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OGH vom 12.04.2012, 10ObS14/12z

OGH vom 12.04.2012, 10ObS14/12z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Susanne Jonak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Mag. Edwin Stangl und Mag. Wolfgang Ferstl, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist Straße 1, wegen Feststellung von Versicherungszeiten, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 10/11y 10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 4 Cgs 169/10b 6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin besuchte vom bis die Maturaschule Dr. Roland GmbH. Aufgrund ihres Antrags vom (Stück 32 im Versicherungsakt) stellte die beklagte Partei mit Bescheid vom fest, dass für die Klägerin bis zum Feststellungszeitpunkt 419 Versicherungsmonate vorliegen. Die an der Maturaschule Dr. Roland GmbH im Zeitraum bis zurückgelegten Schulzeiten erkannte die beklagte Partei nicht als Ersatzzeiten iSd § 227 Abs 1 Z 1 ASVG an. Als Begründung wird in dem Bescheid ausgeführt, dass der Besuch einer Maturaschule mangels gesetzlicher Bestimmungen nicht als Schulzeit gemäß § 227 ASVG anerkannt werden könne.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Klage der Klägerin mit dem Begehren auf Feststellung der Zeiten des Besuchs der Maturaschule als Ersatzzeiten.

Das Erstgericht stellte die von der Klägerin erworbenen Versicherungszeiten im Ausmaß von 431 Versicherungsmonaten fest. Rechtlich ging es davon aus, dass für den Besuch der Maturaschule weitere 12 Ersatzmonate und zwar hinsichtlich des Zeitraums von Oktober 1976 bis Oktober 1977 anzuerkennen seien. Das Erstgericht traf zusammengefasst folgende Feststellungen:

Die am geborene Klägerin hat in den Schuljahren 1971/1972 sowie 1972/1973 eine zweijährige Hauswirtschaftsschule erfolgreich abgeschlossen. Vom September 1973 bis September 1976 war sie als Angestellte erwerbstätig. Während des Besuchs der Maturaschule Dr. Roland GmbH vom bis bereitete sie sich auf die Ablegung der Externisten Reifeprüfung vor. Der Unterricht umfasste sämtliche Lehrgegenstände nach dem Lehrplan des naturwissenschaftlichen Realgymnasiums (ohne darstellende Geometrie). Der Unterricht fand während vier bis fünf Stunden vormittags von Montag bis Freitag statt; die Hauptgegenstände wurden über den gesamten Zeitraum hin unterrichtet. Der Unterricht in den Nebenfächern erfolgte in modularer Weise und wurde in Form einer externen Vorprüfung abgeschlossen. Am legte die Klägerin die Reifeprüfung beim Stadtschulrat Wien als Externistin erfolgreich ab.

Die Maturaschule Dr. Roland GmbH besitzt kein Öffentlichkeitsrecht.

