OGH vom 26.11.2013, 9Ob49/13s

OGH vom 26.11.2013, 9Ob49/13s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer, Dr. Wurdinger und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. J***** S*****, geboren am ***** November 2006, *****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters Dr. J***** F*****, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 20 R 31/13v 17, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom , GZ 1 Pu 74/10m 12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden nachträglichen Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Inhaltlich wendet sich der Vater zwecks Begründung der Zulässigkeit seines Revisionsrekurses gegen die Ablehnung der Berücksichtigung der FLAG Entlastung im Sinne einer Anrechnung von dem Obsorgeberechtigten zufließenden Transferleistungen auf die Unterhaltsleistung. Dass zu einer konkreten Fallgestaltung noch keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, begründet unter anderem dann keine erhebliche Rechtsfrage, wenn die relevanten rechtlichen Grundsätze in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt sind (vgl RIS Justiz RS0102181). Dies ist hier der Fall.

Unterhaltsvergleichen wohnt als eine im redlichen Verkehr geltende Gewohnheit die Umstandsklausel inne; der Unterhaltsanspruch ist daher bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu zu bestimmen (RIS Justiz RS0018984; vgl auch RS0053297). Weder der Wechsel in den Altersgruppen noch die Änderung der Regelbedarfssätze bedeuten für sich allein eine wesentliche Änderung der Verhältnisse (RIS Justiz RS0106742).

Haben sich die tatsächlichen Verhältnisse seit Abschluss der im Scheidungsvergleich der Eltern abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarung nicht geändert (welche Ansicht der Vater noch im Rekursverfahren vertrat), kann durch gerichtliche Entscheidung keine neue Unterhaltsbemessung und auch keine erstmalige Anrechnung von Transferleistungen erfolgen (vgl 7 Ob 82/05t). Dies ungeachtet dessen, dass sich der Vater im Unterhaltsverfahren (freiwillig) bereit erklärt hat, rückwirkend mit den Unterhalt entsprechend den jeweils geltenden Regelbedarfsätzen mit dem 2 fachen Regelbedarf zu bezahlen.

Aber selbst ausgehend von tatsächlich geänderten Verhältnissen könnte hier eine Neubemessung des Unterhalts zu keiner erstmaligen Berücksichtigung von Transfer-leistungen bei der Unterhaltsbemessung führen:

Der bisherige Unterhaltsbeitrag des Vaters für den Minderjährigen war durch Vergleich geregelt. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung soll dann, wenn der Unterhalt in einem Vergleich festgesetzt wurde, die Neubemessung nicht völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung und der in ihr zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze erfolgen (RIS Justiz RS0047471; 8 Ob 75/10b mwN; 8 Ob 93/11a). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich nur die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen geändert haben. Aber auch bei einer Änderung anderer bzw mehrerer Bemessungsparameter kann die (allenfalls ergänzende) Vertragsauslegung zum Ergebnis führen, dass die im Unterhaltsvergleich festgelegte Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe nicht zu vernachlässigen ist. Für die Beurteilung dieser Frage ist entscheidend, was die Parteien im Einzelfall mit ihrem Unterhaltsvergleich für die Zukunft regeln wollten. Zu klären ist somit, ob der Vergleich oder die Begleitumstände, die zu einem Abschluss geführt haben, auf ein längerfristiges Konzept der Eltern schließen lassen. Dem Vergleich oder der Aktenlage müssen sich aber genügende Anhaltspunkte für eine zukünftige Regelung des Unterhalts entnehmen lassen (8 Ob 75/10b; 8 Ob 93/11a ua). Dies ist hier der Fall.

Im zugrunde liegenden Scheidungsvergleich ist festgehalten, dass sich der Vater verpflichtet,


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
und ab dem elften Lebensjahr bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Minderjährigen in Höhe des 2,5 fachen Regelbedarfs zu bezahlen, soweit die jeweils hiefür notwendigen Einkommensvoraussetzungen des Vaters vorliegen.
-
Die Familienbeihilfe wird von der Mutter alleine bezogen.

Dieser Vergleich lässt sich iSd § 914 ABGB (RIS Justiz RS0017915 [T 20], RS0017943) nur dahin auslegen, dass die Eltern, um Streitigkeiten über das unterhaltspflichtige Einkommen des Vaters und damit in der Folge Unterhaltsstreitigkeiten zu vermeiden, eine klare Unterhaltsregelung bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Minderjährigen treffen wollten. Dieses Konzept sollte sich bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres des Kindes am 2 fachen und ab dem elften Lebensjahr am 2,5 fachen des jeweils für den Minderjährigen in seiner Altersgruppe geltenden Regelbedarfs orientieren. Da schon zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses die von der Mutter allein bezogene Familienbeihilfe keine Berücksichtigung in den festgelegten Kriterien der vereinbarten Unterhaltshöhe Eingang fand, kann der Parteiwille anhand des objektiven Erklärungswerts unter Berücksichtigung des redlicherweise zu unterstellenden objektiven Vergleichszwecks (RIS Justiz RS0113932; RS0014160; RS0017915) nur dahin ermittelt werden, dass die Familienbeihilfe keine Anrechnung bei der Unterhaltsleistung des Vaters finden sollte. Das für die gegenteilige Ansicht vom Vater vorgetragene Argument, es sei anlässlich des Vergleichsabschlusses über die Frage der Familienbeihilfeanrechnung gar nicht besonders gesprochen worden, greift angesichts der vorstehenden Vertragsauslegungsgrundsätze nicht.

Mangels Vorliegens einer relevanten erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.