TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 20.02.2014, B1614/2013

VfGH vom 20.02.2014, B1614/2013

Leitsatz

Zuständigkeit des Disziplinarrates der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zur Bestrafung des Beschwerdeführers wegen des Berufsvergehens der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Am langte beim Disziplinarrat der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (KWT) eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer ein, in der er bezichtigt wurde, seine Verschwiegenheitspflicht gemäß § 91 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz – WTBG, BGBl I 58/1999, idF BGBl I 39/2010, verletzt zu haben, indem er am vor Beginn einer Zivilverhandlung beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien zu seinem ehemaligen Klienten und nunmehrigen Prozessgegner gesagt habe: "Ich wundere mich, dass Sie immer noch frei herumlaufen und nicht wegen eines Finanzstrafdeliktes bereits eingesperrt sind!" Der Disziplinarrat leitete daraufhin am gemäß § 132 Abs 2 WTBG ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Verdachts des Berufsvergehens nach § 120 Z 25 WTBG iVm § 1 der Richtlinie des Vorstandes der Kammer der Wirtschaftstreuhänder über die Ausübung der Wirtschaftstreuhandberufe – WT-ARL 2003, ABI-KWT Sondernummer 2/2003 in der Fassung ABl-KWT 2/2005, ABl-KWT 2/2008, ABl-KWT 1/2010 und ABl-KWT Sondernummer I/2011, ein.

2. Mit Beschluss vom erklärte sich der Disziplinarrat zur Entscheidung über das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Berufsvergehen nach § 120 Z 25 WTBG iVm § 1 WT-ARL 2003 für unzuständig. Begründend führte der Disziplinarrat im Wesentlichen aus, dass als Vorfrage zu klären sei, ob eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung gemäß § 116 Abs 1 Z 3 WTBG oder vom Disziplinarrat der KWT oder von beiden Behörden bestraft werden dürfe. Aus dem in Art 4 des 7. ZPEMRK normierten Verbot der Doppelbestrafung sei abzuleiten, dass ein Verfahren wegen ein und derselben Tat – möge diese auch einmal als Verwaltungsübertretung und einmal als Berufsvergehen bezeichnet sein – nur von einem Gericht (einer Behörde) durchgeführt werden dürfe. Eine verfassungskonforme Auslegung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes im Sinne einer alleinigen Zuständigkeit für die Bestrafung eines Verstoßes gegen die berufliche Verschwiegenheitspflicht ergebe, dass die berufliche Verschwiegenheitspflicht in § 91 WTBG umfassend geregelt und ein Verstoß gemäß § 116 Abs 1 Z 3 WTBG von den Bezirksverwaltungsbehörden zu ahnden sei. In § 120 WTBG sei die Verschwiegenheitspflicht lediglich durch die Erwähnung der allgemeinen Grundsätze des § 1 WT-ARL 2003 enthalten, ein Verstoß gegen § 91 WTBG bilde keinen eigenen Tatbestand im Katalog der Berufsvergehen. Durch die WT-ARL 2003 könne auch keine konkurrierende Zuständigkeit der Disziplinarbehörde geschaffen werden. Damit fehle es an der Zuständigkeit des Disziplinarrates.

3. Der dagegen durch den Kammeranwalt erhobenen Berufung gab der Disziplinarobersenat mit Beschluss vom statt und verwies die Sache an den Disziplinarrat zur Verhandlung und Entscheidung laut Verweisungsbeschluss zurück. In seiner Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass durch die Aufzählung bestimmter Verhaltensweisen in der WT-ARL 2003 iVm § 120 Z 25 WTBG diese Verhaltensweisen zulässigerweise einer gesonderten disziplinären Verfolgung unterworfen würden, unabhängig von einer möglichen parallelen Ahndung als Verwaltungsübertretung. Selbst im Falle einer Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretung nach § 116 Abs 1 Z 3 WTBG könne im Disziplinarverfahren ein Schuldspruch erfolgen, ohne dass ein Verstoß gegen Art 4 des 7. ZPEMRK vorliege. Der Disziplinarrat habe daher zu Unrecht seine Zuständigkeit verneint.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG sowie im durch Art 4 des 7. ZPEMRK garantierten Recht, wegen derselben strafbaren Handlung nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Begründend führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass die Verschwiegenheitspflicht umfassend in § 91 WTBG geregelt werde und gemäß § 116 Abs 1 Z 3 WTBG ein Verstoß gegen diese Verschwiegenheitspflicht eine Verwaltungsübertretung darstelle, die von den Bezirksverwaltungsbehörden zu ahnden sei. Die Verschwiegenheitspflicht sei in der WT-ARL 2003 hingegen nicht geregelt und stelle daher auch keinen Tatbestand im Katalog der Berufsvergehen nach § 120 WTBG dar. Die WT-ARL 2003 könne gar keine – gegenüber § 116 WTBG – konkurrierende Zuständigkeit schaffen, weil sie als Verordnung unter dem Gesetz stehe. Überdies dürfe der Disziplinarbehörde nicht die Entscheidung überlassen werden, ob sie einen Verstoß gegen § 91 WTBG selbst prüfe oder dies der Verwaltungsbehörde überlasse, weil sie damit im Ergebnis entscheiden würde, wer gesetzlicher Richter für die Prüfung eines standesrechtlichen Vorwurfes sei. Die Zuständigkeit nach § 116 Abs 1 Z 3 WTBG komme der Bezirksverwaltungsbehörde zu, die Disziplinarbehörde habe daher eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen.