Das Erstgericht vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, die Zeiten des Besuchs der Maturaschule seien als Ersatzzeiten iSd § 227 Abs 1 Z 1 ASVG (Besuch einer mittleren Schule) zu qualifizieren. Da von vollen Schuljahren auszugehen sei, seien für den Besuch der Maturaschule maximal 24 Ersatzmonate zu veranschlagen. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin im Rahmen der Hauswirtschaftsschule bereits zehn Monate an Versicherungszeiten erworben habe und sich zwei Monate der durch die pflichtversicherte Tätigkeit erworbenen Beitragszeiten mit Ersatzzeiten aufgrund des Schulbesuchs deckten. Für den Besuch der Maturaschule seien der Klägerin daher weitere zwölf Ersatzmonate (im Zeitraum von 10/1976 bis 10/1977) zuzubilligen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es in Wiederholung des durch die Klage außer getretenen Bescheids die von der Klägerin erworbenen Versicherungszeiten im Ausmaß von 419 Versicherungsmonaten feststellte. Das Mehrbegehren auf Feststellung, die klagende Partei habe aufgrund des Besuchs der Maturaschule Dr. Roland GmbH vom bis Ersatzmonate iSd § 227 Abs 1 Z 1 ASVG erworben, wurde abgewiesen. Rechtlich ging das Berufungsgericht mit ausführlicher Begründung zusammengefasst davon aus, im Hinblick darauf, dass die Klägerin für die Zeiten ihres Besuchs der Maturaschule keine Zahlungen nach § 227 Abs 3 und 4 ASVG geleistet habe, stelle sich obwohl dies in der Berufung nicht mehr releviert worden sei zunächst die Frage, ob eine Feststellung dieser Zeiten als Ersatzzeiten (überhaupt) möglich sei. Dies sei zu bejahen, weil die begehrten Ersatzzeiten auch ohne nachträgliche Beitragsentrichtung jedenfalls für Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes anspruchswirksam seien. Außerdem habe die Zahlung von Beiträgen nach § 227 Abs 3 und 4 ASVG zweckmäßiger Weise erst dann zu erfolgen, wenn klargestellt sei, ob die diesen Zahlungen zugrunde liegenden Schulzeiten als Ersatzzeiten iSd § 227 Abs 1 Z 1 ASVG zu qualifizieren seien. Es sei daher inhaltlich zu prüfen, ob die Schulbesuchszeiten die in § 227 Abs 1 Z 1 ASVG genannten besonderen Qualifikationen aufweisen. Bei der Aufzählung der in § 227 Abs 1 Z 1 ASVG genannten Schulen, deren Besuch Ersatzzeiten begründen, handle es sich um die Bezeichnung nach dem Schulorganisationsgesetz. Dieses unterscheide zwischen mittleren und höheren Schulen. Ein Realgymnasium sei eine höhere Schule im Sinne des Schulorganisationsgesetzes. Da die Klägerin in der Maturaschule auf die Ablegung der Externisten Reifeprüfung vorbereitet wurde, und der Unterricht sämtliche Lehrgegenstände nach dem Lehrplan des naturwissenschaftlichen Realgymnasiums umfasste, könnte der von der Klägerin besuchte Lehrgang nur mit einer höheren Schule gleichzustellen sein. § 227 Abs 1 Z 1 ASVG in der zum Stichtag geltenden Fassung des SVÄG 2005, der nur hinsichtlich der mittleren Schulen eine Änderung erfuhr, sei aber (weiterhin) dahin zu verstehen, dass nur Zeiten des Besuchs einer inländischen öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten höheren Schule im Sinne des Schulorganisationsgesetzes als Ersatzzeiten gelten. Ein Abstellen auf ein „vergleichbares Bildungsangebot“ wie dies bei mittleren Schulen in § 227 Abs 1 Z 1 ASVG idF des SVÄG 2005 vorgesehen sei, komme nicht in Betracht. Die Maturaschule Dr. Roland GmbH sei zwar eine Schule nach dem Privatschulgesetz, sei aber nicht als höhere Schule im Sinne des Schulorganisationsgesetzes anzusehen. § 227 Abs 1 Z 1 ASVG sei gemeinschaftsrechtlich unbedenklich, weil ein reiner Inlandssachverhalt vorliege. Außerdem seien die Mitgliedstaaten bei der Festlegung, unter welchen Voraussetzungen jemand einem nationalen System angehöre und somit nach den nationalen Rechtsvorschriften Versicherungszeiten entstehen, autonom.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage besteht, ob Ersatzzeiten nach § 227 Abs 1 Z 1 ASVG bei der Feststellung von Versicherungszeiten nach § 247 ASVG zu berücksichtigen sind, wenn für diese Ersatzzeiten noch keine Beiträge nach § 227 Abs 2 bis 4 ASVG entrichtet wurden; weiters stelle es eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, ob Zeiten des Besuchs einer Maturaschule als Ersatzzeiten zu gelten haben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehlt, ob die Zeiten des Besuchs der Maturaschule Ersatzzeiten iSd § 227 Abs 1 Z 1 ASVG idF des SRÄG 2009, BGBl I 2009/83, sind. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht im Wesentlichen geltend, aus dem Wortlaut des § 227 Abs 1 Z 1 ASVG lasse sich nicht ableiten, dass auf die Begriffe des Schulorganisationsgesetzes bzw auf bestimmte Teile des Privatschulgesetzes abzustellen sei. Aus den Gesetzesmaterialien zum SVÄG 2005 ergebe sich ein neuer, dem EG Recht angepasster Schul bzw Bildungseinrichtungsbegriff. Diesem zufolge sei das Öffentlichkeitsrecht einer Privatschule nicht als Voraussetzung für die sozialversicherungsrechtliche Berücksichtigung entsprechender Schulzeiten anzusehen. Es komme auf die Vergleichbarkeit des Bildungsangebots und auf die Vergleichbarkeit der durch den Besuch der jeweiligen Schule erwerbbaren Berechtigungen an und nicht auf Organisations bzw Unterrichtsformen gemäß dem Schulorganisations bzw Privatschulgesetz. Eine abweichende Behandlung von mittleren und von höheren Schulen iSd § 227 Abs 1 Z 1 ASVG sei nicht gerechtfertigt. Außerdem sei der Klägerin neben dem Besuch des Vormittagsunterrichts die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht möglich gewesen. Ebenso wie bei einer Schule mit Öffentlichkeitsrecht sei ihr Eintritt in das Erwerbsleben entsprechend hinausgeschoben worden. Die Zeiten des Maturaschulbesuchs wären daher als Ersatzmonate anzuerkennen.

