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OGH vom 19.03.2013, 10Ob5/13b

OGH vom 19.03.2013, 10Ob5/13b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj M*****, geboren am , vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Land Wien (Amt für Jugend und Familie Rechtsvertretung Bezirke 14 16, Gasgasse 8-10, 1150 Wien), über den Revisionsrekurs des Vater S*****, vertreten durch Mag. Matthias Prückler, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Mag. Alexander Ebner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 211/12s-37, womit der Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom , GZ 3 Pu 134/11s 20, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben und die Pflegschaftssache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung über den Rekurs des Vaters unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens sind Anträge des bei seiner Mutter in Österreich lebenden Minderjährigen gegen seinen in Deutschland wohnenden Vater auf Gewährung von (vorläufigem) Unterhalt und Unterhaltsvorschüssen.

Das Erstgericht hat dem Kind mit Beschluss vom (ON 20) Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit vom bis gewährt und diesen Beschluss ungeachtet dessen, dass sich die deutsche Rechtsanwältin G***** mit Eingabe vom auf eine Bevollmächtigung durch den Vater für dieses Verfahren berufen und auch die (Prozess-)Vollmacht vorgelegt hatte (ON 11 und 12) nicht ihr, sondern ihm selbst am mit internationalem Rückschein eigenhändig zugestellt.

Am brachte der Vater per Fax einen selbstverfassten Rekurs (ON 23) ein. Das Erstgericht trug dem Vater mit Beschluss vom (ON 31) auf, den Rekurs binnen 14 Tagen im Original mit eigenhändiger Unterschrift vorzulegen. Auch der Verbesserungsauftrag wurde nicht der Bevollmächtigten des Vaters, sondern diesem persönlich (am ) zugestellt.

Dem Verbesserungsauftrag entsprechend, langte am der mit eigenhändiger Unterschrift des Vaters versehene (Original-)Rekurs beim Erstgericht ein (AS 165 bei ON 32).

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Vaters mit dem angefochtenen Beschluss vom (ON 37) als verspätet zurück, weil es davon ausging, der Beschluss ON 20 sei ihm am zugestellt worden. Der am per Fax beim Erstgericht eingelangte Rekurs, dessen über Verbesserungsauftrag vorgelegtes Original vom datiere, sei daher schon im Hinblick auf die Datierung verspätet, weil die Rechtsmittelfrist bereits am abgelaufen sei. Das Rekursgericht sprach (zunächst) aus, der Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens von Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG genannten Qualifikation nicht zulässig.

Diesen Ausspruch änderte es über Antrag des Vaters mit Beschluss vom dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs (doch) zulässig sei, weil Rechtsprechung zu der in der Zulassungsvorstellung ausdrücklich relevierten Rechtsfrage, ob die im Verfahren erster Instanz bevollmächtigte deutsche Rechtsanwältin einer „eigenberechtigten Person“ im Sinn des § 4 Abs 1 AußStrG gleichzuhalten sei, fehle.

Gegen den Zurückweisungsbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Rekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig (weil die zu Unrecht erfolgte Zurückweisung eines Rekurses als verspätet aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigieren ist [4 Ob 169/12z]) und auch berechtigt.

1. Die Rechtsmittelausführungen wenden sich zu Recht gegen die Beurteilung, dass der Vater den Rekurs erst nach Ablauf der 14 tägigen Rechtsmittelfrist erhoben habe; nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0102501; RS0006023; RS0036252; RS0036334; RS0036271; vgl auch 5 Ob 263/09a) erweist sich die Zustellung der Entscheidung des Erstgerichts an ihn direkt statt an seine aktenkundige Vertreterin nämlich (aus den im Folgenden dargelegten Gründen) als wirkungslos und nicht fristauslösend :

2. Auch im Außerstreitverfahren haben die Zustellungen, wenn eine Partei einen Bevollmächtigten bestellt hat, an diesen zu erfolgen; eine daneben auch an die Partei selbst erfolgte Zustellung ist für den Lauf der Rechtsmittelfrist nach der Rechtsprechung bedeutungslos (RIS-Justiz RS0006023; RS0036252; RS0102501), und die Einbringung eines Rekurses gegen eine Entscheidung setzt eine vorherige Zustellung der Entscheidung nicht voraus (RIS-Justiz RS0006060).

3. Nach der Bestimmung des § 93 Abs 1 ZPO, die gemäß § 24 Abs 1 AußStrG auch im außerstreitigen Verfahren anzuwenden ist (vgl Rechberger in Rechberger AußStrG² [2013] § 24 Rz 1), haben bis zur Aufhebung der Prozessvollmacht alle den Rechtsstreit betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen, wobei dies auch dann gilt , wenn der Bevollmächtigte kein Rechtsanwalt ist ( Gitschthaler in Rechberger , ZPO³ § 93 Rz 1 mwN; RIS Justiz RS0006023 [T2]).