Ein Verfahren wegen ein und derselben Tat könne nur von einem Gericht bzw. einer Behörde durchgeführt werden, weswegen die Auffassung des Disziplinaroberrates überdies auch gegen das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK verstoße.

Seiner Beschwerde legte der Beschwerdeführer außerdem den an den Disziplinarrat gestellten Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung gemäß § 45 Abs 1 Z 2 iVm § 31 Abs 3 VStG iVm § 144 Z 2 WTBG bei. Das ihm zur Last gelegte Verhalten sei am gesetzt und innerhalb von drei Jahren kein Straferkenntnis gegen ihn erlassen worden.

5. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, BGBl I 58/1999, in der Fassung BGBl I 39/2010, lauten:

"Ausübungsrichtlinie

§83. (1) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat eine Richtlinie für die Ausübung der Wirtschaftstreuhandberufe zu erlassen.

(2) Diese Richtlinie hat insbesondere zu regeln:

1. das standesgemäße Verhalten im Geschäftsverkehr mit Auftraggebern,

2. das standesgemäße Verhalten gegenüber anderen Berufsberechtigten, Berufsanwärtern und Personen anderer Berufe, die durch die Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes berührt werden,

3. die Kontrolle der sonstigen Pflichten von Berufsberechtigten und

4. angemessene Vorkehrungen zum Schutz der Berufsberechtigten von einer Ausnutzung durch die organisierte Kriminalität und einer Verwicklung in diese.

(3) Diese Richtlinie ist im Amtsblatt der Kammer der Wirtschaftstreuhänder und im Internet auf der Homepage der Kammer der Wirtschaftstreuhänder kundzumachen. Die im Internet kundgemachten Inhalte müssen jederzeit ohne Identitätsnachweis und gebührenfrei zugänglich sein und in ihrer kundgemachten Form vollständig und auf Dauer ermittelt werden können.

[…]

Verschwiegenheitspflicht

§91. (1) Berufsberechtigte sind zur Verschwiegenheit über die ihnen anvertrauten Angelegenheiten verpflichtet. Für diese Verschwiegenheitspflicht ist es ohne Bedeutung, ob die Kenntnis dieser Umstände und Tatsachen auch anderen Personen zugänglich ist oder nicht.

(2) Die Verschwiegenheitspflicht der Berufsberechtigten erstreckt sich auch auf persönliche Umstände und Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen bei Durchführung erteilter Aufträge oder im Zuge eines behördlichen, nicht öffentlichen Verfahrens in Ausübung ihres Berufes als solche bekanntgeworden sind.

(3) Inwieweit ein Berufsberechtigter in Ansehung dessen, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist, von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses, zur Einsichtgewährung in Geschäftspapiere oder zur Erteilung von Auskünften im Verwaltungs-, Abgaben-, Zivil- und Strafverfahren befreit ist, bestimmen die Verwaltungs- und Abgabenverfahrensgesetze sowie die Zivil- und Strafprozeßordnung, jedoch mit der Maßgabe, daß im Abgabenverfahren vor den Finanzbehörden einem Berufsberechtigten die gleichen Rechte wie einem Rechtsanwalt zustehen.

(4) Die Verschwiegenheitspflicht entfällt, wenn und insoweit

1. Melde- und Auskunftspflichten im Rahmen der Bestimmungen der Richtlinie 2005/60/EG zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, ABl. Nr L 309 vom S. 15, und den damit im Zusammenhang erlassenen Umsetzungsmaßnahmen bestehen oder

2. der Auftraggeber den Berufsberechtigten ausdrücklich von dieser Pflicht entbunden hat oder

3. Melde- und Auskunftspflichten im Rahmen der Qualitätsprüfungen auf Grund des Bundesgesetzes über die Qualitätssicherung, BGBl I Nr 84/2005, bei Abschlussprüfungen bestehen.

