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VfGH vom 20.09.2011, B1622/10

VfGH vom 20.09.2011, B1622/10

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Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Die Universität Wien ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Die Beschwerdeführerin ist als Nostrifikationswerberin außerordentliche Studierende an der Universität Wien. Ihr Antrag auf Erlass des Studienbeitrages für das Sommersemester 2010 wegen Berufstätigkeit wurde von der Vizerektorin für Studierende und Weiterbildung der Universität Wien mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Erlass von Studienbeiträgen nur für ordentliche Studierende zur Anwendung komme. Dieser Bescheid wurde von der Rechtsmittelkommission des Senates der Universität bestätigt. In der dagegen erhobenen, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen Verordnung und die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G10/11, V6/11, § 91 Abs 1 bis 3 und 8 UG, BGBl. I 120/2002 idF BGBl. I 134/2008, als verfassungs- und § 2 Abs 3 StubeiV 2004, BGBl. II 55 idF BGBl. II 3/2009, als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass § 91 Abs 4 bis 6 UG, BGBl. I 120/2002 idF BGBl. I 134/2008, verfassungswidrig war.

2.2. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988). Im - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. 2.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (VfSlg. 17.687/2005).

2.3. Die nichtöffentliche Beratung im zu G10/11, V6/11 protokollierten Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren begann am . Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides § 91 Abs 1 UG idF BGBl. I 134/2008, sohin die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung, und § 2 Abs 3 StubeiV 2004 idF BGBl. II 3/2009, sohin die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnungsbestimmung, an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzes- und Verordnungsanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Die Beschwerdeführerin wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG abgesehen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten. Die Verpflichtung der Universität Wien zum Ersatz der Prozesskosten ergibt sich aus den §§4 und 5 UG (vgl. mwN).