4. Wird entgegen § 93 ZPO nur dem Vertretenen zugestellt, ist diese Zustellung (verfahrensrechtlich) unwirksam: Es werden keine Zustellfolgen ausgelöst, mögen sie in Rechtsmittel-, Säumnis- oder Präklusionsfristen oder in einer auf die Nichtbefolgung einer Ladung oder eines Auftrags gegründete Beweiswürdigung bestehen. Die Zustellung ist (wenn es verfahrensrechtlich nötig und faktisch möglich ist) durch Zustellung an den Vertreter zu wiederholen. Den „falschen Empfänger“ trifft keine Handlungspflicht ( Stumvoll in Fasching/Konecny² § 93 ZPO Rz 2).

5. Im vorliegenden Fall legte die deutsche Rechtsanwältin des Vaters mit Schreiben vom (ON 12) Vollmacht für das hier geführte Verfahren. Eine Vollmachtsauflösung ist dem Akt nicht zu entnehmen, wenngleich der Vater in dem am beim Erstgericht eingelangten Schreiben (ON 32) bekanntgab, er werde was die „laufenden Anträge in Österreich“ betrifft nicht mehr von seiner Anwältin vertreten, und zwar seit „der Abweisung des Rekurses“. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch gar kein Rekurs „abgewiesen“ und auch sonst ist nicht ersichtlich, wann (allenfalls) eine Auflösung des Vertretungsverhältnisses stattfand. Die deutsche Rechtsanwältin war daher zumindest bis zu dieser Bekanntgabe und damit auch zum Zeitpunkt der fraglichen Zustellungen an den Vater (am und ) seine Vertreterin im erstgerichtlichen Verfahren.

5.1. Der am per Fax erhobene (am durch Vorlage des mit eigenhändiger Unterschrift gefertigten Originals verbesserte) Rekurs erweist sich somit als rechtzeitig, weil vor der Rechtsmittelerhebung nach den dargelegten Grundsätzen keine rechtswirksame Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses an den Vater ersichtlich ist. Dass hiebei, nur weil die Bevollmächtigte eine deutsche Rechtsanwältin ist, auch geprüft werden müsste, ob sie eine „eigenberechtigte Person“ im Sinn des § 4 Abs 1 AußStrG ist, trifft nicht zu:

5.2. Gilt doch im Außerstreitverfahren weiterhin in erster Instanz grundsätzlich Vertretungsfreiheit; was unter anderem auch bedeutet, dass es sich dann, wenn sich die Partei vertreten lässt, dabei nicht um einen Rechtsanwalt handeln muss ( Rechberger in Rechberger AußStrG² [2013] § 4 Rz 1 mwN).

5.3. Da im hier zu beurteilenden Verfahrensstadium (1. Instanz) keine (relative) Anwaltspflicht bestand, wäre selbst ein hier mangels Aufforderung durch das Gericht ohnehin nicht vorliegender Verstoß gegen § 3 Abs 2 EIRAG ohne Folgen: Der trotz Aufforderung unterlassene Nachweis der ausländischen (hier: deutschen) Berufsausübungsberechtigung würde nur dazu führen, dass der einschreitende Rechtsbeistand nicht als „Rechtsanwalt“ einzustufen wäre und die damit verbundenen Folgen sich aus den jeweiligen Verfahrensgesetzen ergeben (vgl ErläutRV 777 BlgNR 18. GP 7 zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 2 Abs 2 EWR RAG 1992). Mangels relativer Anwaltspflicht könnte daher selbst ein Verstoß gegen Bestimmungen des EIRAG nichts an der wirksamen Bevollmächtigung einer eigenberechtigten Person ändern. Die Bestimmung über den Einvernehmensanwalt (§ 5 EIRAG) ist hier schon deshalb ohne jeden Belang, weil keine absolute Anwaltspflicht bestand (vgl ErläutRV 777 BlgNR 18. GP zur Vorgängerbestimmung des § 4 EWR RAG).

5.4. Dem Rekursgericht ist aber beizupflichten, dass aus der mangelhaften Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses entgegen der Ansicht des Vaters nicht folgt, dieser Beschluss habe „keinerlei Rechtswirkungen entfalten“ können und sei „somit in rechtlicher Hinsicht inexistent“. Demgemäß wird nunmehr inhaltlich über den vom Vater rechtzeitig gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs zu entscheiden sein.

Die Zurückweisung wegen Verspätung ist daher ersatzlos aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über das Rechtsmittel aufzutragen.