(5) Die Bestimmungen der Abs 1 bis 4 gelten sinngemäß für die Erfüllungsgehilfen der Berufsberechtigten, Gesellschafter, Aufsichtsräte, Prokuristen und Berufsanwärter.

[…]

Verwaltungsübertretungen

Strafbestimmungen

§116. Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine mit einer Geldstrafe von 400 Euro bis zu 14 000 Euro zu bestrafende Verwaltungsübertretung, wer

1. ohne Berufsberechtigter oder berechtigter Dienstleister gemäß § 231 Abs 1 und 2 zu sein einen Wirtschaftstreuhandberuf selbständig ausübt oder eine der in §§3 und 5 angeführten Tätigkeiten anbietet, ohne die erforderliche Berechtigung zu besitzen, oder

2. eine Berufsbezeichnung gemäß den §§67 oder 84 unberechtigt verwendet oder

3. der Verpflichtung zur Verschwiegenheit gemäß § 91, ohne davon entbunden zu sein, zuwiderhandelt oder

4. der Verpflichtung zur Führung der Berufsbezeichnung gemäß § 231 Abs 3 zuwiderhandelt oder

5. den Informationspflichten gemäß § 231 Abs 4 nicht oder nicht vollständig nachkommt.

[…]

Berufsvergehen

§120. Ein Berufsvergehen begeht, wer

1. eine Zweigstelle errichtet, ohne daß die Voraussetzung des § 85 Abs 2 erfüllt ist, oder

2. eine Zweigstelle errichtet, ohne dies der Kammer der Wirtschaftstreuhänder unverzüglich zu melden, oder

3. eine Zweigstelle trotz rechtskräftiger Untersagung errichtet oder

4. wirtschaftstreuhänderische Tätigkeiten in einer Zweigstelle trotz rechtskräftiger Untersagung ausübt oder

5. der Hinweispflicht gemäß § 86 Abs 2 nicht entspricht oder

6. seiner Verpflichtung gemäß § 87 Abs 1 nicht nachkommt oder

7. seinen Verpflichtungen gemäß § 88 Abs 1 oder Abs 2 oder Abs 3 oder Abs 6 oder Abs 7 nicht nachkommt oder

8. sich im beruflichen Verkehr fälschlich auf eine ihm erteilte Bevollmächtigung oder auf einen ihm erteilten Auftrag beruft oder

9. einen Werkvertrag abschließt, der eine berufliche Zusammenarbeit mit einem Nichtberufsberechtigten vorsieht, um die Bestimmungen des 1. Teiles, 3. Hauptstück, 2. Abschnitt, und der für Gesellschaften normierten besonderen Verpflichtungen zu mißachten, oder

10. eine andere selbständige oder unselbständige Tätigkeit ausübt, die auf Provisionsbasis beruht oder seine Unabhängigkeit gefährdet, oder

11. eine andere selbständige oder unselbständige Tätigkeit ausübt, ohne dies der Kammer der Wirtschaftstreuhänder unverzüglich anzuzeigen, oder

12. eine andere selbständige oder unselbständige Tätigkeit trotz rechtskräftiger Untersagung ausübt oder

13. die Bestellung eines Stellvertreters gemäß § 92 Abs 2 oder § 93 Abs 2 der Kammer der Wirtschaftstreuhänder nicht oder nicht unverzüglich bekanntgibt oder

14. bei voraussichtlich länger dauernder Verhinderung keinen Stellvertreter bestellt oder

15. seine Pflichten als Kanzleikurator verletzt oder

16. entgegen der Bestimmung des § 93 Abs 9 einen Wirtschaftstreuhandberuf ausübt oder

17. die Verpflichtung gemäß § 94 Abs 2 verletzt oder

18. Aufträge unter Provisionsvorbehalt annimmt oder unter Provisionsvorbehalt weitergibt oder Provisionen gewährt oder

19. den Eintritt oder die Beendigung des Ruhens seiner Berufsberechtigung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder nicht oder nicht unverzüglich anzeigt oder

20. trotz der Anzeige des Ruhens gemäß § 97 oder trotz des Eintritts des Ruhens gemäß § 68 Abs 10 wirtschaftstreuhänderische Tätigkeiten selbständig ausübt oder

21. einen Wirtschaftstreuhandberuf entgegen der Bestimmung des § 97 Abs 4 ausübt oder

