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OGH vom 07.05.2003, 9Ob48/03d

OGH vom 07.05.2003, 9Ob48/03d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Johann D*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Dr. Andreas Karbiener und Mag. Martin Karbiener, Rechtsanwälte in Schwanenstadt, gegen den Gegner der gefährdeten Partei Michael E*****, Kaufmann, D-*****, vertreten durch Dr. Wilfried Wetzl, Rechtsanwalt in Steyr, wegen einstweiliger Verfügung (Verbot der Veräußerung und Belastung einer Liegenschaft; Streitwert EUR 7.000,-), über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 36 R 422/02f-18, womit über Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Haag vom , GZ 2 C 1654/02w-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit EUR 499,39 bestimmten Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses (darin EUR 83,23 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die gefährdete Partei (in der Folge: Antragsteller) begehrte in einer an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien gerichteten Klage von ihrem Gegner (in der Folge: Antragsgegner) die Zahlung von EUR 7.000,-. Der Antragsteller habe gemeinsam mit dem Antragsgegner und zwei weiteren Personen den Ankauf von Unternehmensanteilen durch einen Dritten vermittelt. Die dafür zu zahlende, den vier Vermittlern anteilsmäßig zustehende Provision habe der Antragsgegner entgegengenommen. Er weigere sich nunmehr, den Berechtigten die auf sie entfallenden Anteile auszufolgen.

Mit dieser Klage verband der Antragsteller den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Antragsgegner die Veräußerung und die Belastung einer ihm gehörigen österreichischen Liegenschaft verboten werden solle. Bei dieser Liegenschaft handle es sich um das einzig verwertbare Vermögen des Antragsgegners in Österreich. Der Antragsgegner habe mittlerweile einen Realitätenvermittler mit dem Verkauf dieser Liegenschaft um EUR 280.000,- beauftragt. Er habe seine sonstigen Verbindungen in Österreich bereits abgebrochen, sodass es wahrscheinlich sei, dass ohne die Erlassung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes die Hereinbringung der Geldforderung des Antragstellers vereitelt oder doch zumindest erheblich erschwert werde.

Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien wies mit Beschluss vom die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Gleichzeitig überwies es gemäß § 44 JN den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Haag.

Das Bezirksgericht Haag erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es erachtete den vom Antragsteller vorgebrachten Sachverhalt als bescheinigt und ging zur für das Revisionsrekursverfahren entscheidenden Frage der Gefährdung iSd § 379 Abs 2 Z 1 EO von folgendem Sachverhalt aus:

Der Antragsgegner ist deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Österreich. Die Liegenschaft ist sein einziges Vermögen in Österreich. Der Antragsgegner, der sonst über keine Beziehungen zu Österreich mehr verfügt, bietet sie über einen Realitätenvermittler um EUR 280.000,- zum Verkauf an.

Auf der Grundlage des als bescheinigt angenommenen Sachverhaltes erachtete das Erstgericht sowohl den Anspruch als auch die Gefährdung seiner Hereinbringung als bescheinigt. Durch den beabsichtigten Verkauf des einzigen noch in Österreich vorhandenen Vermögens werde auch die Hereinbringung der Forderung erheblich erschwert, weil im Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit eines stattgebenden Urteils keine befriedigungstauglichen Vermögensobjekte im Inland mehr vorhanden wären. Damit wäre der Antragsteller gezwungen, in Deutschland Exekution zu führen, was eine erhebliche Erschwerung der Hereinbringung der Forderung bedeute.

Mit dem angefochtenen Beschluss änderte das Rekursgericht in Stattgebung eines vom Antragsgegner erhobenen Rekurses die erstgerichtliche Entscheidung im Sinne der Abweisung des Sicherungsantrages ab. Es sprach aus, dass Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Es prüfte zunächst die internationale Zuständigkeit des Erstgerichtes, die es unter Hinweis auf Art 31 EuGVVO und § 387 EO bejahte.