Der erkennende Senat hat erwogen:

1. Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, hat die beklagte Partei ihren in erster Instanz vorgebrachten Einwand, die Ersatzmonate nach § 227 Abs 1 ASVG könnten erst nach dem Nachkauf anspruchs und leistungswirksam werden, in der Rechtsrüge ihrer Berufung nicht mehr aufrechterhalten. Dennoch ist das Berufungsgericht auf diesen Einwand eingegangen, hat ihn entsprechend dem Rechtsstandpunkt der Klägerin als nicht berechtigt erkannt und die zugrunde liegende Rechtsfrage als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO erachtet. Die beklagte Partei, die keine Revisionsbeantwortung erstattet hat, hat sich zu dieser Frage nicht geäußert. Da der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, theoretisch zu einer Rechtsfrage, deren Lösung durch das Berufungsgericht vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird, Stellung zu nehmen, ist darauf nicht weiter einzugehen. Insoweit fehlt es an der Präjudizialität der dargestellten Rechtsfrage (RIS Justiz RS0102059 [T6, T 7 und T 8]). Die Zulässigkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs hat sich daher nur an der zweiten angesprochenen Rechtsfrage zu orientieren.

2. Bei Ersatzzeiten handelt es sich um Perioden, die ungeachtet des Umstands, dass für sie keine Beiträge entrichtet wurden, aus sozialpolitischen Gründen in der Pensionsversicherung als leistungswirksam berücksichtigt werden. In der Regel handelt es sich um Zeiten, während derer der Versicherte aus verschiedenen vom Gesetzgeber anerkannten Gründen nicht in der Lage war, Beiträge zu entrichten (zB Kriegsdienst, Kriegsgefangenschaft, Schul- und Studienzeiten nach Vollendung des 15. Lebensjahres, Krankengeldbezug, Arbeitslosigkeit, Kindererziehungszeiten uä). Die Anerkennung von Ersatzzeiten durch den Gesetzgeber erfolgt in einer sehr kasuistischen Weise. Dies hängt auch damit zusammen, dass wegen der besonderen finanziellen Belastung, die die Versichertengemeinschaft durch solche beitragsfrei erworbene Ersatzzeiten trifft, die Anrechnung solcher Zeiten in einzelnen Fällen wiederum beschränkt wird. So zählen Schul und Studienzeiten nur im Fall einer nachträglichen Beitragsentrichtung („Nachkauf“) für die Erfüllung der Wartezeit und die Bemessung der Leistungen.

3. § 227 Abs 1 Z 1 ASVG in der zum maßgebenden Stichtag geltenden Fassung des 2. SRÄG 2009 BGBl I 2009/83 lautet:

§ 227. (1) Als Ersatzzeiten aus der Zeit nach dem und vor dem gelten

1. in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende Beitragszeit vorliegt, die Zeiten, in denen nach Vollendung des 15. Lebensjahres eine inländische öffentliche mittlere Schule oder eine mittlere Schule mit vergleichbarem Bildungsangebot, eine höhere Schule (das Lycee Francais in Wien), Akademie oder verwandte Lehranstalt oder eine inländische Hochschule bzw. Kunstakademie oder Kunsthochschule in dem für die betreffende Schul (Studien )art vorgeschriebenen normalen Ausbildungs (Studien )gang besucht wurde, oder eine Ausbildung am Lehrinstitut für Dentisten in Wien oder nach dem Hochschulstudium eine vorgeschriebene Ausbildung für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf erfolgt ist; ...

Gemäß § 227 Abs 1 Z 1 ASVG ist somit nicht der Schulbesuch schlechthin als Ersatzzeit zu berücksichtigen, sondern nur der, der die besondere Qualifikation dieser Gesetzesstelle aufweist (VwGH 2006/08/0218).

4. Maßgeblich ist, ob die von der Klägerin besuchte Maturaschule Dr. Roland GmbH als inländische öffentliche mittlere Schule oder eine mittlere Schule mit vergleichbarem Bildungsangebot oder als höhere Schule iSd § 227 Abs 1 Z 1 ASVG anzusehen ist.

5. Zum Verständnis des § 227 Abs 1 Z 1 ASVG ist es zweckmäßig, aus dessen Entstehungsgeschichte, den Gesetzesmaterialien und der Judikatur Folgendes hervorzuheben:

5.1. § 227 Z 1 ASVG idF der 25. Novelle zum ASVG, BGBl 385/1970 lautete wie folgt:

„ Als Ersatzzeiten aus der Zeit nach dem gelten

Z.1 in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende Beitragszeit vorliegt, die Zeiten, in denen nach Vollendung des 15. Lebensjahres eine inländische öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete mittlere Schule, mit mindestens zweijährigem Bildungsgang, eine höher Schule, Akademie oder verwandte Lehranstalt oder eine inländische Hochschule bzw Kunstakademie oder Kunsthochschule in dem für die betreffende Schul (Studien )art vorgeschriebenen normalen Ausbildung (Studien )gang besucht wurde, ... “

5.2. Aus den Gesetzesmaterialien zur 25. Novelle (RV 157 BlgNR 12 GP 13) geht hervor, dass es sich bei der Aufzählung der Schulen, deren Besuch eine Ersatzzeit begründet, um die Bezeichnung nach dem Schulorganisationsgesetz, BGBl 1962/242 (SchuOG) handelt. Dieser Terminologie folgend traten die berufsbildenden mittleren Schulen mit mindestens zweijährigem Bildungsgang (§§ 52 ff), die höheren Schulen (§§ 34 ff), die Akademien und verwandten Lehranstalten, die inländischen Hochschulen sowie die Kunstakademien bzw Kunsthochschulen an die Stelle der bisherigen Fach , Mittel und Hochschulen. Während also unter den Begriff „Mittelschule“ zuvor auch die Gymnasien, Realgymnasien, Realschulen etc fielen, ist seit dem SchuOG der Begriff „höhere Schulen“ an die Stelle der früheren Mittelschule getreten ( Teschner/Widlar/Pöltner , ASVG, 95. ErgLfg Anm 2 zu § 227).

