OGH vom 06.02.2015, 11Os11/15z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Humer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andrzej S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall; 15 StGB, AZ 31 HR 543/14v des Landesgerichts Innsbruck (im Ermittlungsverfahren AZ 10 St 294/14m der Staatsanwaltschaft Innsbruck), über die Grundrechtsbeschwerde des Andrzej S***** vom (ON 81 der Ermittlungsakten) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
In dem von der Staatsanwaltschaft Innsbruck zu AZ 10 St 294/14m gegen Andrzej S***** geführten Ermittlungsverfahren wurde der Genannte am unmittelbar im Anschluss an eine gemäß § 133a Abs 5 letzter Satz StVG zum Verfahren AZ 34 Hv 42/09t des Landesgerichts Salzburg vollzogene Strafhaft (ON 1 S 1, 5 ff) aufgrund einer gerichtlich bewilligten Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 10 in ON 11) durch die Justizwache der Justizanstalt Salzburg festgenommen und weiter angehalten (ON 1 S 1, 7; ON 39 S 7 ff). Nach Überstellung in die Justizanstalt Innsbruck wurde über ihn aufgrund eines Antrags der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 1 S 7) mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom aus den Haftgründen der Flucht , Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a und b StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 14).
Am erhob der Verteidiger im Namen des Beschuldigen Beschwerde gegen diesen Beschluss (ON 27), woraufhin mit Verfügung vom Vormittag des die bereits am für den anberaumte (ON 1 S 9) Haftverhandlung unter Hinweis auf die nunmehr (gemäß §§ 174 Abs 4, 175 Abs 2 Z 2 StPO) bis laufende Haftfrist abberaumt wurde (ON 1 S 13 und ON 29). Am überreichte der Verteidiger auch eine handschriftliche Eingabe des Andrzej S***** vom , die bis dahin weder beim Landesgericht Innsbruck noch bei der Staatsanwaltschaft eingelangt war (ON 28). Darin erhob der Beschuldigte persönlich zahlreiche Beschwerden, darunter eine solche gegen die Verhängung der Untersuchungshaft, und stellte überdies den „Antrag auf Freilassung“ (ON 28 S 8). Bei einer am bei Gericht eingelangten Mitteilung der Justizanstalt Innsbruck findet sich ein dort am abgegebenes weiteres handschriftliches Ansuchen des Beschuldigten vom um sofortige Haftentlassung (ON 39 S 1, 5).
Zwar befindet sich im vorliegenden (Kopien )Akt keine richterliche Verfügung über die Anberaumung einer Haftverhandlung, eine solche war nach der Aktenlage aber spätestens am für den erfolgt (vgl den darauf bezugnehmenden Amtsvermerk und die Übersendungsnote der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom ON 1 S 14). Zu Beginn dieser Haftverhandlung erklärte der Beschuldigte, seinen Enthaftungsantrag „gerichtet an die Leitung der JA“ (gemeint: Justizanstalt) zurückzuziehen, woraufhin die Haftprüfungsverhandlung von Amts wegen fortgesetzt wurde (ON 48). Nachdem der Beschuldigte den Haftrichter unmittelbar danach als befangen abgelehnt hatte, wurde die Haftprüfungsverhandlung auf den vertagt (ON 1 S 17; ON 48 S 2). Diese sollte nach Entscheidung des Präsidenten des Landesgerichts Innsbruck vom , AZ 20 Ns 2/15x, wonach der zuständige Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck nicht ausgeschlossen sei (ON 47), am auch durchgeführt werden (ON 52). Allerdings hatte der Beschuldigte laut Aktenvermerk aus der Justizanstalt Innsbruck vom die Vorführung zu dieser Verhandlung mit der Begründung verweigert, er hätte „seine Enthaftungsanträge“ zurückgezogen (ON 51). Der Verteidiger erklärte daraufhin, dass nicht auf die Durchführung einer Haftprüfungsverhandlung verzichtet werde, woraufhin diese neuerlich - auf den - vertagt wurde (ON 1 S 18; ON 52). Nachdem zwischenzeitig das Oberlandesgericht Innsbruck mit - dem Verteidiger noch am selben Tag zugestellten (ON 1 S 20 f; ON 56 aE) - Beschluss vom , AZ 11 Bs 1/15g (ON 56), der Beschwerde des Beschuldigten gegen die Verhängung der Untersuchungshaft mit der Maßgabe nicht Folge gegeben hatte, dass der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 StPO zu entfallen habe und seinerseits die über Andrzej S***** verhängte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO (mit Wirksamkeit bis ) fortgesetzt hatte, wurde mit Verfügung des Haft und Rechtsschutzrichters vom die für den folgenden Tag vorgesehene Haftprüfungsverhandlung abberaumt (ON 1 S 20).