22. die Meldepflicht gemäß § 98 verletzt oder

23. bei Suspendierung gemäß § 99 seiner Pflicht, einen Stellvertreter zu bestellen, nicht nachkommt oder

24. seine Pflichten als Liquidator verletzt oder

25. eine in der Ausübungsrichtlinie gemäß § 83 normierte Pflicht verletzt oder

26. als ein dem Qualitätskontrollsystem unterliegender Berufsberechtigter angeordnete Maßnahmen nicht befolgt oder die erteilte Bescheinigung im Falle des Widerrufs nicht zurückstellt oder Pflichtprüfungen ohne aufrechter Bescheinigung durchführt oder

27. eine der in den §§3 und 5 angeführten Tätigkeiten anbietet oder ausübt, ohne die erforderliche Berufsberechtigung zu besitzen.

Disziplinarverfahren

Disziplinarrat - Disziplinaroberrat

§121. Die Bestrafung der in § 120 aufgezählten Berufsvergehen hat in erster Instanz durch den Disziplinarrat, in zweiter Instanz durch den Disziplinaroberrat der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zu erfolgen."

Der im vorliegenden Fall maßgebliche § 1 der Richtlinie des Vorstandes der Kammer der Wirtschaftstreuhänder über die Ausübung der Wirtschaftstreuhandberufe 2003, ABI-KWT Sondernummer 2/2003 in der Fassung ABl-KWT 2/2005, ABl-KWT 2/2008, ABl-KWT 1/2010 und ABl-KWT Sondernummer I/2011, lautet:

"Allgemeines

§1. Berufsberechtigte sind verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft, sorgfältig, eigenverantwortlich, unabhängig und verschwiegen auszuüben."

III. Erwägungen

Die in der – zulässigen – Beschwerde vorgebrachten Bedenken ob der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte erweisen sich aus folgenden Gründen als nicht stichhaltig:

1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht eine ihr nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen, weil es sich bei dem ihm vorgeworfenen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht um einen Verwaltungsstraftatbestand handle, für den gemäß § 116 Abs 1 Z 3 WTBG die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig sei.

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

Die Zuständigkeit des Disziplinarrates der KWT zur Bestrafung wegen eines Berufsvergehens ergibt sich aus § 121 WTBG, BGBl I 58/1999 idF vor der Novelle BGBl I 121/2013. Welches Verhalten ein Berufsvergehen darstellt, wird in § 120 WTBG näher definiert. Der Verweis auf "in der Ausübungsrichtlinie gemäß § 83 normierte Pflicht[en]" in § 120 Z 25 WTBG ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. etwa VfSlg 12.947/1991, 14.319/1995, 17.479/2005). Dem Gesetz lässt sich somit eindeutig die Zuständigkeit des Disziplinarrates der KWT für die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen des ihm vorgeworfenen Berufsvergehens entnehmen; eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter kann nicht erkannt werden.

2. Darüber hinaus bestehen auch unter dem Blickpunkt von Art 4 des 7. ZPEMRK keine Bedenken dagegen, dass eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht allenfalls eine verwaltungsstrafbehördliche Verfolgung und eine Bestrafung als Berufsvergehen durch den Disziplinarrat der KWT nach sich zieht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besteht nämlich ein legitimes Interesse der Standesgemeinschaft, sich im Falle gerichtlicher Verurteilungen, denen Verhaltensweisen des Betroffenen zugrunde liegen, "von denen regelmäßig auch eine Gefährdung des Ansehens des Standes oder der ordnungsgemäßen Erfüllung bestimmter standesspezifischer Berufspflichten ausgeht, sich in Wahrnehmung des sogenannten 'disziplinären Überhangs' disziplinarrechtliche Reaktionen vorzubehalten" (vgl. ua. VfSlg 15.543/1999, 15.586/1999, 15.847/2000 und 15. 867/2000).

3. Im Übrigen kommt im Beschwerdefall eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes schon deshalb nicht in Betracht, weil – wie sich dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt – eine verwaltungsstrafbehördliche Verfolgung des Beschwerdeführers wegen der ihm vorgeworfenen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht neben der disziplinarrechtlichen Verfolgung nicht stattgefunden hat.

4. Über die Frage der vom Beschwerdeführer geltend gemachten und erst nach der Erlassung des angefochtenen Bescheids eingetretenen Verjährung der Tat gemäß § 31 VStG iVm § 144 WTBG hat die zuständige Verwaltungsbehörde zu entscheiden.

IV. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes oder einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt wurde.

2. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie im vorliegenden Fall – gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG in der bis zum geltenden Fassung richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.