OGH vom 21.09.1989, 8Ob652/89
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gustav H***, Hotelier, Unternarrach 6, 9122 St.Kanzian, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1) Walter F***, Angestellter, Wichernstraße 27, D-6724 Dudenhofen, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Reinhard Schubert, Rechtsanwalt in Völkermarkt, 2) Wilhelm M***, Angestellter, Ringstraße 61, D-7472 Winterlingen, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Karlheinz Waysocher, Rechtsanwalt in Völkermarkt, 3) Gertrude F***, Hausfrau, und
4) Klaus F***, Angestellter, beide Am Anger 5, 4040 Linz, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und Dr. Michael Krüger, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 21.934 sA, S 13.129 sA und S 7.924 sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom , GZ 2 R 241,242,243/89, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die in den erstgerichtlichen Verfahren AZ 2 C 1/89 (Begehren auf Zahlung von S 21.934 sA), AZ 2 C 2/89 (Begehren auf Zahlung von S 13.129 sA) und AZ 2 C 3/89 (Begehren auf Zahlung von S 7.924 sA) ergangenen klageabweisenden Urteile wurden vom Berufungsgericht mit den zu 2 R 241/89, 2 R 242/89 und 2 R 243/89 ergangenen Urteilen bestätigt.
Nach Zustellung der berufungsgerichtlichen Entscheidungen übersandte der Kläger am an das Berufungsgericht einen Schriftsatz, in welchem er dessen Entscheidungen kritisierte und unter anderem ausführte:
"Um solches zu tun, bedarf es aber keines Gerichtes, das kann auch ein Hühnerknochen werfender schwarzer Medizinmann", "Sie scheinen mir halblustig, nicht ganz lustig, aber doch lustig zu sein....".
Mit dem angefochtenen Beschluß verhängte das Berufungsgericht über den Kläger eine Ordnungsstrafe von S 3.000, weil diese seine Äußerungen das Maß einer tolerierbaren Kritik der berufungsgerichtlichen Entscheidung bei weitem überschritten und als schwere Beleidigung des Gerichtes zu werten seien. Nach dem Unrechtsgehalt der Äußerungen und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers als eines Hoteliers sei die Ordnungsstrafe mit S 3.000 zu bemessen.
Gegen den berufungsgerichtlichen Beschluß erhebt der Kläger einen zulässigen (SZ 43/118; 6 Ob 501/86 ua) Rekurs mit dem Antrage auf Aufhebung und bringt vor, bei seinem Schreiben vom habe es sich nicht um einen vorbereitenden oder bestimmenden Schriftsatz im Sinne des § 74 ZPO, sondern um eine Eingabe gehandelt, mit welcher er lediglich seinen Unmut über die getroffenen Feststellungen äußern habe wollen, weil ihn diese in seiner Berufsehre verletzt hätten, wodurch er in eine allgemein begreifliche Gemütserregung geraten sei. Eine Beleidigungsabsicht sei ihm ferngelegen. Da die Verhängung einer Ordnungsstrafe gemäß § 86 ZPO nicht zwingend vorgeschrieben sei, hätte die Rechtsmittelinstanz hievon Abstand nehmen müssen.
Rechtliche Beurteilung
Dem Standpunkt des Rekurswerbers kann nicht gefolgt werden. Die §§ 74 bis 86 ZPO sind mit dem Titel "Schriftsätze" überschrieben. Nach der Bestimmung des § 74 ZPO stellen u.a. auch alle eine Streitsache betreffenden, außerhalb der mündlichen Verhandlung erfolgenden schriftlichen Mitteilungen Schriftsätze dar. Gemäß § 86 ZPO kann gegen eine Partei, welche die dem Gericht schuldige Achtung in einem Schriftsatz durch beleidigende Ausfälle verletzt, unbeschadet der deshalb etwa eintretenden strafgerichtlichen Verfolgung vom Gericht eine Ordnungsstrafe verhängt werden.
Selbst wenn im Sinne der Rekursausführungen der in der zuletzt genannten Gesetzesstelle verwendete Ausdruck "Schriftsatz" streng formal aufzufassen wäre, würde die vom Rekurswerber an das Berufungsgericht gerichtete Mitteilung gemäß § 74 ZPO einen solchen Schriftsatz darstellen. Regelungszweck des § 86 ZPO ist es aber offenkundig, jede an das Gericht gerichtete Eingabe, deren Inhalt die dem Gericht schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletzt, unter Sanktion zu stellen.
Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der gemäß § 86 ZPO vorzunehmenden Beurteilung nicht auf die Absicht des Verfassers des Schriftsatzes an, vielmehr ist ein objektiver Beurteilungsmaßstab anzulegen. Eine Ordnungsstrafe ist daher auch dann zu verhängen, wenn die Äußerung zwar nicht in der Absicht, das Gericht zu verunglimpfen, geschah, aber jedenfalls einem Mangel an Überlegung entsprang (SZ 35/122 uva, zuletzt etwa 2 Ob 552/88). Die angeführten Äußerungen des Rekurswerbers stellen sich nach ihrem eindeutigen Inhalt keinesfalls als - grundsätzlich zulässige - sachliche Kritik (vgl. EvBl 1966/263; 6 Ob 501/86 ua), sondern ausschließlich als beleidigende Ausfälle dar und verletzen damit die dem Berufungsgericht schuldige Achtung. Wenn dieses die Rechtsansicht vertrat, der Einschreiter habe hiefür gemäß § 86 ZPO einzustehen, so kann hierin kein Rechtsirrtum erkannt werden. Gegen die Höhe der verhängten Ordnungsstrafe wird vom Rekurswerber nichts vorgebracht. Die Bemessung mit S 3.000 ist nach dem Akteninhalt gerechtfertigt.
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.