OGH vom 06.05.2014, 8Fsc1/14k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner als weitere Richter im Verfahren über den Fristsetzungsantrag des Mag. W***** E*****, in der beim Bezirksgericht St. Pölten zu AZ 1 A 234/12p anhängigen Verlassenschaftssache nach K***** E*****, über die als Rekurs aufzufassende „Beschwerde“ gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom , AZ 23 Fs 1/14z, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Rekursverfahren wird bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Ablehnungsantrag des Antragstellers gegen sämtliche Richter des mit der angefochtenen Entscheidung befassten Senats unterbrochen.
Die Akten werden dem Landesgericht St. Pölten zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag und Wiedervorlage nach Rechtskraft dieser Entscheidung zurückgestellt.
Text
Begründung:
Der Antragsteller und Rekurswerber ist ein pflichtteilsberechtigter Sohn des Erblassers.
Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens ordnete das Erstgericht nach mehreren Postfehlberichten die Zustellung zweier Beschlüsse für den Antragsteller gemäß §§ 8 Abs 2, 23 ZustG durch Hinterlegung im Gerichtsakt an. Am stellte der Rekurswerber mit der Behauptung, seine Abgabestelle sei unverändert und die rechtlichen Voraussetzungen für eine Hinterlegung seien nie vorgelegen, beim Erstgericht den Antrag auf neuerliche Postzustellung der hinterlegten Beschlüsse.
Nachdem diesem Ansinnen nicht entsprochen wurde, stellte der Rekurswerber gemäß § 91 GOG beim übergeordneten Landesgericht den Antrag, dem Erstgericht eine Frist für die Vornahme der neuerlichen Zustellung zu setzen.
Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Landesgericht aus, dass das Verfahren über die Erledigung des Fristsetzungsantrags unterbrochen werde, und übermittelte den Akt zur Entscheidung gemäß § 5 Abs 2 Z 2 AußStrG dem für den Antragsteller zuständigen Sachwalterschaftsgericht.
Unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit jeglicher Prozesshandlungen sei die Prozessfähigkeit des Handelnden. Hinsichtlich des Antragstellers sei nach der Aktenlage beim für seinen Wohnort zuständigen Bezirksgericht ein Sachwalterschaftsverfahren anhängig, in dem nach Durchführung der Erstanhörung bereits ein Verfahrenssachwalter bestellt wurde. Bis zur Entscheidung des Sachwalterschaftsgerichts sei das Fristsetzungsverfahren in sinngemäßer Anwendung des § 25 AußStrG zu unterbrechen. Ein Rekurs gegen diesen Beschluss sei in Analogie zu § 91 GOG und § 5 Abs 1 letzter Satz AußStrG unzulässig.
Das gegen diese Entscheidung an den Obersten Gerichtshof erhobene, als Rekurs zu wertende Rechtsmittel des unvertretenen Antragstellers richtet sich in erster Linie gegen die Unterbrechung des Fristsetzungsverfahrens, enthält aber auch Beschwerden über den Gang des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die Aussage, es gehe nicht an, dass die Entscheidung von einem Gericht gefällt worden sei, dessen sämtliche Mitglieder sich in einem anderen Verfahren, in dem der Antragsteller ebenfalls Partei sei, für befangen erklärt hätten.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem Ausspruch des Landesgerichts ist der Rekurs zulässig . Eine Entscheidung über den Rekurs ist aber erst nach Erledigung des Ablehnungsantrags des Rechtsmittelwerbers möglich.
Allgemein ist zur Behandlung des Rekurses festzuhalten:
1. Zuständigkeit
Der Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG ist ein prozessualer Rechtsbehelf, über den gemäß § 91 Abs 3 GOG stets der übergeordnete Gerichtshof zu entscheiden hat. Diese Entscheidung im Rahmen der Gerichtsbarkeit (vgl Schoibl in JBl 1991, 14) ergeht jedoch nicht in einem gesonderten Verfahren (RIS Justiz RS0106887). Welches Gericht daher funktionell für die Zurückweisung eines unzulässigen bzw für die Behandlung eines zulässigen Rekurses gegen einen im Fristsetzungsverfahren ergangenen Beschluss des übergeordneten Gerichtshofs zuständig ist, kann sich nur aus den für das Ausgangsverfahren geltenden Prozessvorschriften ergeben. Zur Entscheidung über den vorliegenden Rekurs, der gegen einen Beschluss des Landesgerichts über einen Fristsetzungsantrag im Rahmen eines Abhandlungsverfahrens gerichtet ist, ist daher der Oberste Gerichtshof zuständig.