5.3. Kriterium für die Eigenschaft als öffentliche oder private Schule ist die Person des Schulerhalters, je nachdem, ob sie gesetzlicher Schulerhalter ist oder nicht (§ 2 Abs 3 Privatschulgesetz BGBl I 1962/242; Wieser , Handbuch des österreichischen Schulrechts Bd 1, 128). Gemäß § 2 des PrivSchG können sowohl mittlere Schulen als auch höhere Schulen im Sinne des SchuOG in Form einer Privatschule betrieben werden. Auch die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts nach den §§ 13 ff des PrivSchG ist nicht nach der Schulart mittlere oder höhere Schulen differenziert; es umfasst das Recht, Zeugnisse über den Erfolg des Schulbesuchs auszustellen, die mit Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen ausgestattet sind wie Zeugnisse gleichartiger öffentlicher Schulen.

5.4. Nach der zu § 227 Abs 1 Z 1 ASVG idF der 25. Novelle ergangenen Judikatur des VwGH bestand im Hinblick auf diese Parallelen daher keinerlei Hinweis für die Annahme, der Gesetzgeber habe im § 227 Z 1 ASVG, geleitet von der Absicht, die Terminologie an die des SchuOG anzupassen, zum Ausdruck bringen wollen, für den Erwerb von Ersatzzeiten kommen einerseits mittlere Schulen nur dann in Frage, wenn sie öffentlich oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet sind, höhere Schulen aber schlechthin, mögen sie auch Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht sein. Trotz der sprachlich verfehlten Fassung des § 227 Z 1 ASVG (idF der 25. Novelle) sei davon auszugehen, dass sowohl bei mittleren Schulen als auch bei höheren Schulen, Akademien oder verwandten Lehranstalten und den weiters genannten Hochschulen entweder das Merkmal „öffentliche Schule“ oder das Merkmal „mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule“ zutreffen muss, damit Schulbesuchszeiten als Ersatzzeiten iSd § 227 Z 1 ASVG angerechnet werden können ( VwSlg 10.024 A/1980; uva). Somit sah der VwGH den Besuch der Maturaschule Dr. Roland GmbH (in einer Vormittagsklasse) unter Hinweis darauf nicht als Ersatzzeit an, dass eine derartige Schule weder eine öffentliche, noch eine mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete höhere Schule iSd § 227 Abs 1 Z 1 ASVG (in der für den Fall maßgeblichen Fassung BGBl I 2004/142) sei ().

5.5. Auch das Oberlandesgericht Wien qualifizierte Zeiten des Besuchs einer privaten, nicht mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Maturaschule nicht als anspruchsbegründende Ersatzzeiten (SVSlg 29.226); zumindest dann nicht, wenn der Eintritt ins Erwerbsleben durch den Schulbesuch nicht hinausgeschoben wird (SVSlg 25.714).

5.6. Dass diese Judikatur den Intentionen des Gesetzgebers entsprach, geht aus den Gesetzesmaterialien zu der mit der 44. ASVG Novelle BGBl 1987/609 (SRÄG 1988) vorgenommenen Einfügung des Lycée Francais in § 227 Abs 1 Z 1 ASVG hervor. Es wird ausgeführt, dass nach dem Gesetzeswortlaut bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Besuch einer inländischen öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule im Sinne des SchuOG, nicht hingegen der Besuch einer nicht öffentlichen inländischen Schule oder einer ausländischen Schule bzw einer sonstigen in oder ausländischen Ausbildungsstätte ohne Öffentlichkeitsrecht einen Anspruch auf Ersatzzeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung begründe (abgedruckt in Teschner/Widlar/Pöltner , ASVG, 104. Erg Lfg Anm 2 zu § 227).

6. Wenngleich Zeiten eines Schulbesuchs im Ausland nicht als Ersatzzeiten berücksichtigt werden, gilt für den Bereich der EU/EWR freilich anderes. Soweit ein Pensionswerber nach den Kollisionsregeln des europäischen Sozialrechts für den strittigen Zeitraum den österreichischen Rechtsvorschriften unterliegt, sind Zeiten des Besuchs von ausländischen, den nationalen Bildungseinrichtungen entsprechenden Einrichtungen nach Art 1 lit (a) und Art 3 der VO 1408/71 (nunmehr Art 5 lit b der VO [EG] 883/2004) in gleicher Weise zu berücksichtigen ( Sonntag in Sonntag , ASVG 2 § 227 Rz 8; ).

7. Das SVÄG 2005 (BGBl I 2005/132) enthält in Bezug auf das Europarecht eine Neudefinition des Schulbegriffs (RV 1111 BlgNR 22. GP 2). Es kam zu einer Änderung des Schulbegriffs im Bereich der mittleren Schulen ( Teschner/Widlar/Pöltner , ASVG, 95. ErgLfg Anm 2 zu § 227). Der Ausdruck „ oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet “ in § 227 Abs 1 Z 1 ASVG entfiel; der Ausdruck „ mit mindestens zweijährigen Bildungsgang “ wurde durch den Ausdruck „ oder eine mittlere Schule mit vergleichbarem Bildungsangebot “ ersetzt. Mit Wirkung ab wurde somit vom Erfordernis des bis dahin für die Anrechnung notwendigen mindestens zweijährigen Bildungsgangs bei mittleren Schulen sowie vom Erfordernis des Öffentlichkeitsrechts Abstand genommen ( Milisits/Wolff , Handbuch der gesetzlichen Pensionsversicherung in Österreich 79).

7.1. Aus den oben zitierten Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass nach derzeitiger Gesetzeslage Voraussetzung für die sozialversicherungsrechtliche Berücksichtigung von Schulzeiten (nachträgliche Beitragsentrichtung bzw Anrechnung auf die Wartezeit bei Hinterbliebenenpensionen) ist, dass nach Vollendung des 15. Lebensjahres der Besuch einer inländischen öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten mittleren Schule mit zweijährigem Bildungsgang vorliegt. Infolge des unmittelbaren Anwendungsvorrangs des EG Rechts seien aber die Zeiten des Besuchs von ausländischen, den nationalen Bildungseinrichtungen entsprechenden Einrichtungen (somit jedenfalls von Hochschulen, Akademien und Lehranstalten), soweit sie europarechtlich erfasst sind, unter denselben Voraussetzungen wie in Österreich pensionsrechtlich zu berücksichtigen. In der Praxis ergebe sich dadurch eine Benachteiligung von inländischen nicht öffentlichen mittleren Schulen, da bei diesen das Öffentlichkeitsrecht verlangt wird, während dies bei ausländischen Bildungseinrichtungen de facto nicht möglich ist. Um diese Schlechterstellung der österreichischen mittleren Schulen ohne Öffentlichkeitsrecht zu beseitigen, solle die Bestimmung über die Definition der mittleren Schulen in der Weise verallgemeinert werden, dass auch der Besuch aller solcher Schulen, die ein den öffentlichen mittleren Schulen vergleichbares Bildungsangebot aufweisen, sozialversicherungsrechtlich beachtlich ist (RV 1111 BlgNR 22. GP 9).

7.2. Durch das SRÄG 2009, BGBl I 2009/83, das zum im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Feststellungszeitpunkt schon in Kraft stand, erfuhr § 227 Abs 1 Z 1 erster Satz ASVG idF des SVÄG 2005 (BGBl I 2005/132) keine Veränderung mehr.