Hingegen verneinte es die iS § 379 Abs 2 EO für die Erlassung der einstweiligen Verfügung erforderliche Gefährdung der Hereinbringung des Anspruchs. Eine subjektive Gefährdung iSd § 379 Abs 2 EO könne aus dem Umstand, dass der Antragsteller seine inländische Liegenschaft veräußern wolle und sonst keine Beziehungen mehr zu Österreich habe, nicht erschlossen werden. Konkrete Aktivitäten des Antragsgegners mit dem Ziel, den Verkaufserlös dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen oder daraus unberechtigterweise einige Gläubiger zu begünstigen, habe der Antragsteller nicht behauptet und bescheinigt. Er habe auch nicht vorgebracht, dass die Liegenschaft überhaupt das einzige exekutionsfähige Vermögen des Antragsgegners darstelle oder die Forderung aus anderen Gründen bei Verlust der Liegenschaft beim Antragsgegner uneinbringlich wäre. Dass der Antragsteller seine Forderung in Deutschland eintreiben müsse, reiche nach dem eindeutigen Wortlaut des § 379 Abs 2 Z 2 EO nicht als abstrakte Gefährdung aus, zumal Deutschland Vertragsstaat des LGVÜ/EuGVÜ sei bzw die EuGVVO zur Anwendung komme. Aus dieser Bestimmung sei darüber hinaus abzuleiten, dass auch die subjektive Gefährdung iSd § 379 Abs 2 Z 1 EO nicht mehr angenommen werden könne, wenn Vermögensstücke in Staaten verbracht werden, die Vertragsstaaten von LGVÜ/EuGVÜ seien bzw. für die die EuGVVO gelte bzw wenn die bloße Gefahr bestehe, dass infolge der Veräußerung von inländischem Vermögen die Exekution in einem solchen Staat geführt werden müsste.

Überdies wurde § 379 Abs 2 Z 2 EO schon bisher dahin ausgelegt, dass die dort erwähnte Erschwernis bei der Hereinbringung der Forderung durch die Notwendigkeit der Auslandsvollstreckung nur jenen Gläubiger von der Bescheinigung subjektiver Gefährdung habe befreien wollen, dessen Exekutionstitel im Inland geschaffen worden sei, nicht aber jenen, der schon deshalb mit einer Exekutionsführung im Ausland rechnen müsse, weil er auch seine Forderung erst dort vor einem Gericht oder Schiedsgericht durchsetzen müsse. Dieser Gedanke komme auch hier zum Tragen, weil weder behauptet noch bescheinigt worden sei, dass der Antragsgegner zum Zeitpunkt des Abschlusses der maßgeblichen Vereinbarung in Wien gewohnt habe oder dass er sonst über das Eigentum an der Liegenschaft hinaus nähere Beziehungen zu Österreich gehabt habe. Der Antragsteller habe daher von vornherein mit einer Exekutionsführung im Ausland rechnen müssen, sodass auch aus diesem Grund die erforderliche Gefährdung nicht bescheinigt sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil die Frage, inwieweit die Einschränkung des abstrakten Gefährdungstatbestandes nach § 379 Abs 2 Z 2 EO auch bei der Beurteilung der subjektiven Gefährdung nach § 379 Abs 2 Z 1 EO heranzuziehen ist, in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht explizit beantwortet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Auf die Frage der internationalen Zuständigkeit ist nicht weiter einzugehen, weil das Gericht zweiter Instanz diese Frage von Amts wegen geprüft und bejaht hat, sodass insoweit eine bindende zweitinstanzliche Entscheidung vorliegt (1 Ob 2009/96i).

In der Sache selbst hält der Revisionsrekurswerber der zweiten Instanz primär entgegen, dass die Frage der subjektiven Gefährdung iSd § 379 Abs 2 Z 1 EO von der Frage der objektiven Gefährdung iSd § 379 Abs 2 Z 2 EO strikt zu trennen sei und daher die mit der Veräußerung des inländischen Vermögens des Antragsgegners verbundene Notwendigkeit der Vollstreckung der Forderung in Deutschland eine Erschwerung der Hereinbringung iSd § 379 Abs 2 Z 1 EO sei.

Dem kann nicht beigepflichtet werden.

