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OGH vom 28.06.2011, 10Ob49/11w

OGH vom 28.06.2011, 10Ob49/11w

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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger ua Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch huber ebmer partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 290.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 59/11s 28, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Eine objektive Klagenhäufung ist dann gegeben, wenn gemeinsam vorgebrachte Rechtsschutzanträge geltend gemacht werden, die jeder für sich die Inhaltserfordernisse einer Klage erfüllen und jeweils ein Mindestmaß an Tatsachenbehauptungen und ein bestimmtes Begehren enthalten müssen. Es genügt aber entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin auch, wenn wie im vorliegenden Fall mehrere Geldansprüche in einem einheitlichen Klagebegehren als Gesamtsumme aufscheinen oder in der Klage die Tatsachen eines gesamten Lebenssachverhalts vorgebracht werden, aus denen sich mehrere Begehren ableiten, die aus nicht deckungsgleichen Tatsachen entspringen ( Fasching in Fasching/Konecny ² § 227 ZPO Rz 3; 3 Ob 258/09a mwN).

2. Die von der Klägerin geltend gemachten restlichen Werklohnansprüche beruhen auf nicht deckungsgleichen Anspruchsgrundlagen und können daher ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben. In einem solchen Fall einer objektiven Klagenhäufung muss nach Lehre und Rechtsprechung jeder der Ansprüche zumindest in der Begründung ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein, um dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO zu entsprechen. Ohne eine solche Aufschlüsselung wäre es nämlich nicht möglich, den Umfang der Rechtskraft einer Teilabweisung des Zahlungsbegehrens zu bestimmen und damit die Frage zu beantworten, über welche der eingeklagten Forderungen (ganz oder teilweise) endgültig negativ abgesprochen worden ist. Nur wenn eine solche Aufgliederung erfolgt, kann in einem Folgeprozess die der Zulässigkeit einer weiteren Sachentscheidung allenfalls entgegenstehende materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung beurteilt werden (4 Ob 241/05b mwN ua).

3. Wird wie im vorliegenden Fall nur pauschal ein Teilanspruch geltend gemacht und können dabei einzelne Anspruchspositionen unterschieden werden, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können, so hat die Klägerin klarzustellen, welche Teile von ihrem pauschal formulierten Begehren erfasst sein sollen. Eine alternative Klagenhäufung, bei welcher die Klägerin dem Gericht die Wahl überlässt, welchem Begehren es stattgeben will, ist jedenfalls unzulässig, und zwar selbst dann, wenn nur ein Teilbetrag der angeblich insgesamt zustehenden Forderungen eingeklagt wird (4 Ob 241/05b mwN ua).

4. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, diese notwendige Klarstellung durch die Klägerin fehle im vorliegenden Fall, weil nicht nachvollziehbar sei, wie sich der von der Klägerin in ihrer Klage geltend gemachte Pauschalbetrag von 290.000 EUR auf die einzelnen Anspruchspositionen (Pauschalauftrag nach Fertigstellungsgrad, Zusatzaufträge, sonstige Vereinbarungen) aufteile, steht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur erforderlichen Bestimmtheit des Klagebegehrens in vergleichbaren Fällen (vgl auch 7 Ob 139/08d; 6 Ob 51/05a; 7 Ob 105/05z; 6 Ob 126/04d ua; RIS Justiz RS0031014 [T22, T 25]). Es kann demnach selbst ein ursprünglich schlüssiges Klagsvorbringen durch eine unsubstantiierte Klagseinschränkung, aufgrund derer die geltend gemachten Ansprüche nicht mehr im Einzelnen ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sind, unschlüssig werden (10 Ob 24/01d = RIS Justiz RS0114849 = RS0037780 [T6]). Die Klägerin hat verschiedene Werklohnansprüche geltend gemacht, aber nie aufgeschlüsselt, was nun aus dem rechnerischen Gesamtbetrag dieser Ansprüche, der wesentlich über dem Klagebegehren liegen würde, tatsächlich geltend gemacht werden soll. Sie hat insbesondere nicht schlüssig dargestellt, welche Beträge ihrer Ansicht nach noch aus dem Pauschalpreisauftrag, aus allfälligen nachträglichen Änderungen der dabei vereinbarten Leistungsinhalte unter Berücksichtigung des jeweiligen Fertigstellungsgrades und aus Zusatzaufträgen aushaften. Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, sie ziehe sich von ihrer Gesamtforderung aus prozessualer Vorsicht einen Betrag von 312.240,32 EUR zur Abdeckung sämtlicher von der Beklagten als Gegenforderung eingewendeter Mängelbehebungskosten ab, hat sie es ebenfalls unterlassen, diesen von ihr anerkannten Mängelbehebungsaufwand den zahlreichen von der Beklagten relevierten Baumängeln zuzuordnen (vgl 6 Ob 126/04d). Fehlendes Vorbringen kann weder durch Verweis auf eine Urkunde noch durch eigene Berechnungen des Gerichts (in Form einer von der Revisionswerberin nunmehr gewünschten aliquoten Aufteilung auf die Einzelposten nach Prozenten) noch durch die Einholung bzw Beischaffung eines Sachverständigengutachtens ersetzt werden (8 ObA 18/06i mwN).

5. Die ausreichende Bestimmtheit des Klagebegehrens ist anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall zu prüfen. Die Frage, ob eine Klage hinreichend bestimmt und damit schlüssig ist, stellt daher vom Fall einer groben Fehlbeurteilung abgesehen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl RIS Justiz RS0116144, RS0037780). Die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts zur mangelnden Schlüssigkeit des Klagebegehrens stellen jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

6. Ist wie hier der Klägerin bereits vom Erstgericht mehrfach erfolglos Gelegenheit zur Schlüssigstellung ihres Klagebegehrens gegeben worden, hat jeder neuerliche Verbesserungsversuch durch das Berufungsgericht zu unterbleiben, würde ein solcher doch allein dem Zweck dienen, einer Partei ein Vorbringen zu ermöglichen, das sie bisher schon hätte erstatten können. Die trotz Vornahme eines erfolglos gebliebenen Verbesserungsversuchs durch das Erstgericht von der Revisionswerberin vermisste neuerliche Anleitung zur Aufschlüsselung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht vermag demnach auch keinen Mangel des Berufungsverfahrens zu begründen (vgl 3 Ob 258/09a mwN).

Die außerordentliche Revision war somit mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.