7.3. In der Literatur wurde zu § 227 Abs 1 Z 1 erster Satz ASVG idF des SVÄG 2005 wie folgt Stellung genommen:

7.3.1. Nach der Ansicht von Milisits/Wolff , aaO 79, kommt es bei mittleren Schulen ab auch als Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht zur Anrechnung der Schulzeit, sofern diese Einrichtung ein vergleichbares Bildungsangebot einer inländischen öffentlichen Schule aufweist; ebenso auch bei einer (nur) einjährigen Büro oder Haushaltungsschule. Weiters weisen die Autoren auf die von der Pensionsversicherungsanstalt gehandhabte Auslegung hin, nach der ein mit einer öffentlichen Schule vergleichbares Bildungsangebot jedenfalls dann vorliegt, wenn die Schulen nach dem Privatschulgesetz 1962 eine im SchuOG festgelegte Schulartbezeichnung führen dürfen (zB Handelsakademie, Handelsschule, Gymnasium, Höhere Technische Lehranstalt, Hauswirtschaftsschule, Büroschule etc).

7.3.2. B. Karl/Seidl , Sozialversicherungsrecht 6 [2011], 109 f, führen aus, dass als Ersatzzeiten iSd § 227 Abs 1 Z 1 ASVG jene Zeiten gelten, die nach Vollendung des 15. Lebensjahres in einer inländischen öffentlichen mittleren Schule oder in einer mittleren Schule mit vergleichbarem Bildungsangebot (zB Handelsschule), in einer höheren Schule (Mittelschule, Gymnasium, HAK) oder an einer Hochschule zurückgelegt wurden.

Eine Entscheidung des VwGH zu § 227 Abs 1 Z 1 ASVG idF des SVÄG 2005 bzw des SRÄG 2009 liegt nicht vor.

8. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch die Änderungen des § 227 Abs 1 Z 1 ASVG idF des SVÄG 2005 von seinem nach der Rechtsprechung des EuGH autonomen Recht Gebrauch machte, jene nationalen Bildungseinrichtungen (neu) zu definieren, an deren Besuch Versicherungszeiten anknüpfen (EuGH Rs 266/78, Brunori ; mwN). Anzunehmen ist ferner, dass dem Gesetzgeber dabei die bisherige noch auf § 227 Abs 1 Z 1 erster Satz ASVG idF der 25. ASVG Novelle bezogene Judikatur des VwGH bekannt war, nach der sowohl bei mittleren Schulen als auch bei höheren Schulen, Akademien oder verwandten Lehranstalten und den weiters genannten Hochschulen das Merkmal „öffentliche Schule“ zutreffen müsse, damit § 227 Z 1 ASVG zur Anwendung kommt. Vor dem Hintergrund des Wortlauts der Bestimmung führt diese Überlegung zu dem Auslegungsergebnis, dass lediglich der Schulbegriff der „mittleren Schulen“ neu definiert werden sollte, die Rechtslage hinsichtlich der höheren Schulen jedoch unverändert bleiben und sofern ein europarechtlicher Bezug fehlt weiterhin lediglich die Zeiten des Besuchs einer höheren inländischen öffentlichen (oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten) Schule als Ersatzzeiten gelten sollen. Dieses Auslegungsergebnis hat freilich die Konsequenz, dass für die höheren Schulen jene Situation weiterhin zutrifft, die in den Gesetzesmaterialien zum SVÄG 2005 für die mittleren Schulen beschrieben und für diese durch die Gesetzesänderung beseitigt wurde.

8.1. Hat der Gesetzgeber aber § 227 Abs 1 Z 1 ASVG in Bezug auf die höheren Schulen (§§ 34 ff SchuOG Gymnasium, Realgymnasium, Wirtschaftskundliches Realgymnasium, Oberstufenrealgymnasium) bewusst unverändert gelassen, ist wie zur Rechtslage vor dem SVÄG 2005 davon auszugehen, dass der Besuch höherer Schulen nur dann einen Anspruch auf Berücksichtigung von Ersatzzeiten begründet, wenn es sich dabei um den im SchuOG genannten gesetzlichen Schultyp der öffentlichen höheren Schule handelt und die Schule in dem für die betreffende Schulart vorgeschriebenen normalen Ausbildungang besucht wurde.