2. Vertretung
Der Oberste Gerichtshof wird mit dem vorliegenden Rechtsmittel funktionell als zweite Instanz angerufen. In diesem Fall greift die Vertretungspflicht im Sinn des § 6 AußStrG nicht Platz, sodass der vom Antragsteller persönlich eingebrachte Rekurs keiner Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt bedurfte ( Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 6 Rz 8; RIS Justiz RS0118184; vgl auch zum Ablehnungsverfahren RIS Justiz RS0035708; RS0006000).
3. Zulässigkeit
Die Entscheidung über einen Fristsetzungsantrag nach § 91 Abs 1 GOG ist, worauf im bekämpften Beschluss richtig hingewiesen wurde, gemäß § 91 Abs 3 GOG unanfechtbar. Dieser Rechtsmittelausschluss kann jedoch nicht auf eine Entscheidung erstreckt werden, mit der nicht meritorisch über den Antrag abgesprochen, sondern dessen Behandlung (wenn auch nur vorläufig) verweigert wird. Einem solchen Rechtsmittelausschluss stünde der Wortsinn des § 91 Abs 3 GOG entgegen, vor allem wäre er mit dem Zweck des Fristsetzungsantrags, Abhilfe gegen einen sachlich unbegründeten Verfahrensstillstand zu schaffen, unvereinbar.
Im angefochtenen Beschluss weist das Landesgericht auch grundsätzlich zutreffend darauf hin, dass Anordnungen des Gerichts im Sinn des § 5 Abs 1 AußStrG zur Beseitigung von Mängeln der Verfahrensfähigkeit einer Partei nicht selbstständig anfechtbar sind. Dies gilt aber nicht für einen Beschluss, mit dem, sei es auch aus Anlass einer Überprüfung der Prozessfähigkeit, die Unterbrechung des außerstreitigen Verfahrens ausgesprochen wird. Die Anordnung der Unterbrechung ist nach § 26 Abs 4 AußStrG jedenfalls selbstständig anfechtbar (vgl Gitschthaler/Höllwerth aaO § 26 Rz 55).
4. Befangenheit
Nach § 58 Abs 4 AußStrG ist der angefochtene Beschluss jedenfalls aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen, wenn an der Entscheidung ein ausgeschlossener oder mit Erfolg abgelehnter Richter teilgenommen hat. Die Geltendmachung einer Befangenheit ist auch noch in einem zulässigen Rechtsmittel möglich.
Der Rekurswerber erachtet sich unter anderem deswegen für beschwert, weil das Landesgericht einen Beschluss gegen ihn gefasst habe, „obwohl und nachdem es sich Monate zuvor gegenüber dem OLG in seiner Gesamtheit als befangen erklärt“ hatte. Damit hat er - erkennbar - eine Ablehnung der Mitglieder des landesgerichtlichen Senats, der die gegenständliche Entscheidung gefällt hat, zum Ausdruck gebracht.
Eine sofortige Entscheidung über ein Rechtsmittel, auch wenn darin ein Ablehnungsantrag gestellt wird, wäre nur dann zulässig, wenn keine konkreten Befangenheitsgründe ins Treffen geführt werden oder die Ablehnung offenkundig rechtsmissbräuchlich ist (RIS-Justiz RS0042028 [T7; T 15; T 18]). Zwar enthält der Rekurs keine näheren Angaben darüber, aus welchen Gründen die Richter des Landesgerichts im Vorverfahren ihre Befangenheit angezeigt haben, sodass für den Obersten Gerichtshof auch nicht erkennbar ist, ob diese Erwägungen für das gegenständliche Verfahren von Relevanz sein können, von einem offenkundig unbegründeten oder rechtsmissbräuchlichen Antrag kann derzeit aber nicht gesprochen werden.
Das Rechtsmittelverfahren ist in solchen Fällen zu unterbrechen, um die vorherige Entscheidung über den Ablehnungsantrag in erster Instanz zu ermöglichen, weil im Falle einer erfolgreichen Ablehnung des erstinstanzlichen Senats dessen Entscheidung zwingend aufzuheben wäre (3 Ob 39/09w, RIS Justiz RS0042028).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:008FSC00001.14K.0506.000