Rechtliche Beurteilung
Mit gegenständlicher am erhobener Grundrechtsbeschwerde (ON 81) macht der Beschuldigte einen Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen geltend und behauptet, sich mangels gesetzeskonformer Festnahme gesetzwidrig in Untersuchungshaft zu befinden.
Soweit die Beschwerde eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 176 Abs 1 Z 2, 177 Abs 1 StPO) bei Entscheidung über den Enthaftungsantrag „vom “ durch die Verfügung des Haft- und Rechtsschutzrichters auf Abberaumung der ursprünglich für vorgesehenen Haftverhandlung releviert, ist sie jedenfalls verspätet (§ 4 Abs 1 GRBG), weil dem Verteidiger diese Verfügung bereits am kundgemacht (§§ 81 Abs 1, 83 Abs 2, 83 Abs 4 erster Satz StPO) worden war (ON 1 S 13; ON 29).
Im Übrigen handelt es sich dabei um eine Verfügung, die sich bloß mittelbar auf das betroffene Grundrecht auswirkt, weil sie nicht aktuell über die Verhängung oder Fortsetzung des Freiheitsentzugs abspricht. Zur Bekämpfung solcher strafgerichtlicher Verfügungen hat der Betroffene darauf hinzuwirken, dass die aufgeworfene Frage (hier: Verhältnismäßigkeit der Haft aufgrund von behaupteten Verzögerungen bei der Entscheidung über einen Enthaftungsantrag) Gegenstand einer haftrelevanten Entscheidung wird (vgl Kier in WK 2 GRBG § 1 Rz 18, 25, 29 ff). Mit Grundrechtsbeschwerde kann er sie im Fall der darauffolgenden Haftprolongierung erst nach Erschöpfung des Instanzenzugs mittels Beschwerde gegen den Beschluss des Erstgerichts auf Fortsetzung der Untersuchungshaft (§ 1 Abs 1 GRBG) oder im Fall der Freilassung aus Anlass der die Freiheit beendenden Entscheidung oder Verfügung mit der Behauptung geltend machen, dass die Entscheidung oder Verfügung zu spät getroffen worden sei (§ 2 Abs 2 GRBG; vgl Kier in WK 2 GRBG § 1 Rz 36 ff, 46 f; § 2 Rz 17, 125 ff; s etwa 13 Os 57/10x).
Zum weiteren Vorbringen, der Beschuldigte befinde sich als Folge einer verspäteten Entlassung aus der (zu AZ 34 Hv 42/09t des Landesgerichts Salzburg) vollzogenen Strafhaft und unmittelbar daran anschließenden unrechtmäßigen Festnahme vom gesetzwidrig in Untersuchungshaft („es fehlen die Voraussetzungen des § 174 Abs 1 erster Satz StPO“), weshalb diese sofort aufzuheben sei, bekämpft der Beschuldigte inhaltlich die Haft als solche und den in der Grundrechtsbeschwerde angesprochenen Beschluss des Erstgerichts auf Verhängung der Untersuchungshaft vom , ohne die in der Zwischenzeit ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck vom über seine Beschwerde gegen die Verhängung der Untersuchungshaft (AZ 11 Bs 1/15g; ON 56 in den Ermittlungsakten) auch nur zu erwähnen (zum Erfordernis genauer Bezeichnung der angefochtenen oder zum Anlass genommenen Entscheidung in der Grundrechtsbeschwerde vgl im Übrigen § 3 Abs 1 zweiter Satz GRBG). Da Gegenstand der Bekämpfung mit Grundrechtsbeschwerde immer nur die letztinstanzliche Entscheidung über die Haftverhängung oder Haftfortsetzung sein kann, ist die Beschwerde auch in diesem Punkt unzulässig (vgl Kier in WK 2 GRBG § 1 Rz 46 f).
Eine allenfalls verspätete Entlassung aus der Strafhaft kann von vornherein nicht mit Grundrechtsbeschwerde releviert werden (§ 1 Abs 2 GRBG; Kier in WK 2 GRBG § 1 Rz 52, 54).
Die vorliegende Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.
Über die als „Ergänzung der Grundrechtsbeschwerde“ bezeichnete (s dazu aber Kier in WK 2 GRBG § 3 Rz 26), inhaltlich überdies gegen eine weitere gerichtliche Verfügung gerichtete, daher als neue Grundrechtsbeschwerde zu wertende nachträgliche Eingabe des Verteidigers vom (ON 89 der HR Akten) wird gesondert entschieden werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00011.15Z.0206.000
Fundstelle(n):
RAAAD-85911