8.2. Diesen Anforderungen entspricht der Besuch der Maturaschule Dr. Roland GmbH nicht:

Es handelt sich um eine Privatschule im Sinne des PrivSchG (10 ObS 65/90, SSV NF 4/62); Rechtsträger ist kein gesetzlicher Schulerhalter, sondern eine GmbH (§ 9 PrivSchG). Wie sich aus der Bezeichnung „Maturaschule Dr. Roland GmbH“ ergibt, besteht im Übrigen auch keine Bewilligung zur Führung einer gesetzlich geregelten Schulartbezeichnung nach Abschnitt II des Privatschulgesetzes (§ 9 PrivSchG). Derartige Bewilligungen werden auf Ansuchen des Schulerhalters erteilt, wenn zusätzlich zu den Bedingungen der §§ 4 6 PrivSchG die Organisation einschließlich des Lehrplans und die Ausstattung der Privatschule im Wesentlichen mit gleichartigen öffentlichen Schulen übereinstimmt und an der Schule nur öffentlich approbierte Lehrbücher verwendet werden (sofern eine solche Approbation vorgesehen ist); der Leiter und die Lehrer die Lehrbefähigung für die betreffende Schulart besitzen und glaubhaft gemacht wird, dass die Führung der Privatschule für mehrere Jahre mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit sichergestellt ist (§ 11 PrivSchG). Dass kein Öffentlichkeitsrecht besteht, ist unstrittig.

Die Maturaschule Dr. Roland GmbH stellt demnach keine höhere Schule iSd § 227 Abs 1 Z 1 erster Satz ASVG idF des SRÄG 2009 dar, deren Besuch in dem für die betreffende Schulart vorgeschriebenen normalen Ausbildungsgang die Anerkennung als Ersatzzeit in der Pensionsversicherung begründen könnte. Schon der Wortlaut des § 227 Abs 1 Z 1 erster Satz ASVG verwehrt der Klägerin somit einen Anspruch auf Qualifikation ihrer Maturaschulzeiten als Ersatzzeiten.

9. Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, regte die Volksanwaltschaft im Jahr 2009 (also nach Inkrafttreten des § 227 Abs 1 Z 1 ASVG idF des SVÄG 2005) eine diesbezügliche Gesetzesänderung an. Als Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ablehnung des Nachkaufs von Ausbildungszeiten in einer privaten Maturaschule eine Benachteiligung gegenüber jenen Personen darstelle, die sich in einem öffentlichen Abendgymnasium auf die Matura vorbereiten und denen der Weg zum Nachkauf von Ersatzzeiten offen stehe (Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat 2009, III 116 der BlgNR 24. GP 40 f und 24. GP 296). Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz sprach sich jedoch gegen die angeregte Rechtsänderung in Richtung einer generellen Öffnung der Nachkaufsmöglichkeit von Zeiten an Maturaschulen aus (Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat 2010, III 214 der BlgNR 24. GP 296).

10. Gegen die bereits vom Berufungsgericht zutreffend vorgenommene Auslegung des § 227 Abs 1 Z 1 ASVG bestehen vor dem Hintergrund des mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecks im Hinblick auf die Differenzierung zwischen Privatschulen und Schulen mit Öffentlichkeitsrecht keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl mwN). Wegen der mit der beitragsfreien Anrechnung von Ersatzzeiten verbundenen besonderen finanziellen Belastung der versicherten Gemeinschaft erscheinen Einschränkungen dieser Begünstigung sachgerecht (10 ObS 89/92, SSV NF 6/54 ua). Vor diesem Hintergrund erscheint aber auch die Festlegung teilweise unterschiedlicher Anspruchsvoraussetzungen für die Berücksichtigung von Schulzeiten an mittleren und höheren Schulen als Ersatzzeiten nicht als unsachlich.

Die Revision bleibt somit erfolglos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage (RIS-Justiz RS0085829 [T1]).