§ 379 Abs 2 Z 2 regelt einen speziellen Anwendungsfall objektiver Anspruchsgefährdung, der in der Fassung der zitierten Bestimmung vor der EO-Novelle 1995 dann verwirklicht war, "wenn das Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste". Mit der EO-Novelle 1995 wurde dieser Gefährdungstatbestand allerdings eingeschränkt: Seither liegt er dann nicht vor, wenn die Entscheidung in einem Vertragsstaat des LGVÜ oder des EuGVÜ vollstreckt werden müsste. Diese Einschränkung wurde durch das Erkenntnis des Slg 1994, I-467 (Mund & Fester/Hatrex), notwendig, in dem der Gerichtshof unter Hinweis auf das Diskriminierungsverbot davon ausging, dass die Auslandsvollstreckung in den Vertragsstaaten keine erhebliche Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung darstelle (dazu und zur daran geäußerten Kritik: König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren, Rz 2/48).

Zechner (Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, § 379 Rz 3 S 122) leitet daraus ab, dass daher Sicherungsmaßnahmen möglich seien, wenn - ohne Erlassung der einstweiligen Verfügung - zu besorgen sei, dass im Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels kein befriedigungstaugliches Vermögen des Schuldners mehr im Inland oder - aufgrund der Rechtslage seit der EO-Novelle 1995 - in einem Staat, der Mitgliedstaat des EuGVÜ oder LGVÜ ist, vorhanden sein werde. Habe daher der Gegner im Inland bzw. in einem Mitgliedstaat des EuGVÜ oder LGVÜ kein weiteres Vermögen als jenes, auf das sich die beantragte Provisorialmaßnahme beziehen solle, sei eine objektive Gefährdung zu bejahen. Die Voraussetzungen für eine Sicherungsmaßnahme seien hingegen nicht gegeben, wenn ein im Ausland lebender Gegner im Inland bzw in einem Mitgliedstaat des EuGVÜ oder LGVÜ über ausreichendes befriedigungstaugliches Vermögen verfüge und konkrete Anhaltspunkte dafür fehlten, dass er es dem Gläubigerzugriff entziehen werde.

Diesen Überlegungen, die auch der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, ist beizupflichten:

§ 379 Abs 2 Z 2 EO liegt - wie oben gezeigt - die Wertung zugrunde, dass die Auslandsvollstreckung in den Vertragsstaaten keine erhebliche Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung sei. Diese Wertung des Gesetzes kann daher - wie immer man dazu stehen mag - bei der Beurteilung, ob die Anspruchsdurchsetzung eine erhebliche Erschwerung der Hereinbringung des Anspruchs darstelle, auch bei der Prüfung der subjektiven Gefährdung iSd § 379 Abs 2 Z 1 EO nicht außer Betracht bleiben.

§ 379 Abs 2 Z 1 EO setzt eine subjektive Gefährdung durch den Gegner voraus, die verwirklicht ist, wenn das ihm zuzurechnende Verhalten die Hereinbringung der Geldforderung vereiteln oder erheblich erschweren würde. Dass der in einem Mitgliedstaat des EuGVÜ oder LGVÜ wohnhafte Gegner sein inländisches Vermögen veräußert, bedeutet mangels gegenteiliger Behauptungen über das Fehlen von Vermögen in seinem Heimatstaat nichts anderes als die Notwendigkeit, die Geldforderung in seinem Heimatstaat hereinzubringen. Darin - so die aus § 379 Abs 2 Z 1 EO hervorleuchtende Wertung des Gesetzes - liegt aber keine erhebliche Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung.

Hier hat der Antragsteller nur behauptet (und bescheinigt), dass der Antragsgegner seine einzige Liegenschaft in Österreich verkaufen will; dass er über kein hinreichendes befriedigungstaugliches Vermögen in seinem Wohnsitzstaat Deutschland verfügt oder dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein solches Vermögen dem Gläubigerzugriff entziehen werde, wurde hingegen nicht einmal behauptet und auch nicht bescheinigt. Damit hat aber das Rekursgericht die Bescheinigung einer subjektiven Gefährdung iSd § 379 Abs 2 Z 1 EO zu Recht verneint, sodass es auf die Frage, ob der Antragsteller von vornherein mit einer Auslandsvollstreckung rechnen musste, nicht mehr ankommt.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens dritter Instanz gründet sich auf § 78 EO, § 41, 50 ZPO.