OGH vom 30.07.2012, 9Ob48/11s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj N***** K*****, geboren am ***** 2007, vertreten durch die Mutter M***** K*****, wegen Obsorge und Besuchsrecht, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters N***** D*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 297/11d 25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 5 PS 204/10m 18, teilweise bestätigt bzw teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom wurden die Akten dem Rekursgericht mit der Aufforderung zurückgestellt, den Spruch der Rekursentscheidung bezüglich der Absprache über den Obsorgeantrag des Vaters zu ergänzen und die Zulässigkeit bzw Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses auch insoweit klarzustellen. Diese Berichtigung ist nun erfolgt; die Akten wurden dem Obersten Gerichtshof wieder vorgelegt. Für den Revisionsrekurswerber ergab sich daraus nichts Neues. Er war schon vorher von der Abweisung des Obsorgeantrags und der Nichtzulassung des ordentlichen Revisionsrekurses ausgegangen und hatte dementsprechend gegen die Rekursentscheidung einen außerordentlichen Revisionsrekurs eingebracht.
Das Rekursgericht ließ sich bei seiner Entscheidung in der Sache zutreffend davon leiten, dass oberstes Prinzip bei Obsorgerechtsentscheidungen stets die Wahrung des Kindeswohls ist; demgegenüber sind die Interessen der Eltern nachrangig (vgl RIS Justiz RS0007101, RS0115719 ua). Die Obsorgerechtsfrage ist im vorliegenden Fall - wie schon die Vorinstanzen richtig erkannten - nach österreichischem Recht zu beurteilen (Art 15 Abs 1 Haager KSÜ, BGBl III 2011/49).
Gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall.
Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers wurde vom Rekursgericht das Kindeswohl des Minderjährigen nicht „negiert“, sondern vielmehr in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellt. Danach gestattet es die Berücksichtigung des Kindeswohls derzeit nicht, dem Wunsch des Revisionsrekurswerbers nach einer „abwechselnden Obsorge“ näher zu treten. Dabei wurde unter anderem berücksichtigt, dass dem Revisionsrekurswerber aufgrund rechtskräftiger einstweiliger Verfügung vom das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit der Mutter des Minderjährigen für die Dauer von einem Jahr untersagt war. Dem lagen Gewalthandlungen des Vaters gegen die Mutter im Rahmen eines Streits, den der Minderjährige miterlebte, zugrunde. Danach wurde im Rahmen einer zunächst begleiteten Besuchsrechtsregelung versucht, wieder schrittweise eine konfliktfreie Begegnung zu ermöglichen. Eine Übernachtung des Minderjährigen beim Vater im Rahmen der Besuchsrechtsausübung wurde allerdings rechtskräftig abgelehnt. Zuletzt schlossen die Eltern im Mai 2012 eine Vereinbarung über eine unbegleitete Besuchsrechtsausübung des Vaters ab Juni 2012. Eine Einigung auf wöchentliche Besuchskontakte kam vorerst aufgrund der arbeitssuchenden Situation der Eltern nicht zustande.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Beurteilung des Rekursgerichts, dass die Berücksichtigung des Kindeswohls derzeit weiteren Überlegungen in Richtung einer gemeinsamen (abwechselnden) Obsorge entgegensteht, als unbedenklich. Nach der Lage des Falls kommt den zur Begründung der Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses angestellten allgemeinen Überlegungen, wonach die österreichische Rechtslage (§ 166 ABGB), die den unehelichen Vater übergehe, menschenrechtswidrig sei, nur theoretische Bedeutung zu (siehe jedoch das nach Erhebung des Revisionsrekurses ergangene Erkenntnis des , mit dem § 166 Satz 1 ABGB mit Ablauf des als verfassungswidrig aufgehoben wurde). Vorrangig ist von den Pflegschaftsgerichten - dies wird auch durch das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, BGBl I 2011/4, betont - das Kindeswohl zu berücksichtigen. Die Entscheidung hängt daher nicht von den Überlegungen des Revisionsrekurswerbers in der Rekursentscheidung ab; diese sind nicht „präjudiziell“ iSd § 62 Abs 1 AußStrG (arg „abhängt“; vgl auch Kodek in Rechberger , ZPO³ § 508a Rz 1 ua).
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG).