreicht habe. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichts Schwechat ergebe sich aus dem vereinbarten Abflugsort als Erfüllungsort. Eine Rechtsverfolgung im Sitzstaat der Beklagten sei nicht möglich bzw zumutbar, weshalb für den Fall, dass das angerufene Gericht seine örtliche Zuständigkeit verneinen sollte, die Ordination der Rechtssache gemäß § 28 JN an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien beantragt werde.
Das angerufene Gericht wies die Klage mit Beschluss vom mangels örtlicher und internationaler Zuständigkeit a limine zurück. Der Kläger habe die Zuständigkeitsvoraussetzung der Vereinbarung eines Erfüllungsorts nicht bescheinigt, weil die Beklagte auf dem vorgelegten Bestellschein des Reisebüros nicht aufscheine.
Nach Rechtskraft dieses unbekämpft gebliebenen Beschlusses legte das Bezirksgericht Schwechat den Eventualantrag auf Ordination dem Obersten Gerichtshof vor.
Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Die bereits erfolgte Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit steht dem Ordinationsantrag nicht grundsätzlich entgegen, weil im Fall seiner Stattgebung die Klage neu beim ordinierten Gericht einzubringen wäre (5 Nc 25/16w; 2 Ob 32/08g; vgl aber: RIS-Justiz RS0128796 = 7 Ob 11/13p).
2. Eine Ordination durch den Obersten Gerichtshof hat dann zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinne dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind (RIS-Justiz RS0108569).
Der Antragsteller hat sich in seiner Klage auf die Vereinbarung der Streitteile über den Erfüllungsort WienSchwechat berufen. Nicht behauptet hat er, dass die Beklagte nur als ausführendes Luftfahrtunternehmen iSd Art 2 lit b Fluggastrechte-VO den verspäteten Flug per CodeSharing im Namen eines anderen Vertragspartners des Klägers durchgeführt hat, wenngleich der im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren vorgelegte Bestellschein, in dem nur andere Flugunternehmen aufscheinen, dies nahelegen würde.
3. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art 7 Nr 1 lit a der VO (EU) Nr 1215/2012 (EuGVVO neu) würde auch eine von Fluggästen auf der Grundlage der Fluggastrechte-VO erhobene Klage auf Ausgleichszahlung gegen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das nicht Vertragspartner des betroffenen Fluggasts ist, umfassen (EuGH Rs C274/16, C447/16 und C448/16, flightright Gmbh, Rz 65). Auf diesen Gerichtsstand kann sich der Kläger aber hier deswegen nicht berufen, weil die Beklagte nach seinem Vorbringen ihren ausschließlichen (Wohn)Sitz iSd Art 63 Nr 1 EuGVVO in einem Drittstaat hat (vgl EuGH C274/16, C447/16 und C448/16, flightright GmbH).
Nach Art 6 Nr 2 EuGVVO gelten in diesem Fall die Zuständigkeitsvorschriften nach dem nationalen Verfahrensrecht des Wohnsitzstaats des Klägers.
4. Die österreichische inländische Gerichtsbarkeit besteht nach § 27a Abs 1 JN für eine bürgerliche Rechtssache im Regelfall ohne weitere Voraussetzungen dann, wenn die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts gegeben sind. Umgekehrt wäre das Fehlen eines örtlichen Zuständigkeitstatbestands in den Normen des inländischen Zivilprozessrechts ein Indiz dafür, dass die betreffende Rechtssache nach dem Willen des Gesetzgebers nicht der österreichischen Jurisdiktion unterworfen werden sollte (RISJustiz RS0045463).
Es ist daher zu prüfen, ob für den Anspruch des Klägers auch nach den innerstaatlichen Zivilprozessgesetzen ein Wahlgerichtsstand in Österreich besteht.
Für die Qualifikation der Klagsforderung als Anspruch aus der Schlechterfüllung eines Beförderungsvertrags spielt es keine entscheidende Rolle, ob die Streitteile in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zueinander gestanden haben; es würde sich an der Rechtsnatur der Forderung auch dann nichts ändern, wenn die Beklagte nur als – nach der Fluggastrechte-VO ausnahmsweise unmittelbar haftende – Erfüllungsgehilfin des Luftfahrtunternehmens in Anspruch genommen wird, bei dem der Kläger gebucht hatte.
5. Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Vertrags, auf Erfüllung oder Aufhebung desselben sowie auf Entschädigung wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung können nach § 88 JN bei dem Gericht des Orts erhoben werden, an dem der Vertrag nach urkundlich nachgewiesener Übereinkunft der Parteien vom Beklagten zu erfüllen ist.
Diese Voraussetzung ist hier aber nach den Klagsangaben, von denen im Rahmen der Ordinationsprüfung auszugehen ist (mag auch im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Bescheinigung ungenügend geblieben sein), erfüllt. Wenn der Antragsteller – wie er behauptet – imstande ist, den Abschluss eines der Forderung zugrundeliegenden Beförderungsvertrags mit dem Abflugort Wien-Schwechat urkundlich nachzuweisen, dann war dieser Ort nach dem anzuwendenden Schuldvertragsrecht (vgl auch Art 5 Nr 2 Rom IVO) der (ein) Ort, an dem das Flugunternehmen zu leisten hatte und damit Erfüllungsort iSd § 88 Abs 1 JN (RISJustiz RS0017635), der den Gerichtsstand nach § 88 Abs 1 JN eröffnet.
Das Antragsvorbringen begründet daher im Ergebnis keinen Anwendungsfall für eine Ordination nach § 28 JN (RIS-Justiz RS0118239).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0080NC00024.18Y.0125